Nach einem Treffen mit den Forschergruppen der Universität Leipzig und Dresden und Besichtigung des Labors in der Klinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig sagte Schmidt: "Wir sind jetzt soweit sagen zu können: Ja, es funktioniert und es gibt Alternativen, das Töten von Küken zu beenden. Jetzt geht es darum, mit aller Kraft die Praxisreife voranzutreiben. Bis Ende 2016 wollen wir einen Proto-Typen für ein Gerät haben, das das Geschlecht im nur drei Tage bebrüteten Ei bestimmt und die Eier entsprechend automatisch sortiert. Wenn ein solches Gerät auf dem Markt erhältlich ist, gibt es für die Brütereien keine Rechtfertigung mehr, männliche Küken auszubrüten und zu töten. Hier setze ich auf eine intensive Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam in den nächsten eineinhalb Jahren eine Technologie entwickelt haben, die dann flächendeckend vermarktet werden kann und mit der das Kükentöten zur Vergangenheit gehören wird."
Die Forschung zur Beendigung des Kükentötens ist ein zentraler Bestandteil der BMEL-Tierwohlinitiative "Eine Frage der Haltung - Neue Wege für mehr Tierwohl". Das BMEL hat insgesamt bereits über zwei Millionen Euro in die Entwicklung dieser Forschung investiert. Als sich abgezeichnet hat, dass das Forschungsprojekt Erfolgsaussichten hat, hat Bundesminister Schmidt mit zusätzlichen Finanzmitteln den Forschungserfolg nochmal beschleunigt. "Auch bei der praktischen Umsetzung werde ich nicht locker lassen.", kündigte Schmidt an. "Es ist sowohl aus tierschutz- als auch aus ethischer Sicht unerträglich, dass jedes Jahr rund 45 Millionen männliche Küken getötet werden, nur weil sie das falsche Geschlecht haben. Um dies schnellstmöglich zu beenden, setzen wir auf die Erfolge der Forschung zur Entwicklung praktikabler Alternativen", so der Minister. Ein Verbot ohne Alternative würde die Kükentötung lediglich ins Ausland verlagern. Damit werde den Tieren nicht geholfen. Schmidt: "Ich will, dass wir in Europa Vorreiter für mehr Tierschutz in der Eierproduktion werden. Wie man heute sehen konnte, sind wir hier auf einem guten und zielstrebigen Weg.
Mein Ziel ist, dass das Kükenschreddern 2017 aufhört - aber nochmal: Da muss die Wirtschaft mithelfen."
In Ovo-Geschlechtsbestimmung
Das Verbundforschungsprojekt zur spektroskopischen Geschlechtsbestimmung im Hühnerei an den Universitäten Leipzig und Dresden ist inzwischen weit fortgeschritten. "Ziel des Projektes war es, Alternativen zum Töten von männlichen Küken von Legelinien zu erforschen, damit der Schlupf und damit das Töten männlicher Küken von vornherein verhindert wird. Die vielleicht schwierigste Etappe, eine geeignete Methode zu finden, haben wir jetzt erreicht", sagt Koordinatorin Prof. Dr. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, die erst kürzlich für ihr Engagement im Bereich des Tierschutzes mit dem Felix-Wankel-Tierschutz-Forschungspreis ausgezeichnet wurde. In der durch das BMEL geförderten Methodenforschung habe sich zum gegenwärtigen Stand die Geschlechtsbestimmung ("In Ovo-Geschlechtsbestimmung") mittels Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie (NIR) am vielversprechendsten herauskristallisiert. "Zudem bieten spektroskopische Methoden den Vorteil, befruchtete, circa 72 Stunden bebrütete Hühnereier testen zu können", so Krautwald-Junghanns.
Im nächsten Schritt soll nunmehr das NIR-Verfahren durch die Entwicklung eines voll automatischen Geräte-Prototyps für den breiten Einsatz optimiert werden. Parallel zu der Entwicklung des Geräteprototypen laufen schon jetzt Praxisversuche mit der Methode, die sicherstellen sollen, dass aus den "weiblich" bestimmten Eiern dann Küken schlüpfen, die als Legehennen genauso leistungsfähig sind wie nicht geschlechtsbestimmte. Sobald eine Automatisierung der Geschlechtsbestimmung im Hühnerei erreicht ist, müssen dann die Unternehmen in die serienmäßige Entwicklung der Geräte investieren und diese sukzessive einsetzen.
Hintergrund: Geschlechtsbestimmung schon drei Tage nach der Bebrütung
Zurzeit werden in Deutschland jährlich etwa 45 Millionen Küken unmittelbar nach dem Schlupf manuell aussortiert und getötet, weil für männliche Küken aus Legehennen-Linien kaum ökonomisch tragfähige Verwendungsmöglichkeiten existieren. Zielsetzung des vom BMEL geförderten Forschungsvorhabens war und ist es, Analysemethoden zu entwickeln, die beim Haushuhn bereits vor dem Schlupf des Kükens eine sichere Geschlechtsbestimmung erlauben und zu einem Zeitpunkt einsetzbar sind, bei dem noch kein Schmerzempfindungsvermögen des Hühnerembryos anzunehmen ist. Dabei muss eine praxistaugliche Methode schnell, möglichst kostengünstig und präzise sein. Zudem sollte sie nicht zu einer maßgeblichen Verringerung der Schlupfrate oder einer Beeinträchtigung der Tiergesundheit oder von Leistungsparametern der geschlüpften weiblichen Küken führen.
Die spektroskopische Geschlechtsbestimmung macht sich dabei die unterschiedliche Größe der Geschlechtschromosomen von männlichen und weiblichen Hühnern zunutze. Bereits nach dreitägiger Bebrütung entwickeln sich kleine Blutgefäße, die sich für eine Geschlechtsdiagnose nutzen lassen. Eingesetzt wird die Ramanspektroskopie (im nahinfraroten Wellenlängenbereich), deren großer Vorteil unter anderem die kontaktlose Untersuchung ist. Dadurch entfällt auch die Reinigung und Desinfektion bzw. der Ersatz von Geräten oder Geräteteilen nach jeder Messung, so dass nur geringe laufende Verbrauchskosten entstehen.
Eine Geschlechtsbestimmung dauert gegenwärtig etwa 15 bis 20 Sekunden pro Ei. Technische und datenanalytische Verbesserungen lassen aber in Zukunft Analysezeiten von deutlich unter 10 Sekunden realistisch erscheinen. Aus Sicht der Geflügelwirtschaft können als weitere Vorteile neben der Geschlechtertrennung zusätzlich unbefruchtete bzw. nicht entwicklungsfähige Bruteier aussortiert werden. Diese dienen als wertvoller Rohstoff für verschiedene industrielle Anwendungen, wie etwa in der Futtermittelherstellung oder der chemischen Industrie.