Kirchhoff äußerte sich skeptisch gegenüber dem Vorhaben, die Erbschaftsteuerschuld auf 30 Prozent zu reduzieren und 70 Prozent zu erlassen: "In Verbindung mit der Höherbewertung von Betriebsvermögen und der Doppelbelastung sind umfassende Verschonungsregelungen erforderlich. Nicht 70/30 muss die Formel lauten, sondern 100 Prozent." Dr. Rudolf Pauli, Partner bei der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Deloitte, unterstrich die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine Reform: "Auf der Bewertungsebene müssen alle Vermögensarten künftig gleich behandelt werden. Die Möglichkeit, Betriebsvermögen über Verschonungsregelungen von der Erbschaftsteuer zu entlasten, lässt Karlsruhe aber ausdrücklich zu."
Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag die vollständige Befreiung von der Erbschaftsteuer zugesichert, wenn der Betrieb von Familienunternehmen über mindestens zehn Jahre fortgesetzt wird. Auf dem vom BDI in Kooperation mit der vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Deloitte ausgerichteten Erbschaftsteuerkongress diskutierten die Veranstalter die Konsequenzen der Erbschaftsteuerreform mit Vertreten aus Politik, Wissenschaft sowie über 200 Mittelständlern. Die Kernforderungen der Wirtschaft an die Reform und Grundaussagen der Wirtschaft hatte der BDI gemeinsam mit vbw und Deloitte in den letzten Wochen in einer sechsteiligen Schriftenreihe skizziert:
- Eine Reform der Erbschaftsteuer darf die Belastungswirkung bei Familienunternehmen nicht erhöhen.
- Die Neubewertung von Betriebsvermögen führt zu massiven Wertsteigerungen beim Betriebsvermögen. Deshalb müssen die Verschonungsregelungen so angepasst werden, dass Familienunternehmen entlastet werden.
- Der Finanzausgleich sorgt dafür, dass die Länder mit dem höchsten Aufkommen Einnahmen verlieren und die mit dem geringsten profitieren. Ein denkbarerer Steuerwettbewerb der Länder würde jedoch die Bürokratielasten bei Unternehmen drastisch erhöhen.
- Das Problem der Doppelbelastung wird von der Politik bisher nicht wahrgenommen. Dabei wird die doppelte Belastung mit Erbschaftsteuer und Ertragsteuern von einem Sonderfall zu dem generellen Problem des neuen erbschaftsteuerlichen Bewertungsrechts.
- Der internationale Vergleich zeigt: Alle Industriestaaten, die noch Erbschaftsteuern erheben, kennen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen und Immobilienvermögen. Wenn das bisherige Bewertungsrecht nicht mehr genutzt werden kann, müssen entsprechende Verschonungsregelungen im Erbschaftsteuerrecht verankert werden.