Zukünftig forschen in Deutschland:
Dr. Andre Fischer (33), Lebenswissenschaften, European Neuroscience Institute, Göttingen Lern- und Erinnerungsprozesse sind für uns lebenswichtig. Mit dem Alter nimmt jedoch die Leistungsfähigkeit des Gehirns ab und das Risiko für Krankheiten wie Alzheimer, die unsere Gesellschaft sowohl sozial als auch wirtschaftlich zunehmend belasten, steigt. Der Deutsche Andre Fischer, der mit seinem EURYI Award aus den USA zurückkommt, hat ein Mausmodell für neurodegenerative Krankheiten entwickelt, an dem er bestimmte Prozesse dieser Krankheiten wie den Verlust von Synapsen oder Neuronen in bestimmten Gehirnregionen und seine Auswirkungen untersucht. Dabei hat er besonders die Schädigung des Langzeitgedächtnisses ins Visier genommen. Es stellte sich heraus, dass sowohl Lernen neuer Zusammenhänge als auch Erinnern ehemals alltäglicher Informationen durch Verstärkung der Histonacetylierung, einem Mechanismus der (epigenetischen) Genregulation, auch bei schweren Schädigungen des Gehirns wiederhergestellt werden kann. Andre Fischer plant mit seinem EURYI Award, die Rolle epigenetischer Mechanismen und molekularer Zusammenhänge beim Lernen und Erinnern weiter zu beleuchten. Dabei will er genetische, biochemische, pharmakologische und verhaltenswissenschaftliche Methoden kombinieren. Das Ziel seiner Forschung ist es, zur Entwicklung neuer Therapien gegen altersbedingte neurodegenerativer Krankheiten beizutragen.
Dr. Masaki Hori (34), Naturwissenschaften, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching Dem 1955 von Wolfgang Pauly aufgestellten CPT-Theorem der Teilchenphysik zufolge existiert zu unserer Welt eine „Antiwelt“. Sie besteht aus „Antimaterie“ und „Antiteilchen“ in einer genau inversen Struktur im Raum und einer rückwärtslaufenden Zeit – ist aber, weil genau „gespiegelt“, nicht unterscheidbar von unserer „realen“ Welt. Die „Antiatome“ reagieren genau auf die gleichen Schwingungen wie ihre Gegenparts, „Antiteilchen“ wiegen genau gleichviel wie reale Teilchen und haben genau die entgegengesetzte elektrische Ladung. Da die kleinste Abweichung von diesem Prinzip die Grundfesten der modernen Teilchenphysik erschüttern würde, ist es bis ins kleinste Detail zu überprüfen. Der Japaner Masaki Hori will in seinem EURYI-Projekt drei Sorten Atome erzeugen, die Antimaterie enthalten, und ihre Eigenschaften überprüfen. Für diese Experimente nutzt Hori die Möglichkeiten neuer Techniken zur Manipulation von Antipartikeln wie die erste Sub-Doppler-Zweiphotonlaser-Spektroskopie von antiprotonischen Helium-Ionen. Die Messungen ermöglichen den sehr genauen Vergleich der Massen von Protonen und Antiprotonen und geben das Verhältnis der Masse eines Antiprotons zu einem Elektron möglicherweise genauer an als das bekannte Verhältnis von Proton zu Elektron. In einem weiteren Teil des Projekts entwirft Hori eine sogenannte supraleitende Radiofrequenz-Paul-Falle. In dieser kann er Antiprotonen und Positronen einfangen und auf diese Weise „Anti-Wasserstoff“ erzeugen und dann auch untersuchen. Hori forschte bis zu seinem EURYI Award am CERN in der Schweiz.
Dr. Kai Phillip Schmidt (32), Naturwissenschaften/Theoretische Physik, Universität Dortmund
Um Phänomene in Materialien zu beschreiben, in denen Teilchen eng miteinander wechselwirken, insbesondere sogenannte Mott-Isolatoren, sind aufwendige Betrachtungen der theoretischen Vielteilchenphysik nötig. Damit befasst sich der Deutsche Kai Phillip Schmidt in seinem mit dem EURYI Award geförderten Projekt. Er hat sich vorgenommen, sowohl ultrakalte Atomgase in optischen Gittern als auch die magnetischen Anregungen in niedrigdimensionalen Antiferromagneten zu untersuchen. Dabei wird Schmidt, der vorher in Lausanne in der Schweiz arbeitete, eine Reihe von mathematischen Methoden anwenden und weiterentwickeln, wie etwa kontinuierliche unitäre Transformationen, eine neue Generation von Quanten-Monte-Carlo-Verfahren und die Keldysh-Technik zur Berechnung von zeitabhängigen Eigenschaften.
Dr. Natalie Sebanz (29), Geistes- und Sozialwissenschaften, Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig Die Österreicherin Natalie Sebanz, die aus den USA nach Deutschland kommt, versucht in ihren Forschungen die kognitiven und neuralen Mechanismen zu verstehen, die unsere Fähigkeit der Kooperation mit anderen ermöglichen. Denn gemeinsame Handlung ist ein zentraler Punkt des menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Beispiele dafür sind zwei Chirurgen, die zusammen operieren, zwei Freunde, die zusammen Möbel schleppen, zwei Pianisten, die vierhändig Klavier spielen. Sebanz rückt nun diesen Aspekt in die Kognitionswissenschaften, die Wahrnehmung, Handlung und Kognition üblicherweise nicht im sozialen Kontext und in ihrer Bedeutung für das soziale Zusammenleben betrachten. Sie bezieht sich mit ihren geplanten Studien auf Ergebnisse aus der Sozialpsychologie und den sozial-kognitiven Neurowissenschaften darüber, wie „soziale“ Information verarbeitet wird, ergänzt sie aber um die Untersuchung allgemeiner Aspekte von Wahrnehmung, Handlung und Kognition in ihrer Bedeutung für soziale Interaktionsprozesse. Somit schließt Sebanz mit ihren Arbeiten die Lücke zwischen Sozial-, Kognitions- und Neurowissenschaften im Feld der „gemeinsamen Handlung“. Diese basiert auf drei Prozessen: Die Ko-Repräsentation (der Handelnde muss sich die Handlung des Mit-Handelnden vorstellen können), die gemeinsame Aufmerksamkeit für Objekte oder Prozesse und die zeitliche Koordinierung der Handlungen aller Akteure. Um diese Abläufe zu verstehen, wird Sebanz verhaltens- und elektrophysiologische Maße erheben, bildgebende Verfahren einsetzen und Patientenstudien durchführen.