- Grünland nimmt weiter stark ab - Artenrückgang setzt sich fort
- Flächendeckende Grünlanderhaltung gefordert
- Naturschutzleistungen durch Beweidung und Wanderschäfer besser honorieren
In den Jahren 2009 bis 2013 hat das Grünland mit hohem Naturwert einen besorgniserregenden flächenmäßigen Verlust erlitten. Es ging bundesweit um 7,4 % (82.000 ha) durch Intensivierung der Nutzung oder Umbruch zurück. "Diese drastische Abnahme ist für den Naturschutz kritisch. Sie zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft und insbesondere des artenreichen Grünlands nicht die beabsichtigte Wirkung hatten", sagte Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) bei der Präsentation des ersten "Grünland-Reports". Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der quantitative Rückgang des Grünlands, sondern auch die qualitative Verschlechterung: Durch Intensivierung der Landwirtschaft nehmen Intensivwiesen und Mähweiden gegenüber biologisch vielfältigeren Grünlandflächen immer höheren Flächenanteile ein. "Wenn wir den Rückgang des Grünlandes und den damit verbundenen Verlust von Pflanzen- und Tierarten aufhalten wollen, dann brauchen wir eine nationale Grünlandstrategie mit einem flächendeckenden Grünlanderhaltungsgebot in Deutschland und ein Umschwenken in der Agrarförderpolitik. Nachdem auf EU-Ebene die Weichen gestellt sind, sind hier jetzt vor allem die Bundesländer bei der laufenden Ausgestaltung ihrer Agrarumweltprogramme gefordert", so Beate Jessel.
Nach Ansicht des BfN sollte insbesondere in FFH- und Vogelschutzgebieten sowie in weiteren sensiblen Gebieten (z.B. kohlenstoffreiche und erosionsgefährdete Gebiete) das Grünland unter strengen Schutz gestellt und eine Grünlandumwandlung bundesweit untersagt werden. Vor allem in Flussauen und auf Moorböden sollte ein generelles Grünlandumbruchverbot gelten. Bestehende Ackernutzungen in solchen Gebieten sind schrittweise in Dauergrünlandnutzung zu überführen. Ebenso setzt sich das BfN für eine bessere Förderung von Wanderschäfereien ein, um extensive Grünlandtypen wie Wacholderheiden, die von einer Beweidung abhängig sind, zu erhalten.
Denn Grünland hat vielfältige Bedeutung für Erholung und Landschaftsbild, den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Naturhaushalt (z.B. Bodenschutz). Vielfach unbekannt sind die positiven Wirkungen des Grünlandes für den Schutz des Klimas. Es wirkt für den Klimaschutz in zweierlei Weise. Zum einen hat Grünland eine bedeutende Rückhaltefunktion für Kohlenstoff. So werden in nur zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche (vorwiegend Grünland) mehr als 35 Prozent der gesamten Kohlenstoffvorräte landwirtschaftlicher Böden in Deutschland gespeichert. Andererseits hat Grünland auch eine CO2-Senkenfunktion inne. Bei einer Neuanlage von Grünland wird zwar wieder Kohlenstoff im Boden gebunden, jedoch ist die Festsetzungsrate im Boden nur etwa halb so groß wie die Freisetzungsrate bei Umbruch. "Die Neuanlage einer gleich großen Fläche als Ausgleich für einen Grünlandumbruch stellt aus Klima- wie Naturschutzgesichtspunkten somit keine ausreichende Option dar. Vielmehr müssen wir unsere Anstrengungen auf den Erhalt der bestehenden Grünlandstandorte konzentrieren", fordert BfN-Präsidentin Jessel.
Dem BfN zufolge müssen durch die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU insbesondere "dunkelgrüne" Agrarumweltmaßnahmen (AUM), die einen echten Mehrwert für die biologische Vielfalt haben, von den Bundesländern gefördert und besonders honoriert werden. Um dabei hochwertiges Grünland zu erhalten, sollten staatliche Zahlungen auch stärker an positive Wirkungen für das Grünland mit hohem Naturwert gekoppelt werden. Die AUM-Förderung sollte außerdem die Erhaltung und Entwicklung von Saumstrukturen beinhalten, die für den Erhalt der biologischen Vielfalt von sehr großer Bedeutung ist.
Weitere Informationen zum Grünland-Report erhalten Sie unter: http://www.bfn.de/...
Hintergrund Grünland
Zum Grünland gehören gedüngte und ungedüngte Wiesen und Weiden zur Futtergewinnung, aber auch Mähwiesen zur Biomasse und Einstreugewinnung, sowie Naturschutzflächen wie Feuchtgrünland, Magerrasen und Streuobstwiesen. Über ein Drittel aller heimischen Farn- und Blütenpflanzen haben ihr Hauptvorkommen im Grünland (1.250 von 2.997 bzgl. Zugehörigkeit zu einer Vegetationseinheit und der Gefährdung bewerteten Arten). Von den in Deutschland gefährdeten Arten der Farn- und Blütenpflanzen haben sogar rund 40 % (das entspricht 822 Arten) ihr Hauptvorkommen im Grünland. Die meisten Vogelarten, die auf Wiesen und Weiden brüten, gehen wegen der hohen Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung deutlich im Bestand zurück. Bei den vorwiegend in Feuchtwiesen am Boden brütenden Arten wie Kiebitz und Uferschnepfe setzen sich die Bestandsverluste seit Jahrzehnten fort: die Bestände des Kiebitz sind in den letzten 20 Jahren auf ein Viertel geschrumpft bei der Uferschnepfe haben sie sich halbiert.
Mit dem Grünlandrückgang verlieren insbesondere auch die auf ein reiches Blüten- und Nektarangebot angewiesenen Insekten wie Bienen und Schmetterlinge ihre Nahrungsgrundlage und ihren Lebensraum. In der aktuellen Roten Liste zeigt sich, dass sich der negative Bestandstrend insbesondere der auf Magerrasen und Trockenrasen vorkommenden Tagfalter-Arten und der in Mähwiesen, Magerrasen und Heiden vorkommenden Bienen, fortgesetzt hat. Die Ameisenbläulinge der Feuchtwiesen (z.B. Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling, Maculinea nausithous) weisen einen starken Rückgang auf. Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der quantitative Rückgang des Grünlands, der sich allein zwischen 1990 und 2009 auf 875.000 ha belief, sondern auch die qualitative Verschlechterung: Durch Intensivierung der Landwirtschaft nehmen Intensivwiesen und Mähweiden gegenüber biologisch vielfältigeren Grünlandflächen immer höheren Flächenanteile ein. Im kürzlich veröffentlichten nationalen Bericht zur FFH-Richtlinie, der den Erhaltungszustand der für den Naturschutz wichtigen Lebensräume bewertet, steht bei den Grünlandlebensräumen im kontinentalen und atlantischen Bereich bei keinem einzigen die Ampel auf "Grün", was einen guten Erhaltungszustand bedeutet.