Die Umfrage in den Beratungsstellen von Caritas und Diakonie belege, dass steigende Lebenshaltungs- und Energiekosten fast zu 100 Prozent in den Beratungsstellen angekommen seien, erklärte Diözesan-Caritasdirektorin Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock, Vorständin des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Diese Kosten zeigten sich bei den Ratsuchenden vor allem als Liquiditätsprobleme, die zugleich starke Zukunftsängste auslösen. „Die wirtschaftliche Not vieler Menschen und damit der Bedarf nach Unterstützung und Beratung wächst kontinuierlich. Wer bisher bereits arm oder von Armut bedroht war, ist von der aktuellen Krise am stärksten betroffen. Zunehmend rutschen aber auch Menschen aus der Mittelschicht in Armut.“ Diese Menschen hätten oft eine Arbeit, aber ihr Einkommen reiche nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Mit den Energiefonds mit einem Gesamtvolumen von fast 17 Millionen Euro leisten auch die vier großen Kirchen im Südwesten einen Beitrag, damit Haushalte mit niedrigem oder mittlerem Einkommen Energiebeihilfen erhalten. Die Mittel des Fonds speisen sich aus den Kirchensteuern, die durch die Auszahlung der Energiepreispauschale im September 2022 an die Bevölkerung angefallen ist. Inzwischen können die Gelder über die Beratungsstellen von Diakonie und Caritas beantragt werden, führte Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende der Diakonie Württemberg, aus. Die Überbrückungshilfen betragen in der Regel zwischen 500 und bis zu 1.500 Euro, in wenigen Einzelfällen auch darüber. Mit einem Anstieg der Anträge auf Unterstützung sei im vierten Quartal dieses Jahres nach den Jahresabrechnungen und der Neuberechnung der Abschlagszahlungen zu rechnen und – je nach Entwicklung der politischen und ökonomischen Lage – auch im Jahr 2024.
Menschen, die bereits in der Armutsspirale sind oder hineinzugeraten drohen, wirksam Hilfe und Unterstützung zu leisten, sei besonders wichtig, sagte Caritasdirektorin Birgit Schaer, Vorständin des Caritasverbandes für die Erzdiözese Freiburg. „Neben finanzieller Entlastung brauchen diese Menschen niederschwellige Anlauf- und Beratungsstellen, die möglichst schnelle und unbürokratische Soforthilfe bieten können.“ Angebote wie die Schuldnerberatung oder die Allgemeine Sozialberatung seien hier wichtige Anlaufstellen. Diese notwendige Unterstützungsstruktur gelte es von der Politik aufmerksam im Blick zu behalten und zu stärken. Besonders wichtig sei ein gemeinsam aufgesetztes Sozialmonitoring von Wohlfahrt und Kommunen, damit man Bedarfe erkenne und Leistungen zeitnah und unbürokratisch daran angepasst werden können. Mit ihrer Allgemeinen Sozialberatung leisteten die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände einen eigenen wichtigen Beitrag, so Schaer. Dieses kostenfrei zugängliche Angebot ist fast ausschließlich aus Mitteln der Kirchensteuer finanziert. Auch in die von den Wohlfahrtsverbänden kostenlos angebotene Schuldnerberatung fließt ein erheblicher Anteil an Eigenmitteln, da sie nicht auskömmlich finanziert ist.
Oberkirchenrat Urs Keller, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Baden, forderte eine Umverteilungsdebatte. „Denn die Nachfrage nach Hilfen steigt massiv. Immer mehr Menschen kommen, immer neue Bedarfsgruppen klopfen an. Gleichzeitig stagniert die finanzielle Förderung der Hilfsangebote durch Bundes- und Landesregierung.“ Auch die Kassen der Kommunen seien klamm und im schlimmsten Fall werde sogar darüber nachgedacht, die Mittel zu kürzen oder gar ganz zu streichen. Daraus leitete Keller die Frage ab, wie wir „die soziale Daseinsfürsorge in diesem Land überhaupt noch sicherstellen“ können. „Allein auch schon wegen des demografischen Faktors wird der Bedarf an Hilfeangeboten immer weiter steigen.“ Der gesellschaftliche Zusammenhalt müsse uns eine Umverteilungsdebatte wert sein, so Keller.