Aigner appellierte an die Bundesländer, die Kontrollen zu verstärken: "Der Bund sorgt dafür, dass die zuständigen Landesbehörden ihre Überwachungsaufgaben noch effektiver, noch schneller und noch unbürokratischer erfüllen können. Die Länder sind nun gefordert, diese Möglichkeiten auch auszuschöpfen. Das Ziel, den Einsatz von Antibiotika deutlich zu reduzieren, ist nur erreichbar, wenn alle an einem Strang ziehen."
Der Gesetzentwurf, der jetzt zur Anhörung an Länder und Verbände versandt wird, sieht insbesondere folgende Maßnahmen vor:
- Die Überwachungsbehörden der Bundesländer werden einen erweiterten Zugriff auf die erfassten Abgabemengen von Antibiotika zu Monitoringzwecken erhalten, der auch eine verbesserte Überwachungsplanung ermöglicht.
- Tierärzte werden verpflichtet, auf Ersuchen der Überwachungsbehörden der Bundesländer alle Daten zur Abgabe und Anwendung von Antibiotika zusammengefasst zu übermitteln. Damit wird die Überwachung deutlich erleichtert, Kontrollen werden vereinfacht und beschleunigt.
- Für Antibiotika, die auch in der Humanmedizin besonders bedeutend sind, soll die Möglichkeit zur Umwidmung drastisch eingeschränkt werden. Human-Arzneimittel dürfen demnach künftig nur noch unter besonderen Voraussetzungen außerhalb der Zulassung in der Tiermedizin eingesetzt werden..
- Beim Wechsel eines Wirkstoffes und vor einer eventuell erforderlichen Umwidmung sowie bei der wiederholten Anwendung eines Wirkstoffes wird die Erstellung eines sogenannten "Antibiogramms", also einer Laboruntersuchung über die Wirksamkeit eines Antibiotikums, verpflichtend vorgeschrieben.
- Die mit der Zulassung eines Antibiotikums festgelegten Anwendungsbestimmungen der Packungsbeilage werden für den Tierarzt verbindlich gemacht, eine Abweichung davon wird untersagt.
- Der Informationsaustausch zwischen den Behörden wird deutlich verbessert: Behörden, die Betriebe zum Beispiel im Bereich Tierschutz und Lebensmittelhygiene kontrollieren, werden verpflichtet, Daten und Erkenntnisse, die auf einen Verstoß gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften hindeuten, an die für Tierarzneimittelüberwachung zuständigen Stellen weiterzuleiten.
- Auch außerhalb des Arzneimittelrechts soll die Transparenz über die Antibiotika-Anwendung erhöht werden und einen restriktiveren Einsatz bewirken. So soll künftig die Zeitspanne, für die der Arzneimittel-Einsatz vor der Schlachtung bestimmter Schlachttiere und Verarbeitung eines Tieres zu dokumentieren und zu übermitteln ist, deutlich ausgeweitet werden. Geregelt werden kann dies im Rahmen der Lebensmittel-Hygienevorschriften. Damit haben die verarbeitenden Betriebe künftig noch genauere Informationen über den Gesundheitsstatus der Tiere.
Übersicht über weitere geplante Maßnahmen des BMELV:
Die Transparenz wird deutlich erhöht: Mitte 2012 werden erstmals genaue Daten über die in Deutschland in den Verkehr gebrachten Tierarzneimittel-Mengen veröffentlicht. Anhand dieser Zahlen wird erkennbar werden, in welchen Postleitzahlbereichen besonders intensiv Tierantibiotika an Tierärzte geliefert werden. Zudem wird anhand der neuen Zahlen in Verbindung mit den regelmäßig erfassten Resistenzen bei Zoonose-Erregern und kommensalen Bakterien analysiert werden können, welche Zusammenhänge zwischen dem mengenmäßigen Einsatz von Antibiotika und erkennbaren Hinweisen auf die Antibiotika-Resistenzentwicklung bestehen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium prüft überdies die Vor- und Nachteile einer möglichen Einschränkung des Dispensierrechts. Dies soll im Rahmen der kommenden Anhörung mit den Ländern und Verbänden diskutiert werden. Beim Dispensierrecht handelt sich um die Berechtigung des Tierarztes, für die von ihm behandelten Tiere Arzneimittel herzustellen, vom Handel oder vom Hersteller zu beziehen und direkt an den Tierhalter abzugeben. Das geltende Dispensierrecht geht zurück auf eine in den 50-er Jahren für die Tierärzte geschaffene Ausnahme vom Apothekenmonopol.
