Das Interview mit Dipl.-Holzbauing. Guido Kuphal (GK) führte Achim Zielke (AZ), Baufachjournalist aus Bad Honnef in Nordrhein-Westfalen.
AZ: Herr Kuphal, als WDVS-Anbieter verfügt INTHERMO mit rund 25.000 erfolgreich abgeschlossenen Bauvorhaben über einen beachtlichen Erfahrungsschatz; im VHD sind zudem die führenden Hersteller von Holzfaserdämmstoffen organisiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage: Welche rechtlichen Aspekte müssen Verarbeiter kennen und beachten, um WDV-Systeme nach allen Regeln der Baukunst zu montieren?
GK: Grundsätzlich müssen Wärmedämmverbundsysteme, die als komplexe Bauprodukte stets aus mehreren Komponenten bestehen, in Deutschland über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung verfügen; sie umfasst die zulässigen Bestandteile und beschreibt die technischen Eigenschaften des jeweiligen WDVS. Die Urkunde wird vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) verliehen, wenn alle notwendigen Tests erfolgreich bestanden wurden.
AZ: Immer wieder ist zu hören, dass die gängigen Prüfverfahren an WDV-Systeme besonders hohe Qualitätsanforderungen stellen. Ist das wirklich nötig?
GK: Eine Gefährdung für Leib und Leben, die von komplexen Bauprodukten bei unsachgemäßer Ausführung oder Verwendung falscher Komponenten ausgehen könnte, soll nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden. Deshalb sind strenge Prüfverfahren meiner Meinung nach sinnvoll und erforderlich. Über die bauaufsichtliche Zulassung des WDV-Systems hinaus besteht zudem die Pflicht, alle wesentlichen Bestandteile regelmäßigen Fremdüberwachungen durch unabhängige Stellen zu unterziehen. Nur wenn die Kriterien der Überwachungen lückenlos erfüllt sind, wird dies mit dem Übereinstimmungsnachweis (Ü-Zeichen) besiegelt.
AZ: Die Zulassung beschreibt also die Elemente und bauphysikalischen Eigenschaften eines WDVS, während das Übereinstimmungszertifikat der praktische Nachweis dafür ist, dass die Systemkomponenten tatsächlich die in der Zulassung angegebene Qualität besitzen. Was heißt das für die Verarbeiter konkret?
GK: Das bedeutet, dass legales Bauen erst dann gegeben ist, wenn alle in der Zulassung aufgeführten Produkte bzw. Komponenten als zusammengehörige Bestandteile eines Systems verwendet werden. Bei INTHERMO Wärmedämmverbundsystemen beispielsweise gehören die Dämmplatten aus natürlichen Holzfasern, die Befestigungsmittel, die Armierungsmasse, das Gewebe, der Oberputz und vieles mehr dazu. Grundsätzlich ist jeder Verarbeiterbetrieb gut beraten, alle Komponenten eines WDV-Systems aus einer Hand zu beziehen. Das vermittelt ihm die nötige Sicherheit, baurechtlich einwandfrei zu handeln. Auch der Kunde bzw. Auftraggeber profitiert davon, wenn alle Elemente auf Anhieb zueinander passen und es bei der Montage keinerlei Probleme gibt.
AZ: Was aber, wenn ein Verarbeiter die Dämmplatte des Herstellers X einfach mit dem Putz des Anbieters Y kombiniert?
GK: Die Verwendung eines oder mehrerer systemfremder Produkte innerhalb eines WDVS kann in Deutschland weitreichende Folgen haben: Das betreffende WDVS wäre aus baurechtlicher Sicht erstens nicht mehr zugelassen, also illegal errichtet. Zweitens würde automatisch auch die Gewährleistungspflicht des Zulassungsinhabers erlöschen. Drittens hätte der ausführende Betrieb mindestens fahrlässig gehandelt und müsste im Falle einer Reklamation für die Mängelbeseitigung komplett selbst geradestehen.
