Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH ist klar, dass den Autoherstellern Vorsatz nicht mehr unbedingt nachgewiesen werden muss, um Schadenersatzansprüche im Dieselskandal durchzusetzen. „Der Nachweis von Vorsatz ist nun nicht mehr zwingend nötig, da sich die Autohersteller schon durch fahrlässiges Verhalten schadenersatzpflichtig gemacht haben. Damit sind die Chancen auf Schadenersatz gestiegen“, sagt Rechtanwalt Franz Braun, CLLB Rechtsanwälte.
Große Bedeutung hat die Entscheidung auch für Schadenersatzansprüche bei Fahrzeugen mit einem Thermofenster bei der Abgasreinigung. Ein solches Thermofenster bewirkt, dass die Abgasreinigung in einem festgelegten Temperaturkorridor vollständig arbeitet, so dass beim Stickoxid-Ausstoß die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden. Bei sinkenden oder sehr hohen Außentemperaturen wird die Abgasreinigung jedoch reduziert. Folge ist, dass die Stickoxid-Emissionen steigen. Der EuGH hat zwar schon mehrfach bestätigt, dass Thermofenster grundsätzlich unzulässig sind, insbesondere wenn sie die Abgasreinigung schon bei in Europa üblichen Temperaturen zurückfahren. Der BGH beharrte allerdings darauf, dass Schadenersatzanspruch nur besteht, wenn dem Autohersteller eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nachgewiesen wird. „Davon ist der BGH nun abgerückt, so dass die Aussichten auf Schadensersatz bei Fahrzeugen mit dem weit verbreiteten Thermofenster gestiegen sind“, so Rechtsanwalt Braun.
Der BGH machte deutlich, dass die Käufer beim Erwerb eines Autos davon ausgehen dürfen, dass dieses auch den gesetzlichen Bestimmungen entspricht und nicht der Verlust der Zulassung droht. Es sei naheliegend, dass sie ein solches Auto mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung jedenfalls nicht zum vereinbarten Preis gekauft hätten. Daher hätten sie Anspruch auf Schadenersatz.
Die Karlsruher Richter hatten in mehreren Verfahren über Schadenersatzansprüche im Abgasskandal zu entscheiden. Geklagt hatten der Käufer eines VW Passat mit dem Dieselmotor des Typs EA 288 (Az.: VIa 335/21) und der Käufer eines Mercedes 220 d mit Dieselmotor des Typs OM 651 (Az. VIa ZR 1031/22).
Beide machten Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen, u.a. eines Thermofensters, geltend. Im dritten Verfahren ging es um Schadenersatzansprüche bei einen Audi SQ5 3.0 TDI. Das Besondere war hier, dass der Kläger das Auto erst gekauft hatte, nachdem es für das Modell bereits einen amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der sog. schnellen Aufheizstrategie gegeben hatte.
Die Gerichte hatten die Schadenersatzklagen in allen drei Fällen bislang abgewiesen. Diese Urteile hat der BGH nun gekippt und die Verfahren an die zuständigen Gerichte zurückverwiesen. Diese müssen nun entscheiden, ob Schadenersatzansprüche wegen fahrlässigem Verhalten der Autohersteller bestehen.
„Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH zeigt, dass Dieselfahrer gute Aussichten haben, Schadenersatz im Abgasskandal durchzusetzen. Das gilt unabhängig vom Autohersteller und der Art der unzulässigen Abschalteinrichtung“, so Rechtsanwalt Braun.
Mehr Informationen: https://www.diesel-abgasskandal.de/betroffene-fahrzeuge