- Fahrerassistenzsysteme zur sicheren Quer- und Längsführung in komplexen, innerstädtischen Szenarien sollen die Anzahl der Verkehrsunfälle reduzieren.
- Fahrzeugvernetzung und Kommunikation mit der Infrastruktur hilft, innerstädtischen Verkehr sicherer, effizienter und komfortabler zu machen.
Der internationale Automobilzulieferer Continental präsentiert bei der heutigen Halbzeitpräsentation des Forschungsprojekts UR:BAN (Urbaner Raum: Benutzergerechte Assistenzsysteme und Netzwerkmanagement) beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) in Braunschweig neue Systeme für Fahrerassistenz und Fahrzeugvernetzung für die Stadt.
Die Systeme sollen den Fahrer im dichten Stadtverkehr zum einen unterstützen und die Sicherheit erhöhen und zum anderen vorausschauendes und umweltschonendes Fahren ermöglichen. Ziel ist es, die Zahl der Verkehrsunfälle auf innerstädtischen Straßen zu reduzieren und, wenn dies nicht möglich ist, die Unfallschwere zu mildern sowie die Verkehrseffizienz und den Fahrkomfort zu erhöhen.
Assistenzsysteme zur sicheren Quer- und Längsführung in der Stadt
In komplexen Verkehrsszenarien wie im Stadtverkehr ist es besonders anspruchsvoll, Gefahren zu erkennen und situationsgerecht zu reagieren. Um Autofahrer beim Durchfahren von Engstellen, bei Spurwechseln, im Längsverkehr und in Notsituationen zu unterstützen, werden von Continental in der Projektsäule "Kognitive Assistenz" gemeinsam mit den weiteren Automobilzulieferern und -herstellern leistungsfähige Assistenzsysteme in der Stadt erforscht und prototypisch dargestellt. "Mit der Entwicklung neuer Assistenzsysteme zur sicheren Quer- und Längsführung im innerstädtischen Straßenverkehr wollen wir den Fahrer entlasten und schwere Unfälle in Städten vermeiden", sagte Dr. Stefan Lüke, Leiter des Teilprojekts "Sichere Quer- und Längsführung" und in der Continental Division Chassis & Safety im Bereich Zukunftsentwicklung für Fahrerassistenzsysteme & Automation verantwortlich. Die vier Funktionen dieses Teilprojekts beinhalten Engstellen-, Gegenverkehrs- und Spurwechselassistenz sowie die umgebungsabhängige Geschwindigkeitsempfehlung durch haptisches Feedback.
"Die Funktionen fördern einen gleichmäßigen Verkehrsfluss, steigern die Effizienz und reduzieren die Umweltbelastung im dichten städtischen Verkehr. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, dass auch unsichere Verkehrsteilnehmer souverän und sicher ihren Weg durch den Stadtverkehr zurücklegen können." Der Schlüssel für diese Assistenzfunktionen liegt in der zuverlässigen Erkennung anderer aktiver und passiver Verkehrsteilnehmer sowie weiterer zu beachtender Objekte, einschließlich der zum Teil sehr komplexen Umgebung in Städten, wie beispielsweise Schilder, Ampeln oder parkende Fahrzeuge. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die eingesetzte Umfeldsensorik: Vier Nahbereichsradare an den Fahrzeugecken, ein nach vorne schauender Fernbereichsradar sowie eine Stereokamera erfassen und erkennen das Umfeld vor, neben und hinter dem Fahrzeug und sorgen so für eine Rundumsicht.
Der Engstellenassistent unterstützt den Fahrer beim Durchfahren enger Passagen, beim Vorbeifahren an Fahrzeugkolonnen in Nachbarfahrstreifen, an stehenden Hindernissen oder parkenden Fahrzeugen durch Lenkeingriffe, ähnlich denen eines Spurhalteassistenten. Ist die verbleibende Durchfahrbreite zu gering für das eigene Fahrzeug, wird der Fahrer frühzeitig durch ein akustisches Signal und durch Anzeigen von Symbolen im Kombiinstrument gewarnt oder bei mangelnder Reaktion sogar durch eine automatische Sicherheitsbremsung unterstützt.
Der Gegenverkehrsassistent bewertet, ob entgegenkommende Fahrzeuge beim Passieren einer Engstelle zum Problem werden könnten. Ist der Raum zu knapp, um gleichzeitig mit dem Gegenverkehr die Engstelle zu passieren, wird der Fahrer informiert, dass ein Anhalten notwendig ist.
Der Spurwechselassistent mit Rundumsicht entlastet den Fahrer auf innerstädtischen Straßen mit mehreren Fahrstreifen. Dafür ermittelt dieses System die Position des eigenen Fahrzeugs im Fahrstreifen und überwacht mit Hilfe der Umfeldsensoren den Raum um das Fahrzeug herum - auch nach hinten. Basierend auf diesen Informationen kann der Assistent feststellen, ob ein gefahrloser Spurwechsel möglich ist und diesen auf Wunsch des Fahrers assistiert durchführen. Das Ziel der Funktion ist es, das Fahrzeug harmonisch und sicher auf den Nachbarfahrstreifen zu führen. Die Lenk- und Längsführungsassistenz kann der Fahrer dabei jederzeit durch Lenken oder Bremsen überstimmen und abbrechen.
Eine umgebungsabhängige Geschwindigkeitsempfehlung soll das Fahren im gesamten Stadtverkehr sicherer und effizienter gestalten. Über Änderungen des angeforderten Motormoments und haptische Rückmeldungen am Accelerator Force Feedback Pedal (AFFP), einem aktiven Gaspedal von Continental, erhält der Fahrer direkt am Fuß eine Empfehlung, seine Geschwindigkeit eventuell zu reduzieren. Dadurch können Fahrer ihr Fahrverhalten vorausschauender planen, kritische Situationen früher erkennen und entspannter am Ziel ankommen.
Neben der sicheren Quer- und Längsführung ist Continental ebenfalls an anderen Teilprojekten beteiligt. Bei der Erforschung von Fahrerassistenzpotenzialen im urbanen Raum steht im Rahmen der Verfeinerung des Umfeldmodells die zuverlässige Erkennung von Fußgängern und Radfahrern im Vordergrund. Insbesondere zur Vermeidung von Unfällen mit Fußgängern wird an Noteingriffen mit kombiniertem Ausweichen und Bremsen gearbeitet. Der Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer gewinnt zunehmend an Bedeutung, zumal er auch in den Kriterienkatalog für den Euro NCAP-Crashtest zur Bewertung neuer Fahrzeuge mit aufgenommen wurde.
Effizienter und sicherer Stadtverkehr durch Vernetzung und Kommunikation
Dass der städtische Verkehr besser fließt, effizienter und sicherer wird, wenn Fahrzeuge mit Ampelanlagen sprechen und Informationen aus dem Internet bekommen, zeigt Continental im Projekt "Vernetztes Verkehrssystem" von UR:BAN. Bereits bei simTD, einem der bisher weltweit größten Forschungsprojekten zu Car-to-X- Technologie (C2X), wurde die Alltagstauglichkeit von C2X unter Alltagsbedingungen und die Verbesserung der Verkehrssicherheit und Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses nachgewiesen.
"Im Prinzip vernetzen wir Fahrzeuge mit intelligenter Infrastruktur. So schaffen wir einen erweiterten elektronischen Horizont, der vorausschauendes Fahren über die Sichtweite des Fahrers hinaus ermöglicht", erklärte Dr. Hongjun Pu, Projektmanager für Advanced Technologies im Continental Geschäftsbereich Infotainment & Connectivity. "Haben wir zum Beispiel Informationen über Schaltzeiten von Ampelanlagen und wissen zugleich, wo sich ein Fahrzeug bewegt, können wir vorausberechnen, in welchem Geschwindigkeitsbereich das Fahrzeug die grüne Welle erreicht."
Mit intelligenter Infrastruktur die grüne Welle reiten
Über das mobile Netz bekommt das Fahrzeug ortsbezogene Daten zu den Ampelschaltungen. Diese werden im Fahrzeug dann zusammen mit Positionsdaten, beispielsweise vom M2XPro-Modul (Motion Information to X Provider) von Continental, zu einer Geschwindigkeitsempfehlung entlang der wahrscheinlichsten Route (Most Probable Path) für die nächsten Kilometer berechnet. Continental kann so auf Basis von Daten vorhersagen, wie man im urbanen Verkehr möglichst flüssig und effizient vorankommt. Fahrzeughersteller können dieses Prinzip nutzen, um den Fahrer entweder direkt zu informieren oder beispielsweise die Längsregelung, im Einklang mit der Abstandsregelung zum Vorausfahrenden, anzupassen.
Nähert sich ein Fahrzeug dann einer Kreuzung, kommuniziert die Ampelanlage über den speziell für die Fahrzeug zu Fahrzeug und Infrastruktur Kommunikation definierten WLAN Standard ITS-G5 direkt mit dem Fahrzeug. Mithilfe dieser unmittelbaren Kommunikation erhält das Fahrzeug zuverlässige und präzise Daten der Kreuzung zu Ampelphase, Kreuzungsgeografie und -geometrie sowie geltenden Geschwindigkeitslimits über die sogenannten Nachrichtenpakete MAP (Intersection Topology) und SPaT (Signal Phase and Timing). So können auch aktuelle Ereignisse wie Notschaltungen oder ausfallende Fahrstreifen bei Baustellen an das Fahrzeug weitergegeben werden. Der Fahrer erfährt, auf welchem Fahrstreifen er sich einordnen muss und mit welcher Geschwindigkeit er noch bei Grün über die Ampel kommt oder doch bei Rot stoppen muss. "Das macht den Verkehr zum einen flüssiger, kann aber auch dafür verwendet werden, eine Segelstrategie mit Energierückgewinnung rechtzeitig vor einem unvermeidbaren Stopp einzuschalten oder die Start-Stopp Automatik kurz bevor die Ampel auf Grün schaltet für den Start des Motors vorzubereiten", erläutert Pu. "Mit der Kombination aus direkter und indirekter Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur können wir sowohl den Horizont des Fahrers mit Daten aus dem Internet erweitern, als auch unmittelbare Ereignisse an Kreuzungen in die Fahrstrategie einberechnen."