Mit dem Aufbau der jungen Bundesrepublik wird im Westen Deutschlands der Versuch unternommen, eine ähnliche Institution zu etablieren, wie sie das Deutsche Hygiene-Museum Dresden vor dem Krieg war. So wird 1949 das Deutsche Gesundheitsmuseum - Zentralinstitut für Gesundheitserziehung e.V. (DGM) in einem Gebäude der Städtischen Krankenanstalten Köln-Merheim gegründet. Es ist der Vorläufer der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.Träger des DGM sind die Stadt Köln, das Land Nordrhein-Westfalen und der Bund. Der Präsident des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, Prof. Georg Seiring, wechselt nach Köln und baut dort das Museum nach Dresdner Vorbild auf.
Die Strategien damaliger gesundheitlicher Aufklärung gehen von der Vorstellung aus, dass Menschen sich gesund verhalten, wenn sie die Funktionen des Körpers und die Krankheitsbilder kennen. Die Wissensvermittlung populärwissenschaftlicher medizinischer Sachverhalte steht in dieser Zeit im Mittelpunkt. So produziert das DGM in der Tradition und Weiterentwicklung der Dresdner Arbeit vornehmlich humanbiologisches Lehr- und Ausstellungsmaterial. Anschauungsmaterialien wie anatomische Präparate gehören in diese Zeit. In dieses Konzept passt auch der „Gläserne Mensch“, der im Rahmen der Wanderausstellung „Ein JA dem Leben“ in vielen deutschen Städten und auch im Ausland gezeigt wird.
In den sechziger Jahren beginnt das Deutsche Gesundheitsmuseum mit einer eigenständigen Filmarbeit. Der Film „Der Tod gibt eine Party“ ist ein eindrucksvolles Beispiel für das damals in der Gesundheitserziehung verbreitete Konzept der Abschreckung. Ebenfalls in diese Zeit gehört der Film „Helga“, der über Zeugung, Geburt und Entwicklung eines Babys berichtet. Millionen Zuschauer in Deutschland gehen in die Kinos, aber auch weltweit wird der Film mit Erfolg eingesetzt. Er leitet eine durchaus kontrovers geführte Debatte um die „sexuelle Revolution“ ein.
20. Juli 1967
Im Oktober 1964 erklärt die Gesundheitsministerkonferenz in einer Entschließung die Weiterführung der Aufgaben des Zentralinstituts für Gesundheitserziehung (Deutsches Gesundheits-Museum) als dringend notwendig. Die Konferenz bittet das Bundesgesundheitsministerium, diese Institution in geeigneter Rechtsform zu übernehmen und die notwendige Finanzierung aus dem Bundeshaushalt zu ermöglichen. Am 20. Juli 1967 wird das DGM durch die amtierende Bundesgesundheitsministerin Käte Strobel in die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) umgewandelt. Die BZgA ist seitdem eine Bundesbehörde des Bundesgesundheitsministeriums. Ihr werden zunächst folgende Aufgaben übertragen:
- Erarbeitung von Richtlinien für die Gesundheitserziehung
- Aus- und Fortbildung von Gesundheitserziehern
- Gesundheitliche Aufklärung im Bundesgebiet
- Zusammenarbeit mit dem Ausland Die Länder und freien Träger werden von Anfang an durch einen „Ständigen Ausschuss“ an der Planung und Koordinierung der Arbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beteiligt.
Am 9. November 1967 findet in Köln die erste konstituierende Sitzung des „Ständigen Ausschusses“ statt, in dem die Obersten Landesgesundheitsbehörden und die Obersten Landesschulbehörden vertreten sind. Hauptziel der neuen Bundeszentrale ist es, die Bereitschaft des Einzelnen zu verantwortungsbewusstem gesundheitsgerechtem Verhalten zu fördern. Die BZgA beginnt, Maßnahmen und Informationsmaterialien zu den wichtigsten Gesundheitsthemen zu entwickeln.
