Vorurteil Nr. 1: Orphan Drugs nutzen nichts.
Fakt ist: „Für beispielsweise ein Medikament gegen die seltene Stoffwechselkrank-heit Morbus Hunter, an der nur einer von 162.000 männlichen Neugeborenen er-krankt, standen für die klinischen Studien naturgemäß weniger Patienten zur Verfü-gung als für eine Volkskrankheit wie Diabetes", so Norbert Gerbsch. „Den Nutzen der von einem BPI-Unternehmen entwickelten Enzymersatztherapie stellt deshalb aber niemand in Frage." Mit der Zulassung wird für alle Orphans behördlich bestä-tigt, dass das Arzneimittel ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis und darüber hinaus auch einen Zusatznutzen hat. Und sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einmal einen so genannten „nicht quantifizierbaren Zusatznutzen" feststellen, heißt das lediglich: Es gibt einen Zusatznutzen, auch wenn sich aufgrund der wis-senschaftliche Datenbasis (noch) nicht abschätzen lässt, wie groß er ist.
Vorurteil Nr. 2: Orphan Drugs sind gefährlich.
Fakt ist: Orphan Drugs werden wie alle anderen Medikamente vor ihrer Zulassung auf ihre Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität geprüft. Seit-dem die Rahmenbedingungen im Jahr 2000 für die Entwicklung entscheidend ver-bessert wurden, sind 141 Orphan Drugs erfolgreich durch diese Zulassungsprüfung gegangen; im vergangenen Jahr waren es allein 15 Medikamente. Gerbsch: „Davon stammen übrigens vier Präparate von einem der zahlreichen BPI-Mitglieder, die sich für Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel engagieren."
Vorurteil Nr. 3: Die Pharmaindustrie erfindet seltene Krankheiten.
Fakt ist: Für ein Medikament, das in einer Untergruppe einer häufigen Erkrankung angewandt werden soll, wird die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) keinen Orphan Status vergeben. Dieses so genannte "Slicing" ist ausdrücklich verboten, hierauf achtet die EMA sehr genau. Ein aktueller Bericht der EU-Kommission bestä-tigt jedoch, dass angesichts der rund 8.000 seltenen Erkrankungen mit Orphan Drugs erst ein Prozent dieser Leiden medikamentös behandelbar ist. Es gibt also nicht zu viele Orphan Drugs, sondern weiterhin viel zu wenige. „Die Versorgung der allein vier Millionen in Deutschland lebenden Betroffenen ist trotz aller Investitionsbe-reitschaft seitens der Pharmaindustrie noch immer defizitär", so Norbert Gerbsch.
Vorurteil Nr. 4: Orphan Drugs machen Riesenumsatz.
Fakt ist: Die Medikamente werden für sehr kleine Patientengruppen mit seltenen Erkrankungen, von denen nicht mehr als fünf von 10.000 EU-Bürgern betroffen sind, entwickelt und auf den Markt gebracht. Andernfalls gibt es gar keinen Orphan Drug-Status von der EMA. Gerbsch: „Überhaupt nur eine einstellige Zahl von Orphan Drugs hat den Firmen, die sie entwickelt haben, seit ihrer Markteinführung mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz in Deutschland eingebracht. Die meisten anderen sind wirtschaftlich betrachtet Nischenpräparate mit geringem Umsatz."
Vorurteil Nr. 5: Orphan Drugs belasten das Krankenkassensystem.
Fakt ist: „BPI-Mitgliedsunternehmen, die im Bereich seltener Erkrankungen for-schen und entwickeln, investieren über einen mitunter 15 Jahre langen Zeitraum Millionenbeträge bis zur Marktreife neuer Arzneimittel", so Gerbsch. Normalerweise können diese Investitionskosten erwirtschaftet werden, wenn das Medikament für eine große Anzahl an Patienten bestimmt ist. Das ist bei Orphan Drugs nicht der Fall. Gerbsch: „Doch auch, wenn diese Medikamente dadurch hochpreisiger sind, der Anteil der Orphan Drugs am Arzneimittelbudget der Gesetzlichen Krankenversi-cherungen liegt laut IMS Health-Studie bei nur 3,5 Prozent."