Nach rund 20-monatiger Bauzeit erfüllte sich im Mai 2010 der Traum vom gemeinschaftlichen Wohnen in einem Passivhaus: Auf 3.650 Quadratmeter Wohnfläche verteilt, entstanden 44 Wohnungen und Gemeinschaftsflächen für die Bewohner. 14 dieser Wohnungen wurden vom Land Hessen und der Wissenschaftsstadt Darmstadt gefördert, wobei kein Unterschied zwischen der Ausstattung der freifinanzierten und geförderten Wohnungen existiert. Derzeit werden die Wohnungen für rund zehn Euro pro Quadratmeter vermietet. Die Mieter werden vom Verein ausgesucht und müssen dort Mitglied werden. Das Objekt sei begehrt, berichtet Dipl.-Ing. Arne Schreier, zuständiger Projektleiter bei der bauverein AG. Die Mischung der Mieter ist stimmig: ein Drittel Familien, ein Drittel Alleinstehende und ein Drittel Paare.
Großzügige Gemeinschaftsflächen
Das Planungskonzept hat das Darmstädter Architekturbüro kolb+neumann gemeinsam mit der Mietergruppe "WohnArt 3" entwickelt. "Wir sind stolz, dass wir dieses anspruchsvolle Projekt unterstützen durften. Es ist wichtig, dass immer mehr Projekte des gemeinschaftlichen Wohnens entstehen, wir bewundern das Durchhaltevermögen und das soziale Engagement der Bewohnergruppe", so Christine Kolb-Neumann. Zwischen der bauverein AG und der Bewohnergruppe wurde ein Kooperationsvertrag geschlossen. Während der Bauzeit gab es regelmäßige Abstimmungstermine mit Vertretern des Vorstandes von WohnArt 3, Kommunalberater Dieter Emig als Vertreter der bauverein AG und dem Architekturbüro.
Ausgeführt ist das Gebäude in einer Hofform, wobei ein 3 1/2-geschossiger Winkel im Norden und Osten sowie ein 2-geschossiger Winkel im Süden und Westen einen großzügigen besonnten Innenhof umschließen. Die beiden Baukörper sind durch einen Steg verbunden. Die Hoflösung − geschützt und doch offen − dient dem lebendigen Miteinander der Mieter, betont die Architektin. Die Bauform mit der Orientierung der Wohnungen zum Innenhof hin setzt die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens konsequent um. Dem gemeinschaftlichen Wohnen wird durch großzügige Gemeinschaftsflächen in der Nord-Ost-Ecke des Gebäudes Rechnung getragen: Hier entstanden ein Gemeinschaftsraum, ein Gruppenraum und das Vereinsbüro, zwei Gästewohnungen und drei Büroräume, die von den Bewohnern als Home-Office gemietet werden können. Der Anspruch generationenübergreifenden Wohnens spiegelt sich im Mix an bedarfsorientierten unterschiedlichen Grundrissgrößen und Wohnungstypen wider, die von einer Einpersonenwohnung mit 48 Quadratmeter über die Familienwohnung, teilweise über zwei Geschosse, bis zur Senioren-WG mit 128 Quadratmeter reichen. Drei Wohnungen sind rollstuhlgerecht, neun barrierefrei. Alle haben einen hohen Wohnkomfort und einen Blick auf den Innenhof, wo die Bewohner ihre Gartenflächen gemeinsam anlegen und pflegen. Aufgrund der erforderlichen Barrierefreiheit für das komplette Gebäude gibt es eine Erschließung durch Laubengänge, an zentraler Stelle ist ein Aufzug platziert.
Mediterranes Farbkonzept
Das baukonstruktive Konzept wurde in einer Planungsgruppe mit Unterstützung des Passivhaus Instituts Darmstadt in enger Zusammenarbeit mit der bauverein AG und allen fachlich beteiligten Planern entwickelt. Die Herausforderung bestand darin, trotz erhöhten Aufwands und des hohen Standards für ein Passivhaus eine kostengünstige Bauweise sicherzustellen. Erstellt wurde das Gebäude konventionell in Massivbauweise mit dem Wärmedämm-Verbundsystem Dalmatiner Fassadendämmplatte WLG 0,35 mit 30 Zentimeter Aufbau. Auf einen Mineral-Leichtputz erfolgte ein zweifacher Anstrich mit der Siliconharz-Fassadenfarbe ThermoSan auf Basis der Nano-Quarz-Gitter-Technologie für langfristig saubere und brillante Fassaden.
