Der Arbeitgeber in dem vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall ließ seine Mitarbeiter auf dem Flachdach eines neuen Werkstattgebäudes Bauarbeiten verrichten. Das Dach war mit Rauhspundplatten gedeckt. In diese Platten sollten die Arbeiter etwa fünf Quadratmeter große Löcher sägen, damit darin Lichtkuppeln eingesetzt werden konnten. Solange diese Lichtkuppeln nicht eingesetzt waren, sollten die Arbeiter die Fläche mit einer Dampfsperrfolie abdecken. Die Löcher in den Platten waren dadurch nicht mehr erkennbar. Ein Arbeiter stürzte durch eines der abgedeckten Löcher mehr als drei Meter in die Tiefe. Er erlitt schwerste Verletzungen, insbesondere ein offenes Schädel-Hirn-Trauma. Infolge dieser Verletzungen ist er vollständig erwerbsgemindert und lebt in einem Pflegeheim. Die Berufsgenossenschaft als für den Betrieb des Arbeitgebers zuständiger gesetzlicher Unfallversicherer hat für den verunfallten Mitarbeiter bereits Leistungen von rund 1 Million Euro erbracht.
Das OLG hat entschieden, dass der Arbeitgeber gegenüber der Berufsgenossenschaft zur Erstattung von bereits erbrachten und künftigen Leistungen verpflichtet ist. Der Arbeitgeber hätte nach den Unfallverhütungsvorschriften sicherstellen müssen, dass aufgrund der möglichen Absturzhöhe von mehr als drei Metern Absturzsicherungen angebracht werden und Öffnungen auf Dachflächen, die kleiner als neun Quadratmeter sind, ebenfalls mit Sicherungen gegen ein Hineinfallen oder Hineintreten versehen werden. Gegebenenfalls hätte ein Gerüst unterhalb der Löcher im Dach aufgebaut werden können. Das Gericht wertete das bewusste Absehen von den Sicherungsmaßnahmen als ein grobes Verschulden des Arbeitgebers. Das Gefahrenpotential für die Arbeiter habe sich noch zusätzlich durch die aufgebrachte Dampfsperre erhöht, die die vorhandenen Öffnungen verdeckte.
Empfehlung für die Praxis:
Unfallverhütungsvorschriften sind - auch wenn es im Einzelfall aufwändig ist - einzuhalten. Durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen hätte verhindert werden können, dass ein Mensch für den Rest seines Lebens zum Pflegefall wird. Hinzu kommen die wie im vorliegenden Fall erheblichen finanziellen Folgen und möglicherweise auch wirtschaftliche Nachteile durch eine öffentliche Berichterstattung. Damit nicht genug, dürfte auch ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen eingeleitet werden, wegen fahrlässiger Körperverletzung. Wäre der Mitarbeiter ums Leben gekommen, stünde sogar eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung im Raum.