Ärzteskandal in München aufgedeckt
Ausgerechnet in diesen Zeiten der Pandemie gibt es Hinweise auf einen Ärzteskandal. Das Coronavirus fordert zehntausende Menschenleben. Zum Schutz der Volksgesundheit werden von der gesamten Gesellschaft große Opfer abverlangt, auch solche, die tief in unsere Grundrechte eingreifen. Es gibt aber leider auch Fälle, in denen diese Ausnahmesituation ausgenutzt wird, um von den Beschränkungen, denen viele Wirtschaftszweige unterliegen, auch noch zu profitieren. Noch mehr schockiert es, dass dies offenbar auch einige Ärzte betrifft, die ihre besondere Stellung und das ihnen entgegengebrachte Vertrauen missbrauchen, um gewerbliche, nichtmedizinische Dienstleistungen anzubieten, welche eigentlich unter die Lockdown Bestimmungen fallen.
So wurden jetzt in München mehrere Fälle beweiskräftig dokumentiert, in denen typische Kosmetikbehandlungen in Arztpraxen durchgeführt wurden, darunter auch das Lackieren von Fingernägeln. Dabei wurde der angeordnete Infektionsschutz umgangen, indem diese Anwendungen als „ärztliche Behandlungen“ ausgewiesen wurden. Während die Kosmetikstudios seit dem 02.11.2020 bis auf weiteres schließen müssen und um ihre Existenz bangen, übernehmen ausgerechnet Ärzte deren Geschäft und empfangen ihre Kunden mit offenen Armen – und in vollen Warteräumen.
„Wie schwer müssen unsere Zeiten sein, wenn die Münchner Schickeria ihre Kosmetikbehandlung nun beim Arzt bezieht, und das am besten noch auf Krankenschein!“ – so der entrüstete Kommentar eines konsultierten Rechtsanwalts.
Dieser Skandal wurde nun von der Deutschen Gesellschaft für EU-Konformität e.V. (DEGEUK)* aufgedeckt. In den vergangenen Wochen gingen bei der DEGEUK immer mehr Beschwerden seiner Mitglieder ein. Dabei ging es um Arztpraxen, die mitten im amtlich angeordneten Lockdown zulasten aller Betriebe des Kosmetiker-Gewerbes in Deutschland kosmetische Behandlungen ohne medizinische Indikation gewerblich anbieten und ausführen sollen.
Diese Vorwürfe stießen bei der Verbandsführung zunächst auf Unglauben. Angesichts der Häufung und Konkretisierung der Vorwürfe wurde schließlich eine Detektei beauftragt. Dies geschah ursprünglich in der Absicht, dass sich die Anschuldigungen als falsch erweisen und sich der Unmut unter den Mitgliedern besänftigt. Doch zum Entsetzen des Vorstands sicherten die Ermittler stattdessen Beweise, welche die Aussagen nicht nur bestätigten, sondern weitere Straftatbestände zu Tage förderten.
Dermatologen stehen in der Kritik
Bei drei von fünf Kontaktaufnahmen bei niedergelassenen Hautarztpraxen konnten sie mühelos kurzfristige Behandlungstermine in der Lockdown-Phase vereinbaren, und zwar auf die Anfrage nach ausdrücklich kosmetischen Behandlungen ohne jeglichen Gesundheitsbezug. Die Besuche und Behandlungen wurden umfangreich beweiskräftig dokumentiert. Während die Kosmetikstudios geschlossen bleiben müssen und die Inhaber um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen, ziehen Ärzte dieses Marktsegment an sich.
Bei den Kosmetikerinnen und Kosmetikern stößt dabei besonders auf, dass es sich in den beweisgesicherten Fällen ausgerechnet um Dermatologen handelt. Während Kosmetikerinnen und Kosmetiker gehalten sind, ihre Kunden bei Auffälligkeiten des Hautbildes an einen Dermatologen zu verweisen, sehen sie sich immer wieder in der Kritik seitens der Dermatologen. Durch die nun zu Tage tretenden Fälle wachsen die Befürchtungen, dass die Dermatologen in den Markt der gewerblichen Kosmetik vordringen möchten und dabei auch den Status ihrer Profession als Wettbewerbsvorteil nutzen.
