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Das EU-Reifenlabel ist für Verbraucher noch keine relevante Informationsquelle

(lifePR) (Hannover, )
- Neue Reifen-Kennzeichnung ist seit Anfang November 2012 in Kraft
- Labelkriterien sind für Kaufentscheidungen nur begrenzt aussagekräftig
- Tests der Fachpresse bleiben wichtigste Orientierungshilfe für Verbraucher

Es ist ungefähr so groß wie eine Zigarettenschachtel und klebt seit Anfang November vergangenen Jahres auf fast jedem Reifen, der innerhalb der Europäischen Union verkauft wird. Das so genannte EU-Reifenlabel gibt auf plakative Weise Auskunft über drei wichtige Reifeneigenschaften: Rollwiderstand, Nassgriff und Geräuschentwicklung. Grundlage für die Einführung ist die EU-Verordnung 1222/2009 vom 25. September 2009. Die neue Kennzeichnungspflicht soll helfen, wichtige Leistungskriterien der Pneus für Autofahrer transparenter zu machen. Die angestrebte Verbesserung der Verbraucherinformation wird von Europas führendem Reifenhersteller Continental ebenso grundsätzlich begrüßt wie von Verbraucherverbänden und Automobilclubs. Als wenig geeignet empfanden Branchenkenner hingegen den Zeitpunkt der Einführung unmittelbar zur Umrüstphase von Sommer- auf Winterreifen. Denn Hinweise zu den Wintereigenschaften von Reifen sucht man auf dem EU-Reifenlabel vergeblich -es enthält weder Angaben zum Schneegriff noch zum Bremsen auf Eis.

So ist es auch wenig überraschend, dass Autofahrer die neue Kennzeichnung bislang noch nicht als relevante Informationsquelle wahrgenommen haben. Ein Umstand, der sich während des Sommerreifengeschäfts zum Frühjahr 2013 ändern dürfte, wenn Rollwiderstand, Nassgriff und externes Geräuschniveau als Reifeneigenschaften an Gewicht gewinnen. Was genau hat es also mit dem EU-Reifenlabel auf sich?

Ein reduzierter Rollwiderstand spart Kraftstoff und CO2. Die Bewertung wird in den Klassen A bis G angegeben. Der Nassgriff ist entscheidend für die Fahrsicherheit. Auch hier ist die Leistung in die Klassen A bis F unterteilt. Bei beiden Eigenschaften ist die Klasse D nicht vergeben. In beiden Fällen gilt: Je näher die Reifeneigenschaften der Klasse A kommen, desto besser. Die Geräuschemission der Reifen wirkt sich auf die Gesamtlautstärke des Fahrzeugs aus. Der Messwert gibt die Lautstärke des externen Vorbeifahrgeräuschs an. Die Skala umfasst drei Klassen, die als Schallwellen dargestellt werden. Je mehr Schallwellen, desto lauter das Außengeräusch.

Um den Informationsgehalt des EU-Reifenlabels richtig einschätzen zu können, sollten Reifenkäufer zusätzlich einige grundlegende Informationen zur Kenntnis nehmen. So lässt die Zahl der Schallwellen beispielsweise keinerlei Rückschlüsse auf das Geräuschniveau im Fahrzeuginneren zu. Außerdem dürfen Reifen, die mit drei Schallwellen gekennzeichnet sind, ab Juni 2016 nicht mehr verkauft werden.

Bei der Bewertung des Rollwiderstandes bedeutet eine Verbesserung um eine Klasse eine Kraftstoffersparnis von etwa 0,1 Liter auf 100 Kilometer. Wer einen Reifen der Klasse A erwirbt, kann gegenüber einem Reifen der Klasse G damit insgesamt immerhin 0,66 Liter auf 100 Kilometer sparen. Legt man eine Fahrstrecke von 600 Kilometer pro Tankfüllung zugrunde, entspricht dies an der Zapfsäule einem Volumen von annähernd vier Litern. Was je nach Tagespreis und Kraftstoffart zu einer Budgetentlastung um rund sechs Euro pro Tankvorgang führt. Was auf den ersten Blick nach viel klingt, ist bei genauerer Betrachtung allerdings relativ. Denn noch entscheidender für den Benzinverbrauch ist der Einfluss, der vom Luftdruck ausgeht. Immerhin weiß man bei Continental aus zahlreichen Untersuchungen, dass durchschnittlich mehr als die Hälfte aller Autofahrer mit zu geringem Fülldruck unterwegs sind. Würden sie alle zwei Wochen den korrekten Wert herstellen, könnte ein deutlich größerer Einspareffekt erzielt werden. Experten sind sich einig, dass sich in Deutschland jährlich mehrere Millionen Liter Kraftstoff einsparen ließen, wenn alle Autofahrer stets mit korrektem Reifenfülldruck unterwegs wären. Angepasste Fahrweise täte ein Übriges.

