Die kanadischen Wissenschaftler verglichen 2.556 Patienten, die in eine mit verschiedenen Interferonpräparaten behandelte, eine unbehandelte und eine "historische" Vergleichsgruppe vor Einführung des Medikaments eingeteilt waren. Die Nachbeobachtungszeit betrug in etwa 5 Jahre. Genau diese rückwärtige Auswertung der Daten stellt die methodische Schwäche dar: "Schwierig ist der Vergleich mit einer Patientengruppe, die möglicherweise einen niedrigeren Entzündungs- und Behinderungsgrad aufweist. Auch der Vergleich mit der unbehandelten Kontrollgruppe ist unpräzise, da unter diesen Patienten einige sein könnten, die sich gar nicht für eine Therapie mit Interferonen eignen." In der Wissenschaft wird dann von einem sogenannten Selektionsbias gesprochen, d.h. die Ergebnisse der Studie sind aufgrund der Vorauswahl verzerrt.
Die Autoren haben versucht, diesen Bias zu begrenzen, indem Kontrollwerte wie Geschlecht, Alter, Krankheitsdauer und Behinderungsgrad in die Berechnung eingeflossen sind. "Trotzdem lässt sich aus dem Studiendesign bei mangelnden Beweisen für einen positiven Therapie-Effekt nicht im Umkehrschluss wissenschaftlich das Gegenteil ableiten", meint Professor Wiendl. Des Weiteren sei fraglich, ob die relativ kurze Nachbeobachtungszeit ausreicht, um den langfristigen Effekt des Medikaments zu beurteilen.
Auch Professor Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie gibt in diesem Zusammenhang folgendes zu bedenken: "Es ist wissenschaftlich fragwürdig, wenn Daten aus Beobachtungsstudien mit Daten aus großen und ordnungsgemäß durchgeführten randomisierten Placebo-kontrollierten Studien verglichen werden. Nicht-randomisierte Beobachtungen sind nur dort zulässig wo es keine Erkenntnisse aus randomisierten Studien gibt." Zudem hätten Langzeitstudien die Wirksamkeit von beta-Interferon eindeutig nachgewiesen, so Professor Diener.
Hinweis an die Medien: Pressekonferenz mit einem "Update Multiple Sklerose" am Freitag, den 28. September 2012, von 10.00 bis 11.00 Uhr im CCH Hamburg auf der Jahrestagung der Deutschen Ge-sellschaft für Neurologie. www.dgn.org/presse
Literatur
Shirani A et al.: Association Between Use of Interferon Beta and Progression of Disability in Patients With Relapsing-Remitting Multiple Sclerosis. JAMA, 2012, 308: 247-256
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Prof. Dr. med. Heinz Wiendl
Klinik für Neurologie - Abteilung für Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems und Neuroonkologie -
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Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zusammenzubringen, um den Austausch zwischen Forschung und Patientenversorgung zu verbessern.
Aktuell gehören dem KKNMS drei Forschungsverbünde an: CONTROLMS, UNDERSTANDMS und CHILDRENMS. Die Ge-schäftsstelle ist am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München angesiedelt.