Die am 20.04.1966 geb. Klägerin war seit dem 04.10.1995 bei der beklagten Arbeitgeberin als „Mitarbeiterin Verkauf/Sachbearbeiterin“ beschäftigt. Ein Betriebsrat bestand bei der Beklagten nicht. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis der Parteien am 13.03.2014 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.09.2014 aufgrund der klägerischen Schlechtleistung wegen Nichtausschöpfens ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit gekündigt. Nachdem die Beklagte gegen das der Kündigungsschutzklage stattgebende erstinstanzliche Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg fristgerecht Berufung eingelegt hatte, gelangte ihr im Dezember 2014 zur Kenntnis, dass die Klägerin am 20.11.2013 ein Personalgespräch mit der Beklagten heimlich mit ihrem Mobiltelefon mitgeschnitten hatte. Diesen Sachverhalt hat die Beklagte im Berufungsverfahren als weiteren Kündigungsgrund zur Rechtfertigung ihrer Kündigung eingeführt.
Das LAG Hamburg hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2014 wirksam beendet worden ist. Nach der Entscheidung des LAG trägt der von der Beklagten in der Berufungsinstanz nachgeschobene Kündigungsgrund des heimlichen Gesprächsmitschnitts als wichtiger Grund i.S. des § 626 Abs. 1 BGB die außerordentliche Kündigung. Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung hängt allein davon ab, ob der bei ihrem Ausspruch tatsächlich vorliegende Sachverhalt bei objektiver Würdigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht und der Arbeitgeber deshalb die außerordentliche Kündigung auch auf sog. nachgeschobene Kündigungsgründe stützen kann, und zwar auch auf solche, die einen eigenständigen – neuen – Kündigungsvorwurf begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG, 10.04.2014 – 2 AZR 684/13 – juris; BAG 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – juris). Die Beklagte durfte die unstreitige Tatsache des heimlichen Gesprächsmitschnitts in der Berufungsinstanz nachschieben, da sie zum Zugangszeitpunkt der Kündigungserklärung bereits vorlag, der Beklagten aber noch nicht bekannt war. Dem steht nicht entgegen, dass zwischen dem nachgeschobenen Kündigungsgrund und dem ursprünglich angeführten Grund der Schlechtleistung wegen Nichtausschöpfens der persönlichen Leistungsfähigkeit kein unmittelbarer inhaltlicher Zusammenhang besteht. Das LAG ist der Rechtsprechung des BAG gefolgt, die für das Nachschieben von Kündigungsgründen keinen inneren Zusammenhang zwischen den ursprünglichen Kündigungsgründen und den nachgeschobenen Gründen verlangt (BAG 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – juris). Der Beachtung der Vorschrift des § 626 Abs. 2 BGB, nach der eine fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungssachverhalts erklärt werden kann, bedarf es nicht, weil die Erklärungsfrist schon nach ihrem Wortlaut allein für die Ausübung des Kündigungsrechts gilt. Ist die Kündigung als solche, wie im dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall, rechtzeitig erklärt, schließt § 626 Abs. 2 S. 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus (vgl. BAG 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – juris).
Empfehlung für die Praxis:
Bei Bekanntwerden neuer Kündigungssachverhalte sollte der Arbeitgeber sehr sorgfältig prüfen, ob sich diese objektiv vor oder nach einer arbeitgeberseitig bereits ausgesprochenen fristlosen Kündigung ereignet haben. Wenn die Sachlage zweifelhaft ist, sollte auf jeden Fall eine weitere Kündigung ausgesprochen werden. Bei Bestehen eines Betriebsrats ist zu beachten, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren nur die Gründe verwerten darf, zu denen er den Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung angehört hat. Daher muss der Arbeitgeber bei ihm nachträglich zur Kenntnis gelangten Kündigungsgründen eine weitere Kündigung nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats aussprechen. Die Entscheidung des LAG ist noch nicht rechtskräftig, da die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision eine Nichtzulassungsbeschwerde bei dem BAG eingelegt hat.