Die Kalkgruben von Mønsted, Daugbjerg und Thingbæk, die alle zur Besichtigung offen stehen, sind die einzigen drei Orte in Dänemark, an denen - wenn es auch lange her ist -echter Bergbau betrieben wurde. Zwischen Daugbjerg und Mønsted, ganz in der Nähe von Jütlands alter Hauptstadt Viborg, liegt der Kalk dicht unter der Erdoberfläche, und wahrscheinlich wurde hier schon seit der Zeit um 1100, als die ersten Dorfkirchen in Dänemark gebaut wurden, danach gegraben.
Historische Quellen belegen, dass in Mønsted und Daugbjerg allerdings erst Mitte des 18. Jahrhunderts Kalkabbau in größerem Umfang betrieben wurde. Die Bauern der Gegend legten dafür zunächst einen kegelförmigen Schacht zur Kalkschicht hinunter an, von dem aus sie mehrere Stollengänge in den Kalk trieben. Die Männer brachen den Kalk, den die Frauen dann in einem vor den Bauch getragenen Trog ins Freie schafften. War man mit den Stollen bereits tiefer in den Kalk vorgedrungen, bildeten die Frauen Ketten, so dass jede nur zirka 30 Schritte mit der schweren Last gehen musste.
Der gebrochene Kalk wurde zum Brennen in einen aus großen Feldsteinen gemauerten Ofen gebracht. Bis zu 300 Tonnen gelöschten Kalks entstanden bei jedem Brennvorgang, der in der Regel vier Tage - von Dienstag bis Samstag - dauerte. Als Brennmaterial diente Heidekraut, von dem jedes Mal 70 bis 80 Fuhren verfeuert wurden. Sonntags kühlte der Ofen ab, und montags wurde der Kalk auf Wagen verladen. In den Nächten, in denen gebrannt wurde, herrschte rund um den Ofen festlicher Trubel. Die jungen Leute der Gegend trafen sich zu Gesang und Tanz - meist bis in die frühen Morgenstunden hinein.
Jede Bauernfamilie hatte ihren eigenen Schacht hinunter zu den Minen, und nach und nach entstand ein enormes, fast verworrenes Netz von Gängen, die manchmal sogar an die der Nachbarn heranreichten. Es war eine Kunst, sich in dem Stollenlabyrinth zurecht zu finden - und für die, die es konnten, war es ein ideales Versteck. Dort hinunter wagte sich die Obrigkeit nicht - zum einen, weil es so finster war, dass man nicht die Hand vor Augen sehen konnte, und zum anderen, weil man sich mit Sicherheit unter Tage verlaufen hätte.
Dies wussten die zweifelhaften Existenzen jener Zeit auszunutzen. Die Geächteten waren „oben“ nicht willkommen, aber dort unten fanden sie eine Freistatt. Der berühmteste von ihnen war Jens Langkniv.
„Die Geschichte von Jens Langkniv (Langkniv bedeutet „langes Messer“) nimmt im Grunde schon 1574 ihren Anfang, als ein ungarischer Zigeuner durch Deutschland und weiter hinauf nach Jütland wanderte, wo er in Daugbjerg die schöne Müllertochter traf und sich verliebte. Sie bekamen einen Sohn und nannten ihn Jens“, erzählt Åge Christensen, der mit seinem Engagement die Kalkgruben von Daugbjerg zu einer echten Attraktion in Nordjütland gemacht hat.
„Der Junge wuchs zu einem gutaussehenden jungen Mann heran, mit schwarzem Haar und dunklen Augen wie sein Vater. Aber er hatte es faustdick hinter den Ohren, was am Ende dazu führte, dass er geächtet wurde, weil er das Leben des Vogts von Daugbjerg auf dem Gewissen hatte. So ging er im wahrsten Sinne des Wortes in den Untergrund und lebte 22 Jahre lang in einer der Höhlen in den Kalkgruben, die auch heute noch zu besichtigen ist.
Jens war immer dabei, wenn beim Kalkbrennfest am Dybdal-Ofen reichlich Bier und Schnaps flossen. Er war ein guter Tänzer, und die Frauen von Daugbjerg waren ganz wild nach ihm. Auch die rothaarige Frau des Pfarrers, Claudine, konnte ihm nicht widerstehen. Sie war 30, schön und heißblütig, und um die Wahrheit zu sagen, war mit ihrem Mann zu Hause auf dem Pfarrhof nicht sonderlich viel los, wenn es an der Zeit war, ins Bett zu gehen.
Zu einem der Feste am Brennofen kam auch Claudine, und als ihre Augen auf den schönen Jens fielen, zögerte sie nicht lange: Sie bat ihm Bier, Schnaps und Essen aus ihrem Korb an - und als der Schnaps die Kehlen hinunterfloss, stiegen die Säfte. Jens tanzte am wildesten von allen und führte die ganze Meute zur Kirche von Daugbjerg, wo der Tanz weiterging. Die Nacht endete damit, dass Claudine mit ihm in seine Höhle in den Kalkgruben ging und dort drei Tage und drei Nächte blieb. Die beiden setzten ihr Verhältnis fort, und als der Pfarrer die beiden eines Tages auf dem Pfarrhof überraschte, entführte Jens ganz einfach Claudine in sein unterirdisches Liebesnest. Später sollte es Claudine noch schlecht ergehen, aber das ist eine andere Geschichte.“
Lange Zeit war es still geworden in den Kalkgruben von Mønsted, Daugbjerg und Thingbæk. Seit mehreren Jahren besuchen Sommer-Touristen die Stollen. Kleine ökologische Meiereien benutzen die Stollen ganzjährig, um dort ihren besonderen Höhlenkäse zu lagern. Ungefähr 7.000 Fledermäuse überwintern in den Gruben von Daugbjerg, jeweils über 5.000 Fledermäuse sind es in Mønsted und Thingbæk. Im Frühjahr und im Sommer fliegen sie des Nachts über die Wiesen und jagen Insekten, um sich eine Fettschicht anzufressen. Hunderte von Fledermäusen bilden gemeinsame „Sommerkolonien“, in denen sie ihre Jungen gebären. Im Laufe des Augusts kehren die Fledermäuse wieder in die Kalkgruben zurück um sich zu paaren, bevor sie Winterschlaf halten.
In den ersten Wintermonaten verstecken sich die meisten Fledermäuse in losem Kalk oder in Spalten. Wenn sich der Frühling nähert, fliegen sie schon mal ab und zu aus den Gruben, um zu sehen, ob noch Winter ist. Nach und nach hängen dann alle Fledermäuse zum Schlafen an den Wänden und Decken und warten darauf, dass der Frühling beginnt. Fledermäuse zählen in Dänemark zu den bedrohten Tierarten und dürfen deshalb vor allem während der Paarungs- und Flugzeit nicht gestört werden. Aus diesem Grund sind die Kalkgruben von Mitte März bis Mitte Mai und vom 1. September bis zum 31. Oktober in der Abend- und Nachtzeit für Besucher gesperrt.