Mit Urteil vom 8.3.2016 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Staat Griechenland im Jahr 2012 hoheitliche Vorrechte zur Sanierung seines Staatshaushalts in Anspruch genommen hat (BGH, Urt. v. 8.03.2016, Az.: VI ZR 516/14). Das bedeutet, der Staat Griechenland sanierte seinen Staatshaushalt nicht nur mit Hilfe des Steuer- und Abgabenmonopols sowie der Aufnahme von Krediten. Griechenland bediente sich vielmehr zusätzlich auch des normalerweise nur für die Erfüllung ganz bestimmter öffentlicher Aufgaben (z.B. Polizei, etc.) vorgesehenen, staatlichen Gewaltmonopols.
Die Europäische Kommission ist seit 2013 der Ansicht, dass eine solche Inanspruchnahme hoheitlicher Vorrechte durch Staaten auf den Finanzmärkten gegen Art. 124 AEUV verstößt. Dies hat sie in einem Vorabentscheidungsverfahren, bei dem es ebenfalls um die Causa Griechenland ging (C-226-13 u.a.), schriftsätzlich ausgeführt und zu den Akten gegeben. Die Europäische Kommission hat in diesem Zusammenhang zwar die Ansicht vertreten, dass der Staat Griechenland im Jahr 2012 seinen Staatshaushalt nicht mit Hilfe hoheitlicher Maßnahmen saniert hat. Aus diesem Grund bestand nach Maßgabe der vorläufigen Rechtseinschätzung der Europäischen Kommission bisher kein Anlass, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland einzuleiten.
Das hat sich jetzt mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs geändert. Im Interesse der Einheit der Rechtsordnung und aus Respekt vor dem Gewaltenteilungsprinzip erwartet die Kanzlei CLLB Rechtsanwälte von der Europäischen Kommission, dass sie ihre vorläufige Rechtsmeinung anpasst und die Rechtsauffassung des höchsten deutschen Gerichts als zutreffend anerkennt.
„Konsequenterweise muss die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland anstrengen.“ meint Rechtsanwalt Franz Braun, Partner in der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei CLLB Rechtsanwälte. Nach eigenen Angaben hat die Kanzlei die Europäische Kommission heute entsprechend aufgefordert.
„Ein Vertragsverletzungsverfahren könnte mit zwei denkbaren Begründungen abgelehnt werden: Entweder die Europäische Kommission ändert ihre ursprüngliche Einschätzung zu Art. 124 AEUV oder sie disqualifiziert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als für sie nicht verbindlich.“ so Braun.
In beiden Fällen würde das Vertrauen in die Europäischen Rechtsordnungen nicht gefördert.