Anders als bei den Immunprozessen während der Erkrankung ist das Verständnis über die Ätiologie der Multiplen Sklerose (MS) noch limitiert. Weitgehend unbekannt ist, wie Umweltfaktoren die Krankheit auslösen und welche Rolle sie im Verlauf der Krankheit spielen. „Was wir bisher über ätiologische Einflussfaktoren auf die MS wussten, etwa über Virusinfektionen in der Kindheit, Vitamin-D-Mangel oder die Entfernung des Geburtsortes vom Äquator, stammt zumeist aus frühen epidemiologischen Untersuchungen, die teilweise viele Jahrzehnte zurückliegen“, ordnet Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik am St. Josef-Hospital, Klinikum der Ruhr Universität Bochum, ein.
Groß angelegte internationale Kohortenstudien konnten inzwischen neue Risikofaktoren identifizieren. „Zigarettenrauchen, Übergewicht und übermäßiger Kochsalzkonsum aktivieren die Entstehung und das Wachstum von autoimmunen Entzündungszellen im Immunsystem“, so Gold. Die Kenntnis von Risikofaktoren aus der Umwelt habe unmittelbare Konsequenzen. „Über eine Einflussnahme auf die Exposition eröffnen sich neue Wege für die Prävention und gegebenenfalls sogar die Therapie.“
Darmbakterien im Visier der