Eine Enkelin berichtet weinend am Alzheimer-Telefon, dass sie ihre 94-jährige demenzkranke Großmutter im Heim nach wie vor nur für drei Stunden pro Woche besuchen darf: „Ich bin ihre einzige Angehörige. Mit der Maske erkennt sie mich nur schwer und in den Arm nehmen darf ich sie schon seit über einem Jahr nicht mehr. – Und das, wo in der Einrichtung bereits Mitte Februar fast alle Bewohner zweimal geimpft waren!“ Solche Anrufe erreichen die DAlzG weiterhin beinahe täglich. Fast überall ist in den Pflegeeinrichtungen die zweite Impfdosis gegen Covid-19 bereits vor Wochen verabreicht worden. Das RKI weist darauf hin, dass das Risiko einer Übertragung des Corona-Virus durch vollständig geimpfte Personen zwar nicht ausgeschlossen ist. Es ist jedoch niedriger als das bei Personen mit einem negativen Schnelltest. Pflegeeinrichtungen müssen daher selbstverständlich weiterhin Maßnahmen zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner ergreifen. Aber die Möglichkeiten für Besuche und Kontakt müssen schnellstmöglich an die deutlich geringere Gefährdungssituation angepasst werden. Manche Bundesländer wie NRW, Brandenburg oder Schleswig-Holstein haben ihre entsprechenden Verordnungen bereits verändert. Unter der Voraussetzung eines negativen Corona-Tests sind dort Besuche ohne Maske wieder möglich und auch körperliche Berührungen. In anderen Ländern wie Bayern gelten nach wie vor strikte Besuchsbeschränkungen und Abstandsregeln - sogar zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern. Doch auch dort, wo auf Landesebene Besuchskontakte wieder erleichtert wurden, wird dies nicht unbedingt in allen Einrichtungen umgesetzt.
Sabine Jansen, Geschäftsführerin der DAlzG, erklärt: „Wir fordern die Gesundheitsbehörden aller Bundesländer auf, durch geeignete Maßnahmen wie eine weitere Anpassung der landesrechtlichen Vorgaben oder ausdrückliche Weisungen an die Heimaufsichtsbehörden dafür zu sorgen, dass Besuche in vollstationären Pflegeeinrichtungen – soweit kein akutes Infektionsgeschehen vorliegt - wieder ohne zeitliche Beschränkungen und Berührungsverbote möglich sind. Dass in diesem Fall geimpfte Heimbewohnerinnen und –bewohner ggf. früher als andere Bevölkerungsgruppen von bestimmten Einschränkungen befreit werden, hat auch der Deutsche Ethikrat bereits in seiner Ad-hoc-Empfehlung vom 4. Februar 2021 ausdrücklich befürwortet. Denn diese Gruppe hat durch die Pandemie wohl mit am stärksten unter Beschränkungen ihrer elementarsten Rechte gelitten.“
Hintergrund
In Deutschland leben heute etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Etwa zwei Drittel davon werden in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt. Jährlich erkranken rund 300.000 Menschen neu. Ungefähr 60 Prozent davon haben eine Demenz vom Typ Alzheimer. Die Zahl der Demenzerkrankten wird bis 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt.