Etwas getrübt wird die Euphorie jedoch durch die Bilanz, die Landesinnungsmeister Hans-Peter Kistenberger (Bruchsal) in seiner Eröffnungsrede zieht: Das Klima war im vergangenen Jahr nicht unbedingt durchgehend prima.
„Ein sonniger Sommer und Herbst erfreut die Winzer, kommt dazu noch ein milder Winter freut sich der Dachdecker eigentlich mit ihnen. Denn es kann fast durchgearbeitet werden“, so die positive Seite aus Kistenbergers Sicht. „Eine längere Arbeitssaison bedeutet aber auch, mehr Aufträge zu akquirieren. Und mehr Aufträge setzen dann auch mehr Fachkräfte voraus“. Drei von vier Innungsbetrieben melden einen gleichbleibenden oder sogar gestiegenen Auftragsbestand.
Auch wenn dieser Sprung in die Zukunft gelungen ist, wie der Anstieg der Beschäftigtenzahlen um 1% auf bis zu 5.014 gewerblichen Mitarbeiter in den 842 Dachdeckerbetrieben des Landes zeigt: Der Fachkräftemangel zeichnet sich immer deutlicher ab. „Abitur um jeden Preis anstatt Handwerksausbildung mit gutem Einkommen ist leider nach wie vor der Trend in den Elternhäusern“, bedauert Hans-Peter Kistenberger. Ob das Potential der Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter hier eine Lösung darstellt, bleibt offen. Nach den aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist jeder Zweite Analphabet, vier von fünf dieser Flüchtlinge verfügen über keinerlei berufliche Qualifikation.
„Was wir nach einem Einbruch der Lehrlingszahlen in 2014 hier und jetzt dringend – und nicht erst in 3-5 Jahren - brauchen, sind die Fachkräfte von morgen, die wir jetzt ausbilden wollen“, so der Landesinnungsmeister. Und sein Ruf scheint auf Gehör gestoßen zu sein. Wieder steigende Lehrlingszahlen sind für Kistenberger ein Zeichen, dass gerade das Dachdeckerhandwerk mit seiner Zukunftssicherheit an Attraktivität deutlich hinzugewonnen hat.
Das gegen Null tendierende „Zinsklima“ hat zwar in der Vergangenheit die Investitionsbereitschaft in die bleibenden und steigenden Werte der Immobilien begünstigt. Nach wie vor nimmt die energetische Optimierung von Gebäuden einen hohen Stellenwert bei den Auftragsbeständen der Dachdecker ein. Der milde Winter und historisch niedrige Energiepreise traten aber hier auf die Bremse. „Warum dämmen, wenn es im Winter nicht kalt wird und Öl billig ist?“ stellen viele Hausbesitzer die Frage. „Warum nicht dämmen, denn das trägt auch zum Wärmeschutz in den immer heißeren Sommermonaten bei“, heißt Kistenbergers Antwort auf die Einstellung vieler Hausbesitzer, die sich mit einem Verzicht auf die energetische Optimierung eher ein Eigentor leisten. Denn optimierte Gebäude sind im Wert steigende Gebäude – ob bei Vermietung, bei Selbstnutzung oder im Hinblick auf einen späteren Verkauf.
Nach seiner Auffassung wirken allerdings die immer höheren Auflagen der zum Jahresbeginn erneut verschärften Energie-Einsparverordnung EnEV als Bremsklotz. „Immer mehr zu investieren, um immer weniger zu sparen, ist leider in den Augen mancher Immobilienbesitzer kein vernünftiges Argument mehr für das Angebot einer energetischen Gebäudeoptimierung“. Nach Ansicht Kistenbergers sollte hier aber langfristiger gedacht werden. Dabei würde als weiterer Anschub auch eine erweiterte steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen helfen, appelliert er an die Politik.
So wird auch die Frage „Dachsanierung nach KfW – Fluch oder Segen für Dachdecker?“ zum Titel für den Fachkongress am Freitag, 22. April im Palais Prinz Carl in Heidelberg.
Der zweitägige Landesverbandstag des Dachdeckerhandwerks Baden-Württemberg wird am Samstag, 23. April mit der Öffentlichen Tagung und Grußworten u. a. von Theresia Bauer, MdL, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Hans-Jürgen Heiß, Bürgermeister Stadt Heidelberg und André Büschkes, Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks ZVDH aus Köln fortgesetzt.