Die 70iger Jahre
Ende der sechziger Jahre kommen erstmals Haschisch und LSD in Mode. Die BZgA steht vor der schwierigen Aufgabe, Präventionsangebote für illegale Suchtmittel zu entwickeln, die es bis dahin gar nicht gab. Um einen Überblick über die epidemiologische Situation des Konsums legaler und illegaler Suchtmittel bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erhalten, wird 1973 erstmalig die „Drogenaffinitätsstudie“ durchgeführt. Die Studie wird seitdem in Abständen von drei bis vier Jahren wiederholt. Sie ist das führende Instrument, das bundesweit und über einen so langen Vergleichszeitraum repräsentative Daten für die Konzipierung von Maßnahmen und Programmen der Suchtprävention liefert.
Die 70er Jahre sind gekennzeichnet durch das Konzept einer pädagogisierenden Gesundheitserziehung. Ausgegangen wird von der Annahme, dass medizinische Probleme als Folge einer gesundheitsschädlichen Lebensführung entstehen. Dem wird mit dem „erhobenen Zeigefinger“ begegnet, indem die Menschen mit Appellen wie „Du Sollst, Du Darfst nicht“
angesprochen werden. In diese Zeit gehört die Symbolfigur „Herr Schlapp-Schlapp“, der über die Regeln einer ausgewogenen Ernährung informiert. Während der Deutsche Sportbund die „Trimmdich“-Aktion entwickelt, gewinnt für die BZgA das Thema Ernährung und Bewegung immer mehr an Bedeutung. Unter dem Motto „Essen und trimmen…..beides muss stimmen“ werden beide Ansätze zu einer Kampagne zusammengeführt.
Mit der Kampagne „Menschen wie wir“ arbeitet die BZgA daran, ein positives gesellschaftliches Klima zu schaffen, um die Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft zu erleichtern. Deshalb informiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in diesen Jahren über die sehr unterschiedlichen Formen von Behinderung. Die seit 1971 gesetzlich geregelte Früherkennung und die dadurch gegebenen Möglichkeiten, Behinderung zu verhindern oder durch frühe Förderung auszugleichen, sind eine wichtige Grundlage für diese Aufklärungsphase. Als die Vereinten Nationen das Jahr 1981 zum Jahr der behinderten Menschen erklären, kann die BZgA einen Film, eine Serie von Fernsehspots, eine Ausstellung und Informationsmaterialen anbieten.
Die 80iger Jahre
Seit 1983 ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Kooperations-Zentrum für Gesundheitserziehung der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO). In dieser Funktion hat sie an der Verabschiedung der „Ottawa-Charta“ zur Gesundheitsförderung 1986/87 mitgearbeitet, die einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der gesundheitlichen Aufklärung zur Folge hatte. Seitdem wird Gesundheit nicht mehr ausschließlich als Abwesenheit von Krankheit definiert.
Vielmehr geht es nun darum, dass Menschen darin unterstützt und gefördert werden, dass sie selbst Kompetenzen für ein gesundes Leben entwickeln. Hierzu gehört die Stärkung von Ressourcen für die Gesundheit bei Einzelnen, bei Gruppen und in verschiedenen Lebenssituationen. Ziel ist es, ein Bewusstsein für die eigenen Stärken und Schwächen zu schaffen und Hilfen zur selbständigen Problemlösung zu geben.
Mitte der 80er Jahre bekommt das Thema Aids in Deutschland eine hohe gesundheitspolitische Bedeutung. Bereits Ende 1985 wird ein spezielles Faltblatt zur Aidsaufklärung als Postwurfsendung an sämtliche 27 Millionen deutsche Haushalte verteilt. Hierbei handelt es sich um die erste direkte Präventionsbotschaft an alle Bürgerinnen und Bürger, um Handlungsmöglichkeiten gegenüber dieser neuen Bedrohung zu eröffnen und Panik entgegen zu wirken. 1987 wird das „Sofortprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung von Aids“ beschlossen. Damit erhält die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom Bundesministerium für Gesundheit den Auftrag, die bundesweite Aids-Präventionskampagne zu planen und umzusetzen. Von Anfang an wird das Programm der BZgA in enger Kooperation mit der Deutschen AIDS-Hilfe, den lokalen AIDS-Hilfen und mit den Bundesländern entwickelt und durchgeführt, um größtmögliche Synergien und Effektivität zu erreichen – eine Strategie der Zusammenarbeit, die sich bis heute bewährt hat.
