Schwierige Rahmenbedingungen
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die drastisch gestiegene Inflation sowie die steigenden Kosten bei Energie, Mobilität und Alltagsversorgung haben dazu geführt, dass die Verbraucher*innen beim Lebensmitteleinkauf deutlich preissensibler geworden sind. Hinzu kommt, dass die Verbraucher*innen nach dem Wegfall der meisten Corona-Maßnahmen wieder häufiger außerhalb der eigenen Wohnung etwa in Kantinen, Restaurants oder auf Urlaubsreisen konsumieren, wo sie oft keine Bio-Option bei Lebensmitteln haben. Die Vorjahre 2021 (4,21 Milliarden Euro) und 2020 (4,37 Milliarden Euro) sind coronabedingte Ausnahmejahre, in denen die Umsätze im Biofachhandel aufgrund von Lockdowns sowie Einschränkungen in Gastronomie und Tourismus um bis zu 16 Prozent über dem Umsatz von 2019 (3,76 Milliarden Euro) gelegen haben.
Kunden bleiben dem Fachhandel dennoch treu
„Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen blieben die Kund*innen dem Naturkostfachhandel 2022 weit überwiegend treu“, kommentiert Kathrin Jäckel, BNN-Geschäftsführerin, die aktuelle Lage. Die Auswertung der Kassiervorgänge zeigt, dass die Anzahl der Bons in 2022 um durchschnittlich acht Prozent und die Bonsummen um durchschnittlich fünf Prozent zurückgingen. Insbesondere die flächenmäßig kleinen Bioläden, also mit einer Ladengröße bis zu 100 qm Fläche, konnten ihre Stammkund*innen weitestgehend halten. Diese kauften jedoch deutlich preisbewusster ein. Bio-Läden und Bio-Supermärkte ab einer Fläche von 100 qm aufwärts haben einen höheren Anteil an Wechselkund*innen, was zu stärkeren Umsatzrückgängen geführt hat.[1]
Bio-Fachhandel: Kleiner Markt mit großer Wirkung
Die Daten zur Kundenbindung unterstreichen die Bedeutung des Bio-Fachhandels für die Transformation der Land- und Ernährungswirtschaft und insbesondere für die Erreichung des 30-Prozent-Bio-Ziels der Bundesregierung: Mit seinen rund 2.200 Verkaufsstellen stellt der Bio-Fachhandel lediglich sechs Prozent aller Lebensmittelverkaufsstellen in Deutschland (konventionelle Verkaufsstellen: rund 34.000).[2] Mit dieser vergleichsweise geringen Zahl erzielt er jedoch auch 2022 stabil knapp vier Milliarden Euro Umsatz mit Bio-Lebensmitteln. Das umfasst immerhin ein Fünftel, also rund 20 Prozent, aller Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland. Damit ist der Bio-Fachhandel ein starker Akteur, der weiterhin wichtige Impulse für eine nachhaltig ökologische Lebensmittelwirtschaft setzt.
Bio-Preise im Fachhandel am stabilsten
Trotz Rekordinflation und enorm gestiegener Kosten für Transport, Personal und Energie sind die Preise im Bio-Fachhandel im Jahr 2022 stabil geblieben, bestätigt eine aktuelle Studie des BÖLW.[3] Dagegen sind die Lebensmittelpreise im konventionellen Handel um bis zu 20 Prozent gestiegen, wodurch sich die Preisunterschiede zwischen konventionell und ökologisch erzeugten Lebensmitteln im Jahr 2022 deutlich verringert haben. Der Bio-Fachhandel stützt sich auf regionale Vertriebswege und langfristige Partnerschaften mit kleinbäuerlichen Familienbetrieben aus dem Ökolandbau, Bio-Herstellung und Bio-Handel. Zudem sorgt die deutlich geringere Abhängigkeit vom Weltmarkt zusätzlich für mehr Preisstabilität.
Bio-Unternehmen systematisch wirtschaftlich benachteiligt – Politik muss endlich handeln
Solange sich die aktuellen Rahmenbedingungen nicht ändern, bleibt der Bio-Fachhandel mit seinem 100-Prozent-Bio-Angebot als zentrales Netzwerk der regionalen Wertschöpfung stark gefordert. Es ist davon auszugehen, dass eine anhaltend hohe Inflation auch 2023 die Umsatzentwicklung im Bio-Fachhandel bremsen wird. Ungünstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Kostensteigerungen bei Logistik, Energie und Personal) setzen die überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen des Bio-Fachhandels zusätzlich unter Druck. Damit Bio in vielfältigen, dezentralen und resilienten Strukturen weiter wachsen kann, braucht es politische Maßnahmen, die die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von gesunden, bezahlbaren und nachhaltigen Bio-Lebensmitteln in ebensolchen Strukturen wirksam fördern.
„Nachhaltigkeit darf auch bei Lebensmitteln kein Nachteil sein. Weder auf Unternehmens- noch auf Verbraucher*innen-Seite. Was wir jetzt brauchen, sind Schritte in Richtung positiver Lenkungsanreize. Die Absenkung der Mehrwertsteuer auf null Prozent für Produkte mit dem Bio-Siegel ist eine erste Stellschraube, mit der die Bundesregierung zum einen mehr gesunden und nachhaltigen Konsum fördern und zum anderen Verbraucher*innen finanziell entlasten kann. Weitere Schritte, wie die Erhöhung des Bio-Anteils in Kantinen des Bundes sowie die längst überfällige Pestizidabgabe sollten folgen. Es ist höchste Zeit, dass genau die Unternehmen gefördert werden, die nachhaltig und umweltschonend Lebensmittel und Alltagsgüter produzieren und die Unternehmen stärker belastet werden, die durch ihre Produktion Umweltschäden auf Kosten der Allgemeinheit verursachen", so Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des BNN.
[1] Vgl.: Klaus Braun, BioHandel-Umsatzbarometer; 20.01.2023
2 Vgl.: Statista: „Anzahl der Verkaufsstellen im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland in den Jahren 2006 bis 2022“; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/216008/umfrage/anzahl-der-verkaufsstellen-im-lebensmitteleinzelhandel-in-deutschland/
2 BÖLW-Studie: „Bio ist preisstabil und wirkt als Inflationsbremse“