Verantwortung verankern – Kompetenzen und Expertise aller nutzen
„Gemeinsam stark“, lautete die Antwort von Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), auf die Frage nach der Zukunft der Hilfsmittelbranche. Der BIV-OT-Präsident erläuterte, in welchen Bereichen nur gemeinsames Handeln zur Stabilisierung des von Krisen gerüttelten einstmals „besten Gesundheitswesens der Welt“ führen könnte. Er erinnerte an die selbstgesetzten Ziele der Ampelkoalition, das Gesundheitswesen krisen- und zukunftsfest zu machen. „Wenn die Politik ein stabiles System will, dann muss sie im Wettbewerb zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern das Prinzip der Verantwortung für das System fest verankern“, so der BIV-OT-Präsident. „Solange jeder einzelne Leistungserbringer mit jeder einzelnen Krankenkasse jede einzelne Produktgruppe verhandeln kann, wird es immer mehr Bürokratie, Rosinenpickerei und Intransparenz geben.“ Stabilität sei nur mit Leitverträgen zu haben, die den Marktzugang für alle Betriebe und damit für alle GKV-Versic herten die wohnortnahe, qualitätsgesicherte Versorgung sichern.
Gemeinsam stark gelte auch für die Patientenversorgung, denn ein Intensivbett sichere noch nicht die Versorgung eines Intensivpatienten; eine Prothese stelle sich nicht von allein her; eine Wundauflage mache noch keine Wundversorgung aus. „Auch die führende Innovations- und Exportkraft des deutschen Gesundheitswesens wird nur durch die Kombination von qualifizierten Fachkräften in einem robusten Mittelstand mit den weltweit führenden Herstellern von Medizinprodukten mit Produktionsstätten in Deutschland gesichert“, erklärte Alf Reuter. Woher die qualifizierten Fachkräfte nehmen? Indem die Politik dringend den Fokus von Akademisierung versus duale Ausbildung verschiebe. „Solange die Regierung bei Gesundheitsberufen nur an ‚Akademisierung‘ denkt, werden die Kompetenzen von Pflegern, Orthopädietechnikern etc. nie wirklich genutzt werden können“, so der BIV-OT-Präsident.
Digitalisierung, Forschungsförderung und Entbürokratisierung: konsequent handeln
Auf dem so wichtigen Feld der Digitalisierung müsse konsequent die Expertise des Fachs einbezogen, Pilotprojekte vorangetrieben und die gematik als Gesundheitsagentur gestärkt werden, um „Rohrkrepierer“ wie das eRezept und die elektronische Patientenakte (ePA) zu vermeiden, sagte der Verbandspräsident. „Innovationen entstehen durch Förderung und Forschung.“ Deshalb müssten ebenso konsequent die Versorgungsforschung gefördert, Studiendesigns an die Besonderheiten der Hilfsmittelversorgung angepasst und die Evidenz entsprechend definiert werden. Nur so könne auch Deutschland Nr. 1 bei der Herstellung von Hilfsmitteln „made in germany“ bleiben. Die Industrie brauche dringend bessere und schnellere Wege, um ihre Innovationen in die Versorgung zu bringen.
Konsequentes Handeln forderte Alf Reuter auch beim Dauerbrennerthema Entbürokratisierung. „Wer weniger ausgeben, aber die Leistungen nicht kürzen will, der muss effizienter werden und Entbürokratisieren!“, mahnte er. Im einzeln bedeute das eine Vereinheitlichung von Mehrwertsteuern, Rahmenverträgen, Standards bei Präqualifizierungen und der Deutsche Akkreditierungsstelle (DakkS) sowie der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV), bei der Fortbildung sowie keine Leistungskürzung durch Rückkehr zur Ausschreibung.
Aus all diesen Einzelpunkten zur Zukunftssicherung der Hilfsmittelversorgung in Deutschland ergebe sich für ihn das Fazit, eine kompetente und laute Stimme in Berlin zu etablieren. Daher habe der BIV-OT gemeinsam mit den maßgeblichen Spitzenverba?nden und Zusammenschlüssen von Hilfsmittelleistungserbringern Egroh, Reha-Service-Ring, Rehavital und Sanitätshaus Aktuell im letzten Jahr das politische Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ gegründet.
Wie die Zukunft der Hilfsmittelversorgung national und international ausgestaltet werden kann, vertiefen Experten aus aller Welt auf der bevorstehenden OTWorld vom 10. bis 13. Mai in Leipzig.