Die Idee für das Farbkonzept mit mediterranen und warmtonigen Farben in Beige-Braun-Rot stammt vom Architekturbüro kolb+neumann. Die Farben sollen "Lebendigkeit und Freundlichkeit" ausstrahlen, so Architektin Kolb-Neumann. Die Details des Konzepts, dem bauverein AG und Mietergruppe zustimmten, wurden anschließend von Farbdesignerin Katharina Koch (Caparol) umgesetzt und visualisiert. Die Außenwandflächen des Gebäudes sind in einem erdigen Beigeton gehalten, der bei den äußeren Gebäudeteilen einen Farbton dunkler ausgeführt ist. Akzente werden bei Farbfeldern neben den Fenstern oder Türen durch einen kräftigen Orangeton (Caparol 3D-Papaya) und einen verhüllten Rotton (Cameo) gesetzt.
Das Gebäude ist optimal ausgerichtet: große Fensterflächen der Wohnbereiche nach Süden und Westen, kleine Fenster nach Norden. Es wird dezentral durch Decken- und Wandgeräte belüftet. Jede Wohnung hat eine eigene Anlage mit Wärmerückgewinnung und Komfortheizung, wobei die Wärme in den Räumen über Mini-Heizkörper separat regelbar ist. Die Beheizung erfolgt über Fernwärme. Arne Schreier berichtet, dass für die Verbindung von barrierefreiem Wohnen und Passivhausstandard immer wieder neue Detail-Lösungen gefunden und diskutiert wurden und dank der Hand-in-Hand-Arbeit mit Handwerkern aus der Region kostengünstig realisiert werden konnten.
Auf den Bau einer Tiefgarage konnte verzichtet werden, was auch im Sinne der Bewohnergruppe war, die sich derzeit um einen Anschluss an das Car-Sharing bemüht. Ein Bauteil ist unterkellert. Im Keller gibt es Abstell- und Technikräume, einen Wäschekeller, eine Werkstatt für die Mieter und Unterstellplätze für Fahrräder. Auf einer Dachfläche von 600 Quadratmeter wurde eine Photovoltaikanlage installiert, die zu einer weiteren positiven Energiebilanz beiträgt. Das Objekt ist durch das Passivhaus-Institut zertifiziert worden.
Impulsgeber für neue Projekte
Die Mietergruppe "WohnArt 3" ist seit Mai 2006 ein eingetragener Verein. Ziel ist, sich gegenseitig zu helfen, Aufgaben gemeinschaftlich und nachbarschaftlich zu lösen. Die Vereinsmitglieder treffen sich regelmäßig und bringen sich in Arbeitsgruppen wie "Carsharing" oder "Außenanlagen" ein. Das Zusammenleben in der Gemeinschaft klappt gut, berichtet Vorstandsmitglied Alfred Kessler: "Es wird viel gemeinschaftlich erlebt und gefeiert. Außerdem bieten die Bewohner Kurse wie etwa Gedächtnistraining, Philosophie oder auch Yoga an." Wenn die derzeit zwölf Schulkinder nach Hause kommen, werden sie von den Eltern oder anderen Mitbewohnern abwechselnd bekocht. Für die Hausaufgabenbetreuung wurde eine Pädagogin engagiert. "Wir fühlen uns hier wunderbar aufgehoben", freut sich Mieter Tobias Huniar.
"Das Projekt wird noch viele Impulse für andere Projekte geben", so Christine Kolb-Neumann. Das bezeugen auch die Besuchergruppen, die sich aus Frankreich, Italien und sogar aus Korea bei der bauverein AG anmelden. Das Aushängeschild des Bauvereins wurde bereits beim Tag des Passivhauses präsentiert. Dr.-Ing. Hans-Jürgen Braun, Vorstandsvorsitzender der bauverein AG, führte bei der Einweihung aus: "Es ist ein herausragendes Projekt, das wir zum Laufen gebracht haben. Es war auch für uns das erste Projekt dieser Art mit einer Mietergemeinschaft. Entstanden ist ein ökologisches Spitzenprodukt mit Passivhausstandard."
Martina Noltemeier
Bautafel:
Bauherr: bauverein AG; Bauabteilung der bauverein AG: Projektsteuerung Dipl.-Ing. Arne Schreier, Betreuung der Mietergruppe: Dieter Emig
Planung: kolb+neumann Architekten BDA, Darmstadt
Bauleitung: Adolf Gerber Baumanagement GmbH, Darmstadt
Farbgestaltung: kolb+neumann Architekten BDA; Katharina Koch, Caparol-FarbDesignStudio
Haustechnik: Ingenieurbüro inPlan, Pfungstadt
Elektroplanung: ibb Ingenieurgemeinschaft mbH, Darmstadt
Statik: Ingenieurbüro Stephan Adam, Friedberg
Passivhaustechnische Beratung: Passivhaus Institut, Darmstadt
Caparol-Produkte: Dalmatiner Fassadendämmplatte WLG 0,35 Stärke bis 30 cm; Mineral-Leichtputz + 2 fachen Anstrich mit ThermoSan; zuständiger Planer- und Objektberater: Peter Weidmann