Herr Prof. Tomandl, warum haben Sie sich schon vor Jahren auf das Katheter- Verfahren bei Schlaganfall spezialisiert?
Das erkläre ich am besten an einem Beispiel. In der letzten Woche habe ich einen ehemaligen Patienten wieder getroffen. Vor zwei Jahren wurde er in lebensbedrohlichem Zustand zu uns ins Klinikum Christophsbad gebracht. 43 Jahre war er damals alt. Die Kernspintomographie zeigte, dass er einen Einriss in die Halsschlagader erlitten hatte, durch den es zu einem großen Gefäßverschluss sämtlicher das rechte Gehirn versorgender Arterien kam. Mit einfachen Worten gesagt: Er hatte einen schweren Schlaganfall.
Worin bestand die Gefahr für den Patienten?
Behandelt man einen solchen schweren Schlaganfall allein mit der medikamentösen Lyse, reicht das im Allgemeinen nicht aus, 50 Prozent der Patienten sterben. Bei den überlebenden Patienten kommt es fast immer zu schweren Behinderungen.
Sie entschieden sich also für das Katheter-Verfahren?
Ja, weil es für den Patienten die einzige Chance war, den Schlaganfall ohne größere Beeinträchtigungen zu überstehen. Voraussetzungen für die Entscheidung, welches Behandlungsverfahren das Beste ist, sind fachliche Kompetenz, sowie gute diagnostische und technische Möglichkeiten, mit denen eine Aussage über das bereits geschädigte Hirngewebe und die verstropften Blutgefäße getroffen werden muss. Mit der Kernspintomographie (MRT) kann der Neuroradiologe diese Befunde rasch und sicher erheben. Die Aufnahmen zeigen exakt, wo das Blutgerinnsel saß und dass es in diesem Fall sehr groß war. Im Team mit den Neurologen beurteilen wir die Bilder. Schnell kamen wir zum Schluss, dass wir kaum Chancen hatten, dieses Gerinnsel allein medikamentös aufzulösen. Der Patient hatte Glück, denn die Voraussetzungen für einen Thrombektomie waren gegeben. Es war noch nicht zu viel Gewebe zerstört und das verschlossene Gefäß war groß genug, um es mit dem Katheter zu erreichen.
Die Thrombektomie war erfolgreich?
Das zeigt sich sofort. Während des Eingriffes schaue ich mittels Bildgebung in das Gehirn und sehe, wie weit ich den Katheter vorschieben muss. Nach wenigen Minuten war das ganze Hirnareal wieder durchblutet. Mit der Thrombektomie konnten wir irreparable Schäden verhindern, weil das Gerinnsel vollständig und schnell beseitigt war. Dennoch handelte es sich um einen Schlaganfall und der Patient war schwer krank. Nach der akuten Behandlung sind weitere Spezialisten erforderlich, um den Behandlungserfolg zu sichern. Der Patient wurde in unsere neurologische Klinik verlegt, zuerst auf die Intensivstation und später in die Frührehabilitation. Harte Arbeit stand ihm bevor: Er trainierte mit Physio- und Ergotherapeuten wie auch Logopäden, die auf Schlaganfall-Patienten spezialisiert waren. Heute steht der Mann wieder voll im Berufsleben und zeigt nur minimale neurologische Beeinträchtigungen, die ihn kaum stören.