Unter dem Motto „GIB AIDS KEINE CHANCE“ ist die Aids-Kampagne die bisher größte, umfassendste und bekannteste Gesundheitskampagne in Deutschland.
Die 90er Jahre
1990 beschließt die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und wichtigen gesellschaftlichen Gruppen den „Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan“. Er markiert eine inhaltliche Wende in der Drogenprävention, nämlich die Abkehr von Strategien, die auf reine Informationsvermittlung bzw. Abschreckung setzen. Gefordert wird neben der Hilfe für Abhängige und Gefährdete vor allem eine frühe Suchtvorbeugung im Kindes- und Jugendalter.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung reagiert darauf und startet 1991 mit der Initiative „Kinder stark machen“. Sie wendet sich an alle Erwachsenen, die Verantwortung für Kinder und Jugendliche tragen. Die Kampagne unterstützt die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten junger Menschen, damit sie bei Problemen nicht auf Suchtmittel zurückgreifen müssen. Ziel ist es, ihnen zu helfen, sich zu starken Persönlichkeiten zu entwickeln und ihnen ein selbstbestimmtes Leben ohne Suchtmittel zu ermöglichen. Mit dieser Kampagne erfolgt ein Paradigmenwechsel in der deutschen Suchtprävention – weg von reiner Informationsvermittlung und Abschreckung, hin zur Förderung von Lebenskompetenz. Altersgerecht wird dieser Ansatz um suchtmittelspezifische Programme zu Nikotin, Alkohol und illegale Drogen ergänzt.
Am 27. Juli 1992 wird das Schwangeren- und Familienhilfegesetz verabschiedet. Darin erhält die BZgA den Auftrag, Konzepte und Materialien zur Sexualaufklärung zu erarbeiten, jeweils abgestimmt auf die verschiedenen Alters- und Personengruppen. Zur Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages hat die Bundeszentrale 1993 die Abteilung „Sexualaufklärung, Verhütung, Familienplanung“ eingerichtet, die dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zugeordnet ist. Kontinuierlich werden annähernd sechs Millionen Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren informiert, um eigenverantwortlich mit Sexualität und Verhütung umgehen zu können, aber auch die Erziehungspersonen werden unterstützt und geschult, um ihre Aufklärungsfunktionen wahrzunehmen.
Moderne gesundheitliche Aufklärung muss auch moderne Vermittlungsstrategien nutzen und konsequent weiter entwickeln. Die BZgA hat deshalb sehr frühzeitig neben der Entwicklung von Massenmedien und personalkommunikativen Angeboten die Wichtigkeit elektronischer Medien erkannt und genutzt. Auf ihrer Homepage www.bzga.de präsentiert sie inzwischen auf 35 Domains aktuelle Informationen zur Gesundheitsförderung und Prävention zu den Themen Aids-Prävention, Sucht-Prävention, Sexualität und Familienplanung, Gesundheit für Kinder und Jugendliche, Aufklärung zur Organspende. Qualitätssicherung, Nationale Kooperationen und Internationale Beziehungen.
Von 2000 bis heute
Prävention und Gesundheitsförderung werden heute als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Gesundheit wird nicht allein als Selbstzweck betrachtet, sondern als Mittel für die Erreichung anderer Ziele in der Gesellschaft, in Organisationen und bei Personen. Diese intersektorale Zusammenarbeit für Gesundheit wird zum Leitbild für Prävention und Gesundheitsförderung. Die Strategie zur Erreichung dieser Ziele ist die Bildung von Koalitionen und von Netzwerken vor Ort mit verschiedenen Partnern.
Ein Beispiel für eine gelungene intersektorale Vernetzung verschiedener Angebote und Maßnahmen ist der Rückgang im Zigarettenkonsum 12- bis 17-jähriger Jugendlicher, der von 28 Prozent im Jahr 2001 auf 18 Prozent im Jahr 2007 erfolgte. Diese Entwicklung ist das Ergebnis von Tabaksteuererhöhungen, landesweiten Regelungen zur „Rauchfreien Schule“, bundesweiter Massenkommunikation zur Schaffung eines rauchfreien Klimas bei Jugendlichen durch die „rauchfrei“-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und durch personalkommunikative Angebote wie dem Schulklassenwettbewerb „Be Smart-Don’t Start, den die BZgA maßgeblich mitfinanziert.