Bei großen Gebäuden mit entsprechend dimensionierten Außenflächen könnte es unter Umständen auch bei berechtigten Beanstandungen vorkommen, dass die Reklamationskosten am Bauherrn hängen bleiben, wenn die Summen die Finanzkraft kleiner Handwerksbetriebe übersteigen. Dann bliebe der Bauherr zwangsläufig auch auf seinem Schaden sitzen, weshalb es gleichermaßen im Interesse jedes Bauhandwerkers und seines Auftraggebers liegt, auf eine korrekte Ausführung der Dämm- und Putzarbeiten in vollkommener Übereinstimmung mit der jeweiligen WDVS-Zulassung zu achten.
AZ: Woran ist Materialmix bei WDV-Systemen zu erkennen?
GK: WDVS-Verarbeiter bekommen die Verwendung nicht zulassungskonformer Produkte in aller Deutlichkeit zu spüren, sobald es ernsthafte Probleme gibt. Reklamationen enttäuschter Kunden oder Architekten gehen zumeist Verarbeitungsfehler oder Kombinationen von Einzelkomponenten voraus, die miteinander nicht harmonieren bzw. untereinander keinen ausreichenden Verbund bilden können. Wenn sich etwa Putz und Platte nicht vertragen und es zu unschönen Rissen oder Verfärbungen und Abzeichnungen an der Fassadenoberfläche kommt, ist guter Rat tatsächlich teuer…
AZ: Wie wird bei offenkundigen Mängeln verfahren?
GK: Wenn ausschließlich zulassungskonforme Komponenten verwendet und alle Verarbeitungsvorschriften des Zulassungsinhabers eingehalten wurden, kommt für die Beseitigung berechtigt gerügter Mängel der Produkthersteller bzw. WDVS-Anbieter auf. Sollten handwerkliche Fehler vorliegen, hat nach dem Verursacherprinzip der Verarbeiter dafür einzustehen.
Zur Klärung werden die ausführenden Handwerker und die Produkthersteller auf die Baustelle zitiert, um im Angesicht des Schadens nach der Ursache bzw. dem Schuldigen zu suchen. Das Kind ist zu diesem Zeitpunkt allerdings schon in den Brunnen gefallen, was für alle Beteiligten mehr als ärgerlich ist: Der Bauherr muss unter Umständen mit dem Bauschaden leben, wenn eine Nachbesserung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist. Selbst Preisnachlässe sind dann nur ein schwacher Trost. Schlimmer noch trifft es den Verarbeiter, dessen guter Ruf erheblich leidet. Zudem bleibt an ihm die Beseitigung des Schadens hängen, da den Zulassungsinhaber regelmäßig nur dann eine Gewährleistungspflicht trifft, wenn der Verarbeiter nachweislich ausnahmslos die in der Zulassung aufgeführten Systemkomponenten verwendet hat.
AZ: Bevor man mit der Montage loslegt, empfiehlt sich also ein vertiefter Blick in die Zulassung des WDV-Systems. Was genau wird darin geregelt und was nicht?
GK: In einer WDVS-Zulassung werden alle Produkte geregelt, die in einem System zur Anwendung kommen müssen bzw. können. Dabei kann eine Zulassung durchaus Alternativen beinhalten, unterschiedliche Putzkörnungen zum Beispiel. Die zulässigen Variationen kann der Verarbeiter nutzen, um seinem Kunden verschiedene Möglichkeiten der Ausführung anzubieten. Alle wählbaren Bestandteile des WDVS müssen aber in der Zulassung ausdrücklich aufgeführt sein; daran führt kein Weg vorbei!
Bauübliche Spezialdetails wie Anschlüsse an Fenster- und Sockelbereiche usw. werden von WDVS-Zulassungen hingegen nicht erfasst. Hierfür müssen Vorgehensweisen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik genügen. Oder der Verarbeiter wendet sich an den Hersteller bzw. Systemanbieter, um gemeinsam die passende Detaillösung zu finden. Insofern ist die Zulassung, die vor allem auf die Verwendung der richtigen Produkte zielt, die eine Seite der Medaille, die andere bildet die korrekte handwerkliche Ausführung der Montage am Objekt. Bei WDV-Systemen ist insofern Teamarbeit gefragt.
AZ: Welche Reklamationen kommen in der Praxis häufig vor und wie kann Ihnen der Verarbeiter schon im Vorfeld begegnen?
GK: Bekannte Schadensbilder sind beispielsweise das Abplatzen von Oberputzen, die nicht systemkonform appliziert wurden, ferner das Eindringen von Feuchtigkeit an schwierigen Detailstellen wie etwa Fensterbankanschlüssen. Ungenügender Schutz des WDV-Systems im Spritzwasserbereich der Fassade gilt ebenfalls als häufige Ursache für den Eintrag von Feuchtigkeit in die Außenwandkonstruktion.
Der Verarbeiter kann solchen Schäden entgegenwirken, indem er zum einen nur systemkonforme Produkte verarbeitet und zum anderen die Verarbeitungshinweise des WDVS-Anbieters genauestens beachtet. Empfehlenswert ist auch, vor Beginn der Arbeiten Kontakt mit dem Zulassungsinhaber aufzunehmen, um schwierige Ausführungsdetails zu erörtern. Spätere Probleme und Reklamationen können dadurch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
AZ: Unterscheiden sich Holzfaser-WDVS hinsichtlich der Reklamationshäufigkeit signifikant von Polystyrol-WDVS?
GK: Grundsätzlich gibt es bei beiden Ausführungen Vor- und Nachteile. Ebenso bergen beide Alternativen vergleichbare Problematiken und Fehlerquellen: Polystyrol zum Beispiel ist zwar weniger anfällig für Feuchte, die sich durch kleine Löcher im Putz und andere mechanische Beschädigungen der Umhüllung ihren Weg in die Außenwände bahnt; allerdings treten Feuchteschäden durch Leckagen im Polystyrol-WDVS erfahrungsgemäß erst wesentlich später vollumfänglich zu Tage. Bei Wärmedämmverbundsystemen auf Holzfaserbasis hingegen treten durch unplanmäßige Feuchteeintritte relativ schnell Symptome auf, die aber frühzeitig zu erkennen sind und unverzüglich nachgebessert werden sollten. Hinsichtlich mechanischer Beschädigungen verhalten sich Wärmedämmverbundsysteme auf Holzfasserbasis sehr robust und weisen daher eine erhöhte Widerstandskraft auf.
AZ: Anbieter von WDV-Systemen müssen ihre Verarbeiter von Rechts wegen regelmäßig und umfassend schulen. Gibt es dafür allgemeinverbindliche Inhalte oder so etwas wie einen standardisierten Lehrplan?
GK: Die Schulungsverpflichtung ist Gegenstand der bauaufsichtlichen Zulassung. Danach muss jeder WDVS-Anbieter seine Verarbeiter auf alle wichtigen Details hinweisen und das erforderliche Anwenderwissen in geeigneter Weise vermitteln. Brancheneinheitliche Standards oder Lehrpläne gibt es dafür bislang nicht. So genannte Zertifizierungsschulungen haben sich aber als praxisgerecht erwiesen. Die Verarbeiter müssen dabei einen theoretischen und einen praktischen Schulungsteil durchlaufen, wofür sie am Ende ein Zertifikat erhalten, das ihnen die aktive Teilnahme an einer Schulung zur korrekten WDVS-Applikation bescheinigt. Diese Schulungen können einen oder mehrere Tage dauern.
INTHERMO beispielsweise unterhält eine eigene Akademie, bei der in regelmäßigen Abständen unterschiedliche Inhalte in Theorie und Praxis vermittelt werden. Auf dem Programm stehen aktuell Schulungen für Verarbeiter von Wärmedämmverbundsystemen im Holzbau und im Mauerwerksbau, Verkaufstrainings für Handwerker und Holzhändler, Vorträge zu den Inhalten der neuen Energieeinsparverordnung sowie last not least eine Seminarreihe über Fördermittel, die sanierungswilligen Hauseigentümern und Bauherren bei der Finanzierung ihrer Dämmvorhaben nützlich sind. Generell zielt die INTHERMO Akademie darauf ab, die Beratungskompetenz und Verhandlungssicherheit des Handwerkers zu stärken, der sich selbst noch viel zu sehr als zupackender Praktiker denn als geschickt agierender Verkäufer und Problemlöser der Kunden sieht.
AZ: Herr Kuphal, ich danke Ihnen für das ausführliche, ausgesprochen faktenreiche Gespräch!
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