Wie kaum ein anderes Gewerk ist das Dachdeckerhandwerk vom Klima tangiert, betonte Landesinnungsmeister Hans-Peter Kistenberger (Bruchsal) in seiner Ansprache zur Öffentlichen Tagung am Samstag, den 10. Mai in der Festkelter in Metzingen. Nicht nur bei Unwettern wie dem Hagelsturm, der Metzingen im vergangenen Jahr heimgesucht und dort nach Expertenschätzungen fast 1,2 Mrd. € an Schäden verursacht hat. Auch die energetische Sanierung ist inzwischen zu einer der Hauptgeschäftsfelder des Dachdeckerhandwerks geworden. Und das, obwohl die derzeitige energetische Sanierungsrate von 0,8% des Gebäudebestandes nach den Plänen der Bundesregierung auf 3% ansteigen soll.
Von dem Trend "weg von der Aktie - hin zur Immobilie" profitiert auch das Dachdeckerhandwerk: Die Zahl der Baugenehmigungen im Neubaubereich ist in Baden-Württemberg in 2013 gegenüber dem Vorjahr um 3% gestiegen. Das Dachdeckerhandwerk konnte die Zahl seiner Arbeitsplätze landesweit um 2,6% auf 4.900 Arbeitsplätze steigern. Die Bruttolohnsumme ist um 2,1% auf fast 129 Mio. € angewachsen. Und auch die Zahl der Dachdeckerbetriebe hat um 1,4% auf nunmehr 725 Betriebe zugelegt. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Mitglied in einer der zehn regionalen baden-württembergischen Dachdecker-Innungen. Nach einer aktuellen Konjunkturumfrage beurteilen daher auch rund neun von zehn Dachdecker-Innungsbetriebe ihre wirtschaftliche Lage als "sehr gut", "gut" oder "befriedigend" (ZVDH-Konjunkturbefragung 4-2013).
Auch die Fachvorträge am Freitag, 09. Mai, stehen ganz im Zeichen des Klimawandels. Nach einem Referat über Hagelflieger stellt der Journalist Dr. Franz Alt die "Auswirkungen des Klimawandels" aus seiner Sicht vor.
Landesinnungsmeister Kistenberger betont aber auch, dass die Anforderungen an das Dachdeckerhandwerk damit weiter gestiegen sind. Schon lange geht es in diesem Beruf nicht mehr ums "Ziegelauflegen", sondern um eine komplette Optimierung der gesamten Gebäudehülle. Dazu gehört auch der weiter steigende Einsatz von Solartechnik zur Energiegewinnung bis zur Realisierung von Dachbegrünungen als "Null-Energie-Klimaanlagen" für Gebäude.
Um dennoch auch lernschwächeren Jugendlichen den Einstieg in dieses Handwerk mit Zukunft zu ermöglichen, startet der Landesinnungsverband am Verbandssitz in Karlsruhe ein Pilotprojekt für die Ausbildung zum "Fachwerker im Dachdeckerhandwerk", das besonders Menschen mit einer Lernbehinderung den Aufstieg zum motivierten Handwerksausübenden ermöglichen soll. Damit soll auch der Nachwuchsmangel in diesem Gewerk wenigstens teilweise kompensiert werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Landesverbänden konnte Baden-Württemberg bei der Zahl der Neueinsteiger ins Dachdeckerhandwerk im Jahr 2013 sogar um 4,3% zulegen. Dennoch sank die Gesamtzahl der Auszubildenden um fast 7% auf aktuell 386 Lehrlinge.
Um die finanzielle Belastung der kommenden Dachdecker-Generationen in Grenzen zu halten, erteilt Kistenberger daher einer pauschalen Rente mit 63 eine klare Absage. Das abschlagsfreie Renteneintrittsalter müsse sich vielmehr an der körperlichen Belastung der Versicherten orientieren.
Um bei Unwettern wie in Metzingen den geschädigten schnell und unbürokratisch Hilfe zuteilwerden zu lassen, hat der Landesverband das seit zwei Jahren bestehende Abkommen mit der SV Sparkassenversicherung um ein weiteres Jahr verlängert. Im Rahmen dieser Vereinbarung konnten Hagelgeschädigten unkompliziert geholfen und das Schadensmanagement insgesamt optimiert werden. Unterstützt wurden die Dachdecker der Region und aus Baden-Württemberg dabei in einer beispiellosen Hilfsaktion von Dachdeckerbetrieben aus dem gesamten Bundesgebiet.
Angesichts der permanent steigenden Anforderungen an Ausbildung, Beruf und Qualitätserwartungen der Kunden sieht Hans-Peter Kistenberger die von der EU-Kommission entfachte Diskussion um Abschaffung der Meisterausbildung sehr kritisch. Mit einer "Aufweichung" der Mindestan-forderung an den Beruf des Dachdeckers würde auch das duale Ausbildungssystem der Vergangenheit angehören. Für Kistenberger völlig unverständlich, da im Koalitionsvertrag von 27.11.2013 ausdrücklich darauf hingewiesen wird: "Wir wollen - unter Einbeziehung der Kammerorganisationen - außerdem anderen Mitgliedstaaten bei der Einführung des erfolgreichen deutschen Systems der dualen Ausbildung einschließlich des Großen Befähigungsnachweises behilflich sein ...". Nur einen Trost hat er: "Selbst wenn der Meisterbrief nur noch eine freiwillige Zusatzqualifikation wäre, bleibt er für unsere Kunden ein bewährtes Erkennungsmerkmal für Qualität".
"Weitaus wichtiger als das Ausmalen von Schreckensszenarien durch unqualifizierte Handwerker aus Osteuropa ist es, die Schattenwirtschaft in Deutschland durch eine Ausweitung der Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen und eine gezielte Förderung von energetischer Gebäudeoptimierung auszutrocknen", so der Landesinnungsmeister.