Menschen in schwierigen Lebenslagen, zum Beispiel mit niedrigem Einkommen und niedriger Bildung, Menschen ohne Arbeit, viele allein Erziehende oder Menschen in sozialen Brennpunkten haben oft eine geringere Lebenserwartung, ein ungünstiges Gesundheitsverhalten, sind häufiger krank und oft sozial ausgegrenzt. Sie haben einen besonders hohen Gesundheitsförderungsbedarf. Deshalb hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das EU-Projekt „Closing the Gap“ über drei Jahre lang geleitet und mit 20 weiteren europäischen Ländern effektive Strategien zur Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten identifiziert und eine europäische Datenbank mit wichtigen Informationen und vorbildlichen Projekten erstellt. Auf nationaler Ebene ist das Projekt eingebettet in eine Kooperationsplattform auf Bundes- und Länderebene. Insgesamt 42 Organisationen haben sich auf dieser Plattform zusammen gefunden und über aktive Vernetzungsstrukturen Wege aufgezeigt für mehr gesundheitliche Chancengleichheit. Diese Kooperationsverbünde und Netzwerke stehen für die „Gemeinschaftsaufgabe Prävention“ und sind Ausdruck einer dauerhaften Strategie der Zusammenarbeit, die die BZgA mit zentralen Partnern in der Prävention pflegt. Traditionell und aus ihrem ursprünglichen Auftrag heraus begründet ist die Zusammenarbeit mit den Ländern und den Landesvereinigungen. Sie hat sich bewährt und insbesondere in der Aids-Prävention zu einem einheitlichen Vorgehen geführt. In diesem Fall ist die Arbeitsteilung mit der Deutschen AIDS-Hilfe ein weiterer Nachweis, dass gezielte und bewusste Aufgabenteilung die Erfolgschancen erhöht. Die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen hat sich sehr positiv entwickelt und beispielsweise im Themenfeld „Soziale Chancengleichheit“ über den Kooperationsverbund „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ auch zu gemeinsamen Finanzierungsstrategien geführt.
Die Stärkung der Prävention durch die Einwerbung privater Mittel ist der zentrale Gegenstand von Projekten im Bereich „public private partnership“. Diese Partnerschaften, z.B. mit dem Fachverband Außenwerbung, Medienanstalten oder privaten Versicherungsträgern, sind Ausdruck für ein zivilgesellschaftliches Engagement in der Prävention. Sie werden von der BZgA gezielt angestrebt.
Ein weiteres Kennzeichen der Entwicklung seit 2000 ist neben neuen Kooperationen die Weiterentwicklung der Konzepte zur Qualitätssicherung in der Prävention. Die BZgA hat nicht nur intern mit der zielorientierten Programmplanung Verfahren eingesetzt, die der Qualitätsverbesserung dienen. Sie hat in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg das Instrument QIP (Qualität in der Prävention) entwickelt. Dieses Instrument dient dazu, qualitätsgesicherte Verfahren bei Präventionsanbietern zu steigern. Die gemeinsame Entwicklung von Indikatoren in verschiedenen Wissenschafts-Praxis-Arbeitskreisen hat dazu geführt, dass beispielsweise bei Adipositas oder bei sozialer Chancengleichheit Standards für gute Praxis gebildet werden konnten. Mit den repräsentativen Zeitreihenuntersuchungen der BZgA in der Aidsund Suchtprävention sowie der Sexualaufklärung stehen Instrumente zur Verfügung, die Wissen, Einstellungen und Verhalten in diesen Themenfeldern beobachten und Wirkungen von Präventionsmaßnahmen und Entwicklungen nachweisen.
Kooperation, Innovation und Qualitätssicherung werden auch künftig Leitmotive für die Arbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sein. Sie sieht sich damit auf einem guten Weg, den gesellschaftlichen Stellenwert von Prävention und Gesundheitsförderung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit zu stärken.