Versuchter Abrechnungsbetrug
Es bleibt aber nicht bei einem offensichtlichen Verstoß gegen die Maßnahmen zum Infektionsschutz. Hinzu kommt, dass die Praxen Rechnungen über Arztleistungen ausstellten, die gar nicht erbracht wurden. Den Ermittlern, die sich als Kunden ausgaben, wurde zudem angeraten, die Rechnungen bei Ihrer Krankenkasse zur Kostenübernahme einzureichen. Damit werden die Kunden angestiftet, sich bei dem hier möglicherweise vorliegenden Abrechnungsbetrug zu Mittätern zu machen. Die auf diese Weise von den Krankenkassen subventionierten Kosmetikbehandlungen mögen für den Verbraucher ausgesprochen attraktiv erscheinen. Aus Sicht des Kosmetiker-Gewerbes ist das Verhalten der betroffenen Ärzte aber als Wettbewerbsverstoß einzustufen.
Angesichts der großen Zahl an Hinweisen, die von Verbandsmitgliedern aus dem gesamten Bundesgebiet bei der DEGEUK eingegangen sind, steht zu befürchten, dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt. DEGEUK informierte daraufhin sowohl die Landesärztekammer über die Verstöße gegen die ärztliche Berufsordnung als auch die kassenärztliche Vereinigung über den Verdacht des Abrechnungsbetrugs und das für die Gewerbeüberwachung zuständige Kreisverwaltungsreferat. Außerdem wurde bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen aller in Betracht kommenden Verstöße gestellt.
„Es ist wichtig, dass jetzt die richtigen Maßnahmen getroffen werden, um die hier aufgedeckten Missbräuche künftig konsequent zu unterbinden. Dabei geht es der DEGEUK nicht nur um den Schutz der Mitglieder, die durch die Pandemie wirtschaftlich im Mark getroffen sind. Auch die Ärzteschaft muss sich schützen, damit ihr guter Ruf keinen Schaden nimmt. Wenn diese Vorfälle eines zeigen, dann ist es, dass die Ärzteschaft gut daran tut, sich auf ihren medizinischen Auftrag zu konzentrieren, so wie es ihre Berufsordnung vorsieht. An Patienten mangelt es wahrlich nicht.“ So Heinz Freier, Präsident der DEGEUK.
Appell an die Politik
Die Vorfälle in München zeigen deutlich, dass die Bevölkerung nach professioneller Kosmetik sucht. Genau wie bei den Ärzten, benötigt die professionelle Kosmetik eine hygienische Umgebung mit entsprechend aufwändiger Ausrüstung und Technik sowie geschultem Personal. Schließlich geht es darum, das größte Organ des Menschen, die Haut, durch Pflege gesund zu erhalten. Diese Bedingungen findet der Kunde im professionellen Kosmetikinstitut, ähnlich wie in einer Arztpraxis. Durch den regulativen Eingriff der Politik wird ungewollt das Gesundheitssystem belastet, weil der Wunsch nach Gesunderhaltung der Haut größer ist als das abstrakte Risiko einer Ansteckung.
Es kann nicht im Interesse der Politik liegen, dringend benötigtes medizinisches Personal mit kosmetischen Dienstleistungen zu binden. Arztpraxen in der heißen Pandemiephase den Ansturm gesunder Menschen zuzumuten, die nach einer kosmetischen Weiterbehandlung nachfragen, weil das Kosmetiker-Gewerbe mit einem Behandlungsverbot belegt wird, ist der Bevölkerung nicht mehr vermittelbar. Kosmetikdienstleistungen sind systemrelevant und müssen ebenso wie die Frisördienstleistungen gleichzeitig allen Bürgern zur Verfügung stehen, sobald eine Lockerung möglich wird.