Kostenlose Übersetzungsprogramme im Internet sind beliebt und werden angeblich immer besser. Wird die maschinelle Übersetzung damit zur Gefahr für professionelle Übersetzer? Das fragte sich der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ), Deutschlands größter Branchenverband, und untersuchte stellvertretend "Google Translate" in mehreren Sprachen und mit verschiedenen Textsorten. Das Ergebnis war durchaus überraschend. Auf den ersten Blick sahen die maschinellen Übersetzungen gut aus: Das System übernahm die Absatzstruktur vom Ausgangstext, und es gab nur wenige Schreibfehler. "Im Bereich der Rechtschreibung schnitt das System mit Schulnote 1-2 ab", so BDÜ-Präsident André Lindemann. Doch für die inhaltliche Korrektheit gab es schlechte Noten. "Das Lesen der Texte war zum Teil mühsam, und kaum ein Satz war fehlerfrei. Manche Passagen waren schlicht unverständlich." Google Translate erhielt vom Verband für die inhaltliche Korrektheit seiner Übersetzungen die Schulnote 4-5, also ausreichend bis mangelhaft.
Für Uwe Reinke, Professor für Sprach- und Übersetzungstechnologie an der Fachhochschule Köln, ist das Ergebnis nicht überraschend: "Systeme wie Google Translate tun sich bei der Übersetzung ins Deutsche immer schwer mit komplexem Satzbau." Auch wenn ein schnelles und kostenloses Übersetzungsprogramm wie Google Translate nützlich ist, gibt er zu bedenken: "Auch schnelle Übersetzungen sollten einen "Verstehfaktor" haben. Das heißt, es sollte darum gehen, die wichtigsten Informationen aus einem Text herauszubekommen. Das gelingt häufig nicht."
Umso bemerkenswerter ist es, wie massiv Google Translate genutzt wird. Google Translate hat nach eigenen Angaben vom Mai 2012 jeden Monat 200 Millionen Nutzer, und täglich wird eine Textmenge von Google Translate übersetzt, die etwa einer Million Bücher entspricht. BDÜ-Präsident Lindemann: "Für private Zwecke kann eine Übersetzung durch Google Translate nützlich sein und der ersten Orientierung dienen. Wir empfehlen aber, Google Translate nur für die Übersetzung in eine Sprache zu verwenden, die man selbst beherrscht. Sonst kann man Fehler nicht erkennen." Vor einer geschäftlichen Nutzung von Google Translate rät der Verband ab. Lindemann: "Keine Maschine und somit auch nicht Google Translate übersetzt bisher auch nur annähernd fehlerfrei. Dafür ist die menschliche Sprache zu komplex. Für professionelle Übersetzer ist die maschinelle Übersetzung aus dem Internet keine Konkurrenz.
""Zerfetztes Fleisch" und "geschredderte Bambussprossen"
Für seine Untersuchung ließ der Verband vier qualifizierte Übersetzer für die Sprachen Chinesisch, Englisch, Polnisch und Spanisch verschiedene Textsorten in der Fremdsprache frei auswählen und von Google Translate ins Deutsche übersetzen. Die Übersetzung wurde anschließend anhand einheitlicher Kriterien bewertet. Übersetzt wurden jeweils ein Zeitungsartikel, eine Speisekarte oder ein Kochrezept, eine Bedienungsanleitung eines Elektrogeräts, Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eines Online-Shops sowie eine geschäftliche EMail.
Lindemann: "Interessanterweise schnitten die Übersetzungen von Speisekarten und Kochrezepten noch mit am besten ab, wahrscheinlich, weil nur einzelne Wörter und kurze Sätze zu übersetzen waren." Dabei kennt jeder die ulkigen Übersetzungen von Speisekarten aus dem Urlaub, die wahrscheinlich auf maschinelle Übersetzungen zurückgehen. Auch bei der BDÜ-Untersuchung gab es Grund zum Schmunzeln. Im chinesischen Kochrezept war beispielsweise die Rede von "Schweinelende in Fetzen geschnitten", "Brennende Wok" und "Gegossen in die geschredderten Bambussprossen ...".
Ganz eindeutig schlecht waren die Ergebnisse der Übersetzungen von Bedienungsanleitungen, AGB oder Zeitungsartikeln, die mit einer Gesamtnote 5 abschnitten. Die Übersetzungen von geschäftlichen E-Mails, die in der Untersuchung immerhin die Gesamtnote 3-4 erhielten, hatten ganz eigene Haken: Das System übersetzte zum Beispiel die Uhrzeit für eine Verabredung nicht korrekt aus dem Englischen: Aus "8 p.m." im Ausgangstext wurde in der deutschen Übersetzung 8.00 Uhr - dabei wäre dies korrekt mit 20.00 Uhr zu übersetzen. Lindemann: "Man kann bei Google Translate nie sicher sein, ob man der Übersetzung auch vertrauen kann. Dazu gibt es zu oft Fehler."
Nicht näher untersuchen konnte der Verband die Frage, was Google eigentlich mit all den Texten und Daten macht, die für eine Übersetzung eingegeben werden. Und wo die Daten hingehen. Darüber sind keine näheren Informationen zu finden, und auch die Datenschützer haben Google Translate nach Recherchen des Verbandes bisher nicht auf dem Schirm. Das liegt daran, dass man für die Nutzung von Google Translate weder seinen Namen noch eine Mailadresse angeben muss. Nichtsdestotrotz geben viele Menschen komplette E-Mails mitsamt Kontaktdaten oder auch Verträge in das System ein. Lindemann: "In der unkritischen Nutzung von Google Translate sehen wir durchaus ein Problem. Sensible Dokumente oder auch vertrauliche E-Mails sollte man auf keinen Fall von Google Translate übersetzen lassen."
Tipp: Ende September ließ der BDÜ den Finanzübersetzer Ralf Lemster in einem Live-Experiment gegen Google Translate antreten. Die Ergebnisse der Übersetzungen bewerteten Professor Uwe Reinke und BDÜ-Präsident André Lindemann. Der Videobeitrag über das "Duell" von Mensch gegen Maschine ist auf Youtube zu finden: http://www.youtube.com/watch?v=3oc6-hH9IAw .