Deshalb ist nicht nur Continental-Reifen-Vorstand Nikolai Setzer davon überzeugt, dass sich - auch aus Sicht der meisten Autofahrer - der Nassgriff als das wichtigste Labelkriterium herausbilden wird. Schließlich kann die Bremswegdifferenz zwischen der Klasse A und der Klasse F (Klasse G wird nicht vergeben) beachtliche 18 Meter betragen. Das entspricht einer Strecke von gut vier Fahr-zeuglängen. Oder anders ausgedrückt: Wenn das Fahr-zeug mit Reifen der Labelklasse A schon steht, ist ein Fahrzeug mit Reifen der Klasse F noch fast 50 km/h schnell. Und das bei einer vergleichsweise moderaten Ausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass offenbar alle Reifenhersteller versuchen, mit ihren Sommerreifen zumindest den Labelwert C beim Nassgriff zu erreichen.

Autofahrer sollten außerdem wissen, dass auf dem EU-Reifenlabel zwar drei wichtige Reifeneigenschaften abgebildet sind, eine Vielzahl weiterer, mindestens ebenso wichtiger Kriterien aber außer Acht gelassen werden. Beispielsweise fehlen Informationen über präzises Handling - wichtig beim Ausweichen vor Hindernissen - Aquaplaning-Eigenschaften und Bremswege auf trockener Straße. Alles Eigenschaften mit hoher Sicherheitsrelevanz. Auch die Laufleistung, die zunehmend in den Verbraucherfokus rückt, spielt auf dem EU-Reifenlabel keine Rolle. Berücksichtigt man zudem, dass es Reifenentwickler nicht nur bei Rollwiderstand und Nassgriff, sondern auch bei vielen weiteren technischen Disziplinen mit so genannten Zielkonflikten zu tun haben, wodurch Leistungsverbesserungen in der einen Disziplin zwangsläufig zu Lasten einer anderen gehen, wird klar, dass auch ein doppelt mit A gelabelter Reifen nicht zwangsläufig die für die individuellen Anforderungen beste Wahl darstellt. Deshalb hat Continental beschlossen, einen A/A-Reifen erst dann auf den Markt zu bringen, wenn dieser auch in allen anderen wichtigen Kriterien auf einem hervorragenden Eigenschaftsniveau und damit ein gut ausgewogener Reifen angeboten werden kann.

Fachleute verweisen aber nicht nur auf die begrenzte Aussagekraft der auf dem EU-Reifenlabel dargestellten Werte, sondern auch auf die Eigenverantwortlichkeit der Hersteller bei deren Vergabe. Jeder Hersteller legt nämlich selbst fest, welche Werte seine Reifen auf dem EU-Reifenlabel zeigen. Zwar erfolgt die Ermittlung dieser Werte nach klaren Vorgaben und in einem von der EU exakt definierten Rahmen. Doch der Umstand, dass bislang nicht festgelegt ist, wie und von wem Verstöße geahndet werden können und sollen, wird von verschiedenen Seiten kritisch bewertet.

Erste Beispiele, bei denen Reifenhersteller auf den Druck von Medien oder den Dachverband der europäischen Reifenhersteller ETRMA hin Labelwerte korrigieren mussten, zeigen deutlich, dass eine missbräuchliche Verwendung nicht auszuschließen ist.

So bleibt letztlich die Erkenntnis, dass bei der Wahl neuer Reifen auf keinen Fall nur das EU-Reifenlabel berücksichtigt werden sollte. Insbesondere kann die neue Kennzeichnung die Ergebnisse der umfassenden Reifentests führender Automagazine und -clubs sowie Verbraucherschutzorganisationen nicht als Entscheidungsgrundlage ersetzen, die regelmäßig zum Umrüstgeschäft veröffentlicht werden. Immerhin werden darin nicht nur drei, sondern bis zu 16 Einzelkriterien abgeprüft. Dass dies auch von Endverbrauchern so gesehen wird, bestätigt eine Umfrage, die Continental 2012 unter gut 1.000 Nutzern der Internetplattform "motor-talk" durchführte. Darin hielten 93,5 Prozent der Befragten die Tests der Fachpresse auch weiterhin für die wichtigste Informationsquelle.

Auch ein Blick auf die von Automobilherstellern in der Erstausrüstung verbauten Produkte kann hilfreich sein. Schließlich nutzen diese ausschließlich Reifen, die höchsten Qualitätsstandards genügen und einen aufwändigen Freigabeprozess durchlaufen haben. Nicht zuletzt können Händlerempfehlungen und Herstellerinformationen weitere Anhaltspunkte für die individuelle Reifenwahl liefern

Weitere Informationen zum EU-Reifenlabel finden Sie unter www.reifen-label.de

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