Drei Wochen in Ostafrika: Mit welchen Erwartungen und Befürchtungen sind Sie in die Krisenregion geflogen? Sind diese in den drei Wochen bestätigt worden? Was hat sich für Sie persönlich geändert?
Die Implementierung von Nothilfeprojekten stellt immer eine Herausforderung für alle Beteiligten dar. Ich war also gespannt, ob unsere lokalen Partner, die wir bisher meist nur bei langfristigen Projekten unterstützt hatten, sich dem Tempo einer Katastrophe würden anpassen können. Doch meine Sorgen waren völlig unbegründet. Es war eindrucksvoll zu sehen, wie gut die Zusammenarbeit auf allen Ebenen klappt.
Ich habe auch Vertreter vieler anderer Nichtregierungsorganisationen getroffen. Sie alle leisten wichtige Arbeit in ihrem Mandatsfeld. Aber mit jedem Treffen wurde mir bewusster, welch wertvolles Mosaiksteinchen die CBM mit ihrem speziellen Mandat im Gebilde aus all diesen Hilfswerken darstellt.
Gibt es eine Begebenheit, die Sie nicht vergessen werden?
Bei einem unserer Projektbesuche nahmen wir an einer Essensverteilung für Kinder unter fünf Jahren teil. Als wir von Meru aus losfuhren, sah ich grüne Bäume und blühende Sträucher. Als wir zwei Stunden später an der Schule ankamen, erinnerte nichts mehr an die grüne Landschaft vom Morgen. Die Sonne brannte auf uns nieder, der Boden war trocken und staubig, die Büsche und Bäume waren dürr.
Uns bot sich ein Anblick, den ich nie vergessen werde: Mitten in dieser kargen Landschaft saßen etwa 700 Frauen mit ihren Kindern. Aus allen Richtungen strömten immer mehr hinzu. Sie kamen in der Hoffnung, von unserem Projektpartner Nahrung für ihre Kinder zu erhalten. Als sie diese dann endlich in den Händen hielten, war die Freude groß. Diese Dankbarkeit zu spüren, war ein überwältigendes Gefühl.
Warum leiden Menschen mit Behinderungen besonders stark in Notfällen wie dieser Hungerkrise?
Da Menschen mit Behinderungen der Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln erschwert ist, sind sie oftmals die ersten, die von einer Katastrophe betroffen sind, und die letzten, denen geholfen wird. Menschen mit physischer Behinderung können zum Beispiel nicht weite Wegstrecken zurücklegen, um an einer Essensverteilung teilzunehmen oder Wasser aus einer Quelle zu schöpfen.
Kinder mit Behinderung haben außerdem häufig keinen Zugang zum Schulsystem und können somit auch nicht von staatlich geförderten Schulspeisungen (eine Mahlzeit pro Schüler pro Tag) profitieren. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass sich die Anzahl der Menschen mit Behinderungen durch die Krise erhöht, da sie aufgrund mangelnder Nahrungsversorgung besonders anfällig für Erkrankungen sind. Bei Kleinkindern (0-5 Jahre) ist das Risiko irreparabler Schäden aufgrund von Unterernährung besonders hoch.
Wie sieht die Verteilung von Hilfsgütern ganz praktisch aus?
Unsere Projektpartner kaufen Nahrung auf den lokalen Märkten. Damit wird die lokale Wirtschaft gestützt. Um sicherzustellen, dass die Hilfsgüter den gefährdetsten Personen zugutekommen, werden diese mit Hilfe von Vertretern der betroffenen Region identifiziert. Am Tag der Verteilung kommen dann alle an einem Ort zusammen und werden in kleine Gruppen eingeteilt. Bevor sie ihre Essenspakete erhalten, müssen sie sich mit Namen und ID-Nummer registrieren. So wird gewährleistet, dass sich niemand zweimal anstellt und andere dafür gar keine Hilfsgüter bekommen. Um Streit zu verhindern, bitten die lokalen CBM-Partner zumeist den Chief des Dorfes und ein paar Dorfälteste, an der Verteilung teilzunehmen.
Was brauchen die Menschen am dringendsten?
Kurzfristig gesehen brauchen sie vor allem Nahrung und Wasser, um ihr Überleben zu sichern. Daher unterstützt die CBM derzeit vor allem Maßnahmen, die den Zugang zu Nahrung und zu Wasser für besonders gefährdete Personengruppen wie Menschen mit Behinderung in den betroffenen Gebieten verbessern. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Hilfsmitteln wie Rollstühlen und Gehhilfen.
Wie reagieren die Menschen auf die Hilfe durch die CBM-Projektpartner?
Viele Menschen mit Behinderungen in den betroffenen Gebieten kennen und schätzen die Arbeit der lokalen CBM-Projektpartner. Umso dankbarer sind sie, dass die Partner ihnen auch in dieser schweren Zeit durch zusätzliche Aktivitäten wie Essensverteilung zur Seite steht. Es bestehen oft schon über viele Jahre Kontakte durch langfristige Hilfsprojekte der Partner. Dadurch ist ein tiefes Vertrauen entstanden und die Menschen wissen, dass sie von unseren Partner kompetente Hilfe erhalten
Wie kann man solche Krisen verhindern?
Gänzlich verhindern wird man solche Krisen wohl nie ganz können. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten vorbeugender Maßnahmen, um etwa eine längere Dürreperiode besser überstehen zu können. Es geht darum, Menschen, die in den betroffenen Regionen leben, zu helfen, sich an die veränderten Gegebenheiten anzupassen und sich auf Katastrophen wie Dürren besser vorzubereiten. Eine solche präventive Maßnahme ist zum Beispiel die Erschaffung von "Gärten des Lebens". Diese Gärten sind nicht sehr groß, erlauben aber durch ihre biologische Vielfalt eine ganzjährige Ernte und sichern so die Nahrung einer ganzen Familie. Neben unterschiedlichen Gemüsesorten - wie zum Beispiel Mais, Karotten, Zwiebeln, Paprika, Bohnen und Melonen - werden dort auch Obstbäume gepflanzt.
Die Besitzer der Gärten bekommen nicht nur Land und Saatgut zur Verfügung gestellt, sondern auch Dünger, Gartengeräte, Materialien für Zäune und das notwendige Wasser inklusive eines Bewässerungssystems. Die CBM hat bereits sehr gute Erfahrungen mit den Gärten des Lebens im Niger gemacht, einem Land, das auch immer wieder von Dürren heimgesucht wird. Auch in Kenia sollen solche Gärten des Lebens geschaffen werden, um langfristig die Situation der Menschen zu verbessern.
Vielen Dank für das Gespräch und Ihren Einsatz in Kenia!