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"Man muss einfach funktionieren"

So erlebt eine Intensiv-Pflegekraft den Corona-Alltag auf der ITS

(lifePR) (Cottbus, )
Bereits im zeitigen Frühjahr wurden am Carl-Thiem-Klinikum Cottbus intensive Vorbereitungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie getroffen. Unter anderem sind Bereiche zur ausschließlichen Behandlung von Corona-Patienten festgelegt worden. Dazu gehören aktuell die Klinik der Pulmologie im Pandemiehaus mit drei Stationen als auch zwei weitere Stationen zur Aufnahme von Verdachtspatienten. Zudem ist die gesamte Intensivstation für die erweiterte Versorgung schwerstkranker Corona-Patienten in Anspruch genommen. Der gesamte Krankenhausalltag ist umstrukturiert, um die Corona-Bereiche personell zu unterstützen. So sind zum Beispiel Pflegekräfte aus dem OP, der Palliativstation und anderen Bereichen auf der Intensivstation und der Wachstation eingesetzt. Diese Pflegekräfte machen sich in kürzester Zeit mit neuen Anforderungen und Prozessen vertraut - durch berufsgruppenübergreifende Einweisungen, Kurzschulungen und die ständige Begleitung durch erfahrene Fachkräfte. Doch trotz aller Planungen, trotz intensivster Vorbereitungen – die Situation am Carl-Thiem-Klinikum ist vor allem auch für den pflegerischen Bereich eine immense Herausforderung. Lesen Sie hier von den Eindrücken und Erlebnissen einer erfahrenen Intensivpflegekraft des CTK.
 
Sie versorgen Patienten mit Covid-19 auf der ITS, sind seit 30 Jahren Krankenschwester. Haben Sie so eine Situation schon einmal erlebt?
Die Krankheit ist sehr vielschichtig. Viele Patienten haben ein Multiorganversagen. Bei einer normalen Influenza haben wir es sonst nicht erlebt, dass es zu Lungenembolien kommt. Die Patienten können plötzlich keinen Sauerstoff mehr aufnehmen und drohen, zu ersticken. Diese besondere Form der Beatmung (High-Flow) wurde sonst auch nicht so umfassend angewendet. Diese große Anzahl an Patienten mit demselben Krankheitsbild kam so noch nicht vor und verlangt uns sehr viel ab.

Was macht die Situation für Sie so schwierig?
Die Arbeitsbelastung ist enorm, aber auch psychisch ist der Druck groß. Teilweise sind zwei Covid-Patienten in zwei unterschiedlichen Zimmern zu betreuen. Es kommt darauf an, hier gut zusammenzuarbeiten- man muss sich auf Kollegen besonders verlassen können. Beide Patienten sind sehr, sehr krank. Ich bin sehr besorgt, manchmal entsteht auch Angst wenn man sieht, wie die Patienten um Luft ringen, wie sie einen trockenen Mund haben und schnaufen und man kann ihnen nicht wirklich richtig helfen. Dazu kommt die Schutzausrüstung. Man sieht nicht richtig, die Brille beschlägt, durch die Haube hört man schlechter. Unter dem beschichteten Schutzanzug schwitzt man, meine kompletten Sachen sind nass. Wenn ich Kollegen einarbeite, muss ich viel reden und erklären. Das alles mit FFP3-Maske – das ist wie ein Dauerlauf und man bekommt selbst nicht genug Luft. Man hat zwei Paar Handschuhe an, die Hände sind ständig nass, die Nägel gehen kaputt. Das ist alles sehr belastend, aber unter den aktuellen Bedingungen trägt es zum Eigenschutz und dem Schutz Anderer bei.
 
Die Betreuung der Covid-Patienten ist sehr aufwändig. Wie versorgen Sie die Patienten genau?
Man muss Ruhe ausstrahlen, damit sich die Aufregung nicht auf die Patienten überträgt. Denn wenn man selbst unruhig ist, werden die Patienten panisch und die Luftnot wird noch schlimmer. Und ich muss dem Patienten Vertrauen geben. Die Patienten sehen ja auch ihre Angehörigen nicht mehr, sie sehen wenig Vorwärtskommen, das zermürbt sie. Sie liegen oft wochenlang hier. Die Zimmer müssen zu bleiben, die Patienten sind oft alleine und sie sehen uns nur in der Schutzkleidung. Ich kann meine Patienten nicht mal anlächeln. Das ist furchtbar.
Wenn die Ärzte einschätzen, wir müssen die Patienten intubiert beatmen, können Sie vorher nochmal zu Hause anrufen, mit ihren Angehörigen sprechen. Das zu erleben, ist hart. Manchmal ist dafür aber auch keine Zeit mehr, weil die Patienten sonst ersticken.
 
Wie halten Sie das alles aus?
Es ist für viele schwierig- man muss ja in so einer Zeit einfach funktionieren. Ich kann für mich nicht sagen, der Moment ist am schlimmsten oder der. Morgen geht es ja wieder genau so weiter und da hat man einfach keine Zeit, an gestern zu denken. Man muss für sich sichern, den nötigen emotionalen Abstand zu haben. Aber das ist im Moment sehr schwierig. Wir haben auch die Möglichkeit, einen Seelsorger zu kontaktieren oder wir besprechen uns im Team. Was mich zusätzlich belastet ist, dass wir jetzt „unsere“ normalen Intensiv-Patienten ohne Covid-Erkrankung nicht mehr selbst versorgen können. Die Versorgung findet auf der erweiterten Wachstation statt. Das Personal ist ja strikt getrennt. Man kann hier nicht wie sonst nicht aushelfen und fühlt sich machtlos. Da muss ich aufpassen, dass dies nicht zu sehr belastet.
 
Was denken Sie, wenn Sie sehen, es gibt immer noch Demos gegen die Corona-Bestimmungen, gegen Masken…
Man kann die Leute trauriger Weise nicht belehren. Man wird eh nicht ernst genommen. Im schlimmsten Fall wird man noch beschimpft, wenn man jemanden beim Einkaufen darauf hinweist, dass er die Maske nicht korrekt trägt. Man war anfangs wütend. Man resigniert. Da prallen wirklich Welten aufeinander. Wir hier auf der ITS und den anderen Bereichen gehen in so noch nicht erlebte tägliche Anforderungen und draußen rammeln die Leute zum Glühweintrinken, ohne Abstand, ohne Maske. Dafür habe ich kein Verständnis. Klar sind viele unserer Covid-Patienten älter und haben Vorerkrankungen. Aber hier liegen auch 45-Jährige mit Covid-19 auf der ist und wir dürfen nicht vergessen, dass auch die anderen Patienten Anspruch auf eine ordentliche Behandlung und Pflege haben.
 
Um die Pflegekräfte zu entlasten, hat das CTK Ende der vergangenen Woche einen Hilfeaufruf gestartet – gesucht werden erfahrene Pflegekräfte. Über 40 Freiwillige haben sich bislang gemeldet.

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