Mit einem neuen Forschungsvorhaben wird zudem die Entwicklung von Indikatoren abgeschlossen, über die der Erfolg gesetzgeberischer Maßnahmen messbar gemacht wird. Denn allein der Mengenverbrauch von Antibiotika ist als Indikator zur Steuerung einer Minimierungsstrategie zu schwach. Gerade bei den für die Therapie von Menschen bedeutenden Antibiotika ist der sachgerechte und zielgerichtete Einsatz bei Tieren von zentraler Bedeutung.
Neben dem aktuellen Maßnahmenpaket, das auf die Verhinderung von Antibiotika-Resistenzen ausgerichtet ist und sich in die bestehende Antibiotika-Resistenz-Strategie (DART) einfügt, wird Bundesministerin Aigner bei der Präsentation der "Charta für Landwirtschaft und Verbraucher" auf der "Grünen Woche" in Berlin weitere Aktivitäten mit Fokus auf die Verbesserung der Tierhaltung und der Tiergesundheit vorstellen. Hierzu zählen beispielsweise eine Forschungsoffensive zu Tierhaltung und Tiergesundheit, die verbesserte Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen den Haltungsbedingungen und dem Tiergesundheitsstatus in der Nutztierhaltung bringen soll sowie eine Initiative, mit der die Investitionsförderung im Rahmen der "Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) auf besonders tiergerechte Haltungsformen konzentriert werden soll (inkl. Erhöhung der Fördersätze).
HINTERGRUND
Antibiotika sind das wichtigste Instrument zur Behandlung von Infektionskrankheiten. Jedoch nehmen auch in Deutschland Fälle von Antibiotika-Resistenzen zu. Dadurch können Medikamente bei erkrankten Menschen oder erkrankten Tieren ihre Wirkung verlieren. Da jeder Einsatz von Antibiotika letztlich die Resistenz fördern kann, muss sichergestellt sein, dass Antibiotika gerade bei Tieren, von denen Lebensmittel gewonnen werden, nur dann eingesetzt werden, wenn sie unbedingt erforderlich sind. Es gibt bereits klare Vorschriften, die den Einsatz von Antibiotika regeln: Nach dem Arzneimittelgesetz dürfen Antibiotika nur zur Behandlung von kranken Tieren eingesetzt werden, keinesfalls zur Wachstumsförderung. Auch dürfen Antibiotika nicht zur Überdeckung von Krankheiten, die durch Haltungsmängel hervorgerufen werden, verabreicht werden. Verstöße gegen diese Vorschriften sind strafbar. Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften ist grundsätzlich Aufgabe der Länderbehörden. Die Länder sind dafür zuständig, Tierarztpraxen und Tierhaltungsbetriebe risikoorientiert zu kontrollieren.
Das BMELV tritt seit Jahren dafür ein, dass beim Einsatz von Antibiotika ein strenger fachlicher Maßstab zugrunde gelegt wird. Antibiotika dürfen bei Tieren nur dann eingesetzt werden, wenn dies aus therapeutischen Gründen geboten ist. Daher ist bereits vor zehn Jahren im Arzneimittelgesetz (AMG) eine Beschränkung der Abgabe von systemisch wirksamen Antibiotika (11. AMG-Novelle) und eine Bindung von deren Anwendung an eine vorherige tierärztliche Untersuchung verankert worden.
2008 wurde die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie "DART" ins Leben gerufen. Zentrales Ziel der gemeinsamen Strategie des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist die Reduzierung und Verminderung der Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen in Deutschland. Hauptprogrammpunkte der DART sind: Erfassung der Antibiotikamengen in der Veterinärmedizin, permanente Überwachung der Entwicklung der Antibiotika-Resistenzsituation, verbesserte Information von Tierärzten, Landwirten und Verbrauchern, Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes bei Verbesserung der Prophylaxe und Hygiene zur Verhinderung von Infektionskrankheiten, eine Antibiotika-Resistenzsituation, die auch in der Zukunft den Erhalt der Wirksamkeit von Antibiotika ermöglicht.