Es gab Zeiten, da war es manchem Verkehrsteilnehmer wichtiger, dass der Anzug nicht knittert, als dass er mit dem Auto sicher ans Ziel kommt. Das ist kein Scherz, das Argument der faltenfreien Kleidung wurde in den 70er Jahren mit allem Ernst in die Diskussion um den Anschnallgurt gebracht. Der Anschnallgurt war anfangs also nicht sonderlich beliebt, denn er stand dem Freiheitsgefühl, das ein eigenes Auto versprach, konträr gegenüber.
Sicherheit spielte damals nur eine Nebenrolle, der Anschnallgurt aber die Schlüsselrolle auf dem Weg zu mehr Risikobewusstsein. Zuerst wurden die Automobilhersteller 1974 verpflichtet, jeden Neuwagen mit dem heute noch üblichen Dreipunktgurt auszustatten. Angelegt hat ihn deswegen aber nur jeder zehnte Autofahrer. Das änderte sich selbst dann nur schleppend, nachdem 1976 die Anschnallpflicht eingeführt wurde. Erst als 1984 das unangeschnallte Fahren mit 40 Deutschen Mark in den Bußgeldkatalog aufgenommen wurde, stieg die Anschnallquote von 60 auf 90 Prozent.
Heutzutage sitzen fast alle Menschen in Europa angeschnallt in ihren Autos – laut Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) weit mehr als 90 Prozent der Autoinsassen. Und wer es dann doch mal vergisst, den erinnert heute ein Alarmsignal daran, den Gurt anzulegen. Auch in anderen Ländern, etwa in Nigeria, fahren die Menschen meist angeschnallt.
Der Dreipunkt-Lebensretter
Was die Unfallstatistik betrifft, brachte der Anschnallgurt endlich die Wende: Mit der Anschnallpflicht sank die Zahl der Unfalltoten um mehr als 50 Prozent. Noch deutlicher wird der lebensrettende Effekt, wenn die absoluten Zahlen betrachtet werden: Gab es in Deutschland 1971 mit mehr als 21.300 die meisten Verkehrstoten, die je in einem europäischen Land verzeichnet wurden, waren es 2010 noch knapp 4.000. Bis 2015 sank dieser Wert auf 3.300 – und das, obwohl dreimal so viele Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs waren als Anfang der 70er Jahre.
Die Erfindung des Dreipunktgurts wählte das Deutsche Patentamt 1985 daher zu Recht zu einer der acht Erfindungen, die der Menschheit in den vergangenen 100 Jahren den größten Nutzen brachten. Nicht zuletzt sorgte der Erfolg des Anschnallgurts auch dafür, das Thema Sicherheit bei Autofahrern immer mehr in das Bewusstsein zu rücken. Der Sinneswandel lässt sich schnell bei einem selbst nachprüfen: Wer unangeschnallt die Landstraße entlangbraust, empfindet nicht mehr unbedingt ein Freiheitsgefühl, sondern fühlt sich eher unsicher.
Heute ist Sicherheit für Autokäufer in den westlichen Industrienationen ein wichtiges Entscheidungskriterium. Zahlreiche Innovationen und Produkte der Automobilindustrie haben die Sicherheit auf den Straßen weiter maßgeblich erhöht. Das beginnt schon mit so einfachen Dingen wie Kopfstützen und für uns selbstverständlichen Technologien wie der Servolenkung und der Bremskraftunterstützung. Man denke nur an den Airbag, der mittlerweile zur Standard-Ausstattung gehört und um Varianten wie Seiten-, Kopf-, Thorax-, Knie-, Fuß- und Fond-Airbags erweitert wurde und sogar außen am Fahrzeug als Fußgänger-Airbag verfügbar ist. Das Antiblockiersystem hat den Bremsweg maßgeblich verkürzt und unzählige Unfälle verhindert oder zumindest abgemildert. Der Emergency Brake Assist (EBA) geht noch einen Schritt weiter: Der vorausschauende Notbremsassistent reagiert mit einer automatischen Bremsfunktion, sobald sich das eigene Fahrzeug einem vorausfahrenden gefährlich nähert und der Fahrer nicht von sich aus das Tempo reduziert. ESC-Systeme verhindern, dass ein Auto bei starken Lenkbefehlen nicht ins Schleudern gerät oder gar kippt. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen, die in der Summe und in ihrem Zusammenspiel das Autofahren trotz des wachsenden Verkehrsaufkommens immer sicherer machen.
Erste Städte ohne Unfalltote
Die Unfallstatistiken sprechen klar für den Einsatz neuer Technologien und Sicherheitssysteme. Und wenn die Anzahl an Unfällen, Schwerverletzten und Todesopfern dadurch immer weiter sinkt, ist es keine Utopie mehr, dass es in Zukunft keine Unfalltoten mehr geben könnte. Continental unterstützt daher als einer der weltweit führenden Automobilzulieferer gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern, der Politik und Verbänden die internationale Initiative „Vision Zero“.
Dass die „Vision Zero“ bereits in einigen Städten zumindest temporär schon Realität ist, zeigt der Verkehrssicherheitsreport 2015 der Prüfgesellschaft DEKRA, die die „Vision Zero“ ebenfalls unterstützt: Inzwischen gibt es in Deutschland 100 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern, die mindestens ein Jahr lang keinen einzigen Verkehrstoten zu beklagen hatten. Darunter gab es sogar sechs Städte, die über einen Zeitraum von vier Jahren keinen einzigen Verkehrstoten verzeichnen mussten: Bad Homburg, Dormagen, Hürth, Kerpen, Neustadt an der Weinstraße und Velbert. Europaweit gab es bisher 600 Städte, die ein Jahr lang ohne einen einzigen Verkehrstoten geblieben sind, immerhin 16 Städte erreichten das Vierjahresziel ohne Todesopfer auf ihren Straßen.
Die Zeichen stehen gut dafür, dass es künftig immer mehr Städte geben wird, die keine Unfalltoten auf ihren Straßen vermelden müssen. Warum sollte das nicht auch für ganze Regionen und Länder denkbar sein? Denn der Anschnallgurt war nur der Anfang einer ganzen Reihe technischer Erneuerungen, die das Autofahren sicherer machen und an deren Ende das automatisierte Fahren eine der Hauptunfallursachen vermeidet: Das menschliche Fehlverhalten.