Für die Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Neurology veröffentlicht wurde, hat ein Forscherteam um Andrew Smyth von der McMaster University im kanadischen Hamilton die Daten von zwei großen Untersuchungen zur Wirkung blutdrucksenkender Medikamente neu ausgewertet.
Das Ergebnis: Die Studienteilnehmer, die sich am gesündesten ernährten, hatten ein um 24 Prozent geringeres Risiko für geistigen Abbau im Vergleich zu denen, die sich besonders ungesund ernährten. Als „gesund“ galt dabei eine Diät mit viel Obst, Gemüse, Nüssen oder Eiweiß aus Soja sowie bei tierischen Nahrungsmitteln die Formel „mehr Fisch als Fleisch“ – im Gegensatz zum Konsum von zum Beispiel viel frittiertem Essen oder Alkohol.
„Die Ergebnisse legen nahe, dass gesunde Essgewohnheiten nicht nur das Herz-Kreislauf-Risiko sondern auch das Risiko für kognitive Störungen, insbesondere bezüglich Aufmerksamkeits- und Kontrollfunktionen, aber auch von Gedächtnisstörungen, senken könnten“, erläutert Flöel. Den deutlichen Unterschied von 24 Prozent zwischen dem besten und dem schlechtesten Fünftel der Teilnehmer hält sie in dieser großen, multinationalen Studie für bemerkenswert.
Zusammenhang zwischen Essgewohnheiten und kognitiven Leistungen
Die 27.860 Teilnehmer der Studie aus 40 Ländern waren mindestens 55 Jahre alt, sie litten an Herzerkrankungen oder hatten ein hohes Risiko für die Zuckerkrankheit. Gemessen wurde die geistige Leistung anhand des Mini-Mental-Status-Test (MMST), einem Standardtest zur Diagnose von Demenz und Alzheimer. Der MMST wird als Interview durchgeführt. Anhand von festen Aufgabenkomplexen werden zentrale kognitive Funktionen überprüft, wie zeitliche und räumliche Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Sprachverständnis, Lesen, Schreiben, Zeichnen und Rechnen. In der Studie wurde der Test zu Beginn der Untersuchung und nach fünf Jahren durchgeführt. In diesem Zeitraum beobachteten die Forscher etwa bei jedem sechsten Studienteilnehmer eine Verschlechterung der kognitiven Leistungen. Diese Informationen stellten Smyth und Kollegen dann den Ergebnissen aus einer Befragung zu den Essgewohnheiten der Studienteilnehmer gegenüber.
Auch Fasten und Bewegung helfen dem Gehirn
Flöel hält es allerdings auch für möglich, dass die errechnete Risikoreduktion nicht allein auf das gesunde Essen zurückgeht, sondern auch eine Folge der verminderten Kalorienzufuhr sein könnte. Die Forscherin selbst hat die positiven Auswirkungen solch einer „kalorischen Restriktion“ bereits vor einigen Jahren am Universitätsklinikum Münster nachgewiesen. Damals konnte Flöel zeigen, dass ältere Versuchspersonen im Anschluss an eine dreimonatige verringerte Kalorienzufuhr besser lernten: Die Lernleistung stieg um 20 Prozent gegenüber der Vergleichsgruppe. Dieser Effekt beruht möglicherweise auf einem verbesserten Glukose-Stoffwechsel und einer damit verbundenen, positiven Wirkung auf insulinabhängige Stoffwechselwege im Gehirn, vermutet Flöel.
In der aktuellen Studie hatten die Forscher zwar mit statistischen Methoden mögliche Auswirkungen des Rauchens, des Körpergewichts und von sportlichen Aktivitäten herausgerechnet. Der unterschiedliche Energiegehalt der Nahrung wurde aber nicht berücksichtigt. Stattdessen ging es darum, wie viele Portionen Obst, Gemüse, Nüsse, frittiertes Essen oder Alkohol täglich konsumiert wurden, und wie das Verhältnis von Fisch zu Fleischprodukten und Eiern war.
Weiter kann die Studie nicht beantworten, welche Inhaltsstoffe der „gesunden Lebensmittel“ letztlich für die positiven Effekte verantwortlich waren. Dies wird weltweit derzeit intensiv untersucht, auch von der Arbeitsgruppe von Professor Flöel. Mögliche Substanzen sind hier Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine und Nährstoffe, die eine Kalorienrestriktion imitieren, mit positiven Auswirkungen auf den Glukose-Stoffwechsel. Hierzu gehört zum Beispiel das in Weintrauben vorkommende Resveratrol oder die für Selbstreinigungsprozesse der Zelle wichtigen Polyamine, die unter anderem in Weizenkeimlingen oder Sojabohnen enthalten sind.
Dem geistigen Abbau aus eigener Kraft entgegenwirken
Trotz dieser Einschränkungen sei die Arbeit der Kollegen ein weiterer Schritt nach vorne, lobt Flöel. Die Forschung sucht schon lange nach einem wirksamen Schutz gegen Demenz. Neben gesunder Ernährung wird körperlicher Aktivität eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Der Schlüssel liegt daher in jedem Einzelnen: „Auch wenn viele Details noch nicht geklärt sind, so scheint doch sicher, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, dem geistigen Abbau aus eigener Kraft entgegen zu wirken. Eine gesunde und maßvolle Ernährung und regelmäßige Bewegung gehören zu den präventiven und wirkungsvollen Maßnahmen, die jeder heute schon umsetzen kann“, so Flöel. Und zwar nicht erst, wenn die sich die Erkrankungen schon zeigen, wie bei den Patienten der kanadischen Studie.
Quellen
Smyth A, et al: Healthy eating and reduced risk of cognitive decline: A cohort from 40 countries. Neurology. 2015 Jun 2;84(22):2258-65
Witte AV, et al: Caloric restriction improves memory in elderly humans. Proc Natl Acad Sci U S A. 2009 Jan 27;106(4):1255-60
Witte AV, Kerti L, Margulies DS, Flöel A. Effects of resveratrol on memory performance, hippocampal functional connectivity, and glucose metabolism in healthy older adults. J Neurosci. 2014;34(23):7862-70.
Witte AV, Kerti L, Hermannstädter HM, Fiebach JB, Schreiber SJ, Schuchardt JP, Hahn A, Flöel A. Long-chain omega-3 fatty acids improve brain function and structure in older adults. Cereb Cortex. 2014;24(11):3059-68.
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Prof. Dr. med. Agnes Flöel
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