„Neue Entwicklungen und Lösungen für die Tiergesundheit können sich nur in einem stimulierenden Umfeld entfalten. Signale einer verstärkten Technologieoffenheit, um Herausforderungen zu meistern, werden in unserer innovationsstarken Branche positiv aufgenommen“, hielt Jörg Hannemann, Vorsitzender des Bundesverbandes für Tiergesundheit, bei der Mitgliederversammlung des Verbandes Anfang Mai in Berlin fest. „Bei der Neuausrichtung der gesellschaftspolitischen Wertegefüge müssen Stellenwert und Beitrag der Tiergesundheit, die Krankheitsvorbeuge und das frühzeitige Erkennen und Eingreifen als wichtige Elemente in den Strategien fest verankert werden“, betonte er im Weiteren.
Der Tierarzneimittelsektor ist hinsichtlich verschiedener nationaler und europäischer Vorhaben zum Schutz der Umwelt und des Ökosystems, bspw. unter der Nachhaltigkeitsinitiative, dem Green Deal, aber auch der Chemikalienpolitik, berührt. Neben den großen Themen Innovation, Nachhaltigkeit und Klimaschutz war und ist es die neue Tierarzneimittelgesetzgebung, die die Tiergesundheitsbranche auch nach dem 28.01.2022, dem Anwendungsdatum der Vorgaben, intensiv beschäftigt. Ein eigenständiges nationales Tierarzneimittelrecht wurde etabliert und weitere Nachfolgerechtsakte zur Verordnung (EU) 2019/6 beraten. Erfahrungen und Anwendungsprobleme bei der praktischen Umsetzung in der täglichen Arbeit sind noch zu adressieren.
Verbesserung der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln im harmonisierten europäischen Binnenmarkt waren ein Ziel der Novellierung. Die Umsetzung mancher Vorgaben, so sorgfältig zuvor geprüft und kommentiert, zeigt nun einige unerwünschte Konsequenzen auf, wie bspw. die erforderlichen Anpassungen zur Guten Vertriebspraxis nach neuer Verordnung, die sich als Kostentreiber herauskristallisiert hat. Trotz ausgezeichneter Vorbereitung einer Gruppe von Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, stellt der schleppende Start einer neuen unionsweiten Produktdatenbank Behörden wie Unternehmen
vor umfangreich zu administrierende Herausforderungen und bietet den Tierärzten noch nicht die gewünschte Orientierung über die verfügbaren Produkte im Binnenmarkt. Strikte Vorgaben zur Anwendung schränken den notwendigen, fachlich begründeten Handlungsspielraum bei der Versorgung der Tierärzte unerwartet ein.
Einen Innovationsschub erwartet die Tiergesundheitsbranche von der Digitalisierung. Um die darin liegenden Chancen nutzen zu können, sind aber auch Fragen der vernetzen Datennutzung und der Standards beim digitalen Monitoring der Tiergesundheit noch auszugestalten.
Die neue europäische Tierarzneimittelgesetzgebung und damit verbunden das nunmehr eigenständige deutsche Tierarzneimittelgesetz bilden künftig wichtige Bausteine des regulativen Rahmens. Interferenzen durch fachfremde Gesetzgebung, insbesondere des Chemikalien- und Umweltrechts, müssen validiert und wenn unangemessen, zurückgewiesen werden. Großes Augenmerk muss weiterhin darauf liegen, einen verlässlichen und innovationsfreundlichen Rahmen zu schaffen, damit sich das Potential zum Wohl der Tiere voll entfalten kann.
Vor dem Hintergrund der neuen Gesetzgebung verabschiedeten die Mitgliedsunternehmen auch aktualisierte Fassungen von Verbandssatzung und Verhaltenskodex.
Aktuellen Kennzahlen des Tierarzneimittelmarktes
Die Corona-Pandemie und der Angriff auf die Ukraine führten dazu, dass die Versorgungssicherheit in der Bevölkerung wieder an Bedeutung gewonnen hat. Dennoch ist der Agrarsektor geprägt von einer Unsicherheit, der mit Planungssicherheit und verlässlichen Rahmenbedingungen begegnet werden sollte. Demgegenüber setzte sich der Trend eines intensiven Umgangs mit der während der Pandemie gestiegenen Zahl von Klein- und Heimtieren fort, führte Frau Dr. Schüller, Geschäftsführung des Bundesverbandes für Tiergesundheit, aus.
Der Tierarzneimittelmarkt in Deutschland wuchs im Jahr 2021 um 3,2% gegenüber dem Vorjahr auf erstmals 900 Mio Euro (Schätzung auf den Gesamtmarkt für Deutschland). Der Anteil des Kleintiersegmentes macht 61% und der des Nutztiersegmentes 39% aus. Wie in den Jahren zuvor zeigte sich das Hobbytiersegment wesentlich dynamischer.
Hinsichtlich der enttäuschenden Gesamtentwicklung des Impfstoffsegmentes (229,0 Mio Euro, -1,6%) schlägt sich die schwierige Lage in der Nutztierhaltung, insbesondere der Schweineproduktion, nieder. Im Geflügelsegment zeichnen sich u.a. die Auswirkungen der Geflügelpestzüge der beiden vergangenen Winter ab. Die kontinuierlichen Maßnahmen zur Krankheitsvorbeuge und die umfassendere Fürsorge bei Kleintieren sowie vermehrte Impfaktivitäten im Pferdesegment trugen positiv zur Entwicklung des Impfstoffsegmentes bei.
Auch bei der positiven Umsatzentwicklung im Antiparasitika-Segment (163.5 Mio Euro, +5,4%) und im Segment der Spezialitäten (365,5 Mio Euro, +9,06%) spielte die intensive Umsorgung der während der Pandemie gestiegenen Zahl von Klein- und Heimtieren eine Rolle. Im Segment der Spezialitäten schlagen sich außerdem neue Behandlungsoptionen mit monoklonalen Antikörpern in der Schmerztherapie sowie die Produkte zur Behandlung der Haut und die Versorgung des älteren Patienten mit Erkrankungen des Stoffwechsels und des Gelenkapparates nieder.
Das Antiinfektiva-Segment (142,7 Mio Euro, -4,7%) fiel auf das Niveau von 2019 zurück, nachdem im Jahr 2020 eine verstärkte Bevorratung durch den Tierarzt in der unsicheren Lage der Pandemie sowie in gewissem Rahmen die Entwicklung der Rohstoffpreise zu einem Umsatzanstieg führten. Effekte ergaben sich durch die sinkenden Nutztierzahlen und auch durch Zutritt von Generika bei bestimmten Wirkstoffen. Die Entwicklung der Rohstoffpreise ist wie im Vorjahr zu berücksichtigen
Erneut zeigt sich, dass das Hobbytiersegment wesentlich dynamischer und mit nunmehr über 60% des Marktes von besonderer Relevanz für die Tiergesundheitsbranche ist.