Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt jedes Jahr weiter an. Ende 2022 lebten rund 4,1 Millionen Pflegebedürftige zu Hause, weitere 800.000 in Pflegeeinrichtungen. Die Pflege zu Hause übernehmen zum ganz überwiegenden Teil An- und Zugehörige, ohne sie würde das Versorgungssystem zusammenbrechen. Gerade die Pflege von Menschen mit einer Demenzerkrankung bedeutet meist einen Einsatz rund um die Uhr und ist häufig sehr belastend. „Angehörige können diese Aufgabe nicht dauerhaft ohne Unterstützung leisten“, sagt Monika Kaus, Vorsitzende der DAlzG. „Aktuell sind professionelle Pflegeangebote aber immer weniger verfügbar – seien es Plätze in der Tagespflege, der Kurzzeitpflege oder auch Hilfe bei der Körperpflege durch ambulante Pflegedienste. Deshalb wird die Unterstützung durch informelle Helferinnen und Helfer – vor allem aus der Nachbarschaft, dem Freundes- und Verwandtenkreis sowie durch freiwillig Engagierte – für die Familien notgedrungen immer wichtiger.“
Eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung wird zwar seit Jahren diskutiert, doch das Pflege-Unterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG), das vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegt wurde und am 12. Mai 2023 in erster Lesung in den Bundesrat gebracht wird, ist weit von einer solchen Reform entfernt. „Dem Entwurf fehlt eine Vision für die Gestaltung einer Pflege- und Versorgungsstruktur, die den Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer An- und Zugehörigen gerecht wird“, sagt Saskia Weiß, Geschäftsführerin der DAlzG. Angesichts des demografischen Wandels, der eine Zunahme der Pflegebedürftigen auf der einen Seite und eine Abnahme der potentiell Pflegenden auf der anderen Seite bedeutet, wäre eine solche Vision aber dringend erforderlich. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, dass die Bundesregierung ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umsetzt. Dort wurde unter anderem eine Dynamisierung des Pflegegeldes, also eine regelhafte Anpassung an die Kostenentwicklung, ab 2022 sowie die Einführung eines Budgets für bestimmte Entlastungsangebote festgeschrieben.
Nach dem aktuellen Gesetzentwurf wird nun die Dynamisierung des Pflegegeldes auf 2028 verschoben, bis dahin wird es nur prozentuale Anpassungen geben, die die Inflation der letzten Jahre nicht ausgleichen. Das Entlastungsbudget, das es pflegenden Angehörigen leichter machen würde, Unterstützung flexibel in Anspruch zu nehmen, ist ganz aus dem Entwurf gestrichen worden. Ebenso hätte die Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige zu den Mindestanforderungen gehört, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergeben.
„Sowohl beruflich Pflegende als auch Millionen pflegender Angehöriger haben anhand des Koalitionsvertrags auf eine grundlegende Verbesserung gewartet“, so Saskia Weiß. „Wir fordern daher dringend Nachbesserungen an dem aktuellen Gesetzentwurf sowie die kurzfristige Vorlage eines echten Reformpakets für eine auf die Zukunft ausgerichtete Pflegeversicherung.“
Hintergrund
In Deutschland leben heute etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Etwa zwei Drittel davon werden in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt. Jährlich erkranken rund 300.000 Menschen neu. Ungefähr 60 Prozent davon haben eine Demenz vom Typ Alzheimer. Die Zahl der Demenzerkrankten wird bis 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt.