„Die Frauen haben Traumatisches erlebt. Solche schrecklichen Erlebnisse verfestigen sich im Gedächtnis, so dass die Betroffenen es quasi immer wieder erleben, obwohl sie vorbei sind. Die Frauen haben psychosomatische Beschwerden. Sie leiden unter einer schweren psychischen Erkrankung, die aber behandelbar ist“, erklärt Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan. „In Deutschland haben wir ein gutes psychologisches und medizinisches Knowhow. Was uns noch fehlt ist die transkulturelle Erfahrung, wir müssen unsere Methoden auf den unterschiedlichen Umgang in der jeweiligen Kultur mit einer Krankheit anpassen.“
Der Psychologe, dem die Friedensnobelpreisträgerin vertraut
Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan lehrt als Professor an der Dualen Hochschule in Villingen-Schwenningen und ist Direktor des Instituts für Transkulturelle Gesundheitsforschung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. In Donaueschingen verantwortet er fachlich die transkulturelle psychosomatische Rehabilitation an der Klinik MediClin Klinik am Vogelsang mit einem Schwerpunkt auf Psychosomatische Rehabilitation und Migration. Seit über 15 Jahren forscht Kizilhan u.a. über stationäre psychosomatische Rehabilitation von Migranten, entwickelt bundesweit zahlreiche Konzepte und berät verschiedene Institutionen. Unter der Federführung des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg gründete Kizilhan im Irak ein Institut für Psychotherapie und Psychotraumatolgie. Dort bildet er mit hochrangigen Experten aus Deutschland, England und Schweden Psychotherapeuten aus, damit vor Ort Menschen, beispielsweise mit schwereren Traumatisierungen, von eigenen Fachkräften behandelt werden können. Für seine Arbeit ist Kizilhan mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Razi Preis für seine Arbeit in der transkulturellen Psychiatrie und Psychotherapie im Iran, beim Geneva Summit for Women Rights 2016, im Jahr 2016 mit dem Landesverdienstorden Baden-Württemberg sowie dem Ramer Award for Courage in the Defense of Democracy 2017.
Transkulturelle Psychiatrie
„Die transkulturelle Psychiatrie ist der Zweig der Psychiatrie, der sich mit den kulturellen Aspekten der Ätiologie, der Häufigkeit und Art geistiger Erkrankungen sowie mit der Behandlung und Nachbehandlung der Krankheiten innerhalb einer gegebenen Einheit befasst“, so lautet die Definition des Begriffes „transkulturelle Psychiatrie“, die auf einen Artikel von Eric Wittkower aus dem Jahre 1972 zurückgeht.[1] Zu den Fragestellungen gehören beispielsweise, wie man eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und ob Migration per se psychisch krank macht.
Christophsbad Colloquium
Mittwoch, 8. Mai 2019
Pressevertreter sind ausdrücklich eingeladen.
Programm
15 Uhr „Sektempfang ohne Sekt“ mit Hausführung für niedergelassene Ärzte und Zuweiser der KJPP sowie der Eltern-Kind-Station
Begrüßung: Dr. med. Markus Löble, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (KJPP) im Klinikum Christophsbad
Veranstaltungsort: Klinikum Christophsbad, Foyer der KJPP (Haus 25)
16.30-18 Uhr Christophsbad Colloquium: „Transkulturelle Psychiatrie“
Prof. Dr. rer. Soc. Dr. phil. Dipl.-Psych. Jan Ilhan Kizilhan, Leiter Transkulturelle Psychosomatik, MediClinKlinik am Vogelsang, Donaueschingen
Veranstaltungsort: Klinikum Christophsbad, Herrensaal (Haus 11, Ebene 1)
Die Veranstaltung ist mit 2 CME-Fortbildungspunkten zertifiziert. Der Eintritt ist frei.
Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad
Nadia Murad kämpft seit Ende ihrer Gefangenschaft und ihrer Flucht nach Deutschland für die Anerkennung des Völkermordes an den Jesiden und spricht insbesondere die Situation der Frauen in Gefangenschaft an. Sie mahnt die internationale Gemeinschaft, nicht tatenlos zu bleiben, und setzt sich für eine internationale Strafverfolgung der IS-Verbrechen ein. Bereits 2015 sprach Murad vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen öffentlich über das Erlebte und das Schicksal ihres Volkes.
Bereits 2016 wurde sie dafür in New York von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon als „kämpferische und rastlose Verfechterin des jesidischen Volkes“ ausgezeichnet und zur Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) ernannt. Im selben Jahr wurde sie von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mit dem Václav-Havel-Menschenrechtspreis geehrt, gemeinsam mit Lamija Adschi Baschar erhielt sie zudem den Sacharow-Preis des EU-Parlaments. Im Oktober 2018 wurde Murad der Friedensnobelpreis 2018 zugesprochen, den sie am 10. Dezember 2018 in Oslo gemeinsam mit Denis Mukwege erhielt.
Literatur: Nadia Murad, zus. mit Jenna Krajeski: Ich bin eure Stimme: Das Mädchen, das dem Islamischen Staat entkam und gegen Gewalt und Versklavung kämpft. Knaur, München 2017.
[1] Wittkower, E. D. (1972): Probleme, Aufgaben und Ergebnisse der Transkulturellen Psychiatrie. In: Ehrhardt H. E. (Hrsg.): Perspektiven der heutigen Psychiatrie. Frankfurt/Main, 305-312.