Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe zudem gezeigt: "Langfristig lässt sich der Hunger nur mit einer regional angepassten Landwirtschaft und der sorgsamen Nutzung der knappen Ressourcen wirksam bekämpfen. Beides muss im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen zur Sicherung der Welternährung stehen", sagte Aigner. Dabei habe der Rio+20-Gipfel den Weg einer nachhaltigen "Green Economy" schon vorgezeichnet. "Nicht jedes Mittel führt jedoch an dieses Ziel. Wir müssen alle Potenziale darauf ausrichten, das jeweils beste Agrarmodell zu finden, das in den einzelnen Regionen traditionelle Arbeitsweisen mit innovativen Methoden verbindet. Hierin bin ich mit José Graziano völlig einer Meinung", sagte Aigner.
Dr. José Graziano da Silva hat am 1. Januar 2012 die Führung der FAO von seinem Vorgänger Jaques Diouf übernommen. In seiner Heimat hatte sich der brasilianische Agrarökonom bereits als "Minister für soziale Entwicklung und Kampf gegen den Hunger" verdient gemacht. Mit Hilfe von regional angepassten Hilfsmaßnahmen war es ihm gelungen, die Zahl der in Armut lebenden Bürger deutlich zu senken. Graziano betonte bei dem Treffen mit Aigner in Berlin: "Um den Hunger zu beseitigen, müssen wir unserer Soforthilfe eine langfristige entwicklungspolitische Dimension verleihen und nachhaltigere Ansätze in der Produktion und im Verbrauch von Nahrungsmitteln verfolgen. Dies erfordert gemeinsame Anstrengungen der Industrie- und Entwicklungsländer, der Regierungen, Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft. Ich begrüße das kontinuierliche deutsche Engagement in dieser Hinsicht."
Etwa neun Milliarden Menschen werden bis Mitte dieses Jahrhunderts die Welt bevölkern. Die Nachfrage nach Lebensmitteln wird vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern massiv steigen. Die natürlichen Ressourcen dagegen werden knapper: Anbauflächen sind begrenzt, der fortschreitende Klimawandel macht gerade in den ärmsten Regionen der Welt immer mehr Land unfruchtbar. Wasser ist bereits heute in vielen Ländern nicht in ausreichender Menge und Qualität vorhanden. "Wir brauchen vor allem in den Entwicklungsländern eine nachhaltige Steigerung der Produktion und wir müssen Verluste deutlich reduzieren", sagte Aigner. Das betrifft sowohl Ernteverluste als auch Flächen, die häufig durch Versiegelung, Erosion, Versalzung, Verschmutzung, Kontamination oder Übernutzung unbrauchbar werden. "Wir können es uns nicht mehr leisten, dass ein großer Teil der Ernte bei der Lagerung oder dem Transport verloren geht", so Aigner. Hier sind Investitionen in die Infrastruktur und in die Verarbeitungs- und Lieferkette erforderlich sowie Wissensvermittlung an die Menschen vor Ort. Aber auch in den Industrieländern muss sich das Bewusstsein für Lebensmittel ändern. "Jeder einzelne Verbraucher hat eine hohe Verantwortung beim Umgang mit Lebensmitteln. Denn die Lebensmittelverschwendung erhöht den Druck auf die Ressourcen wie Energie, Boden oder Wasser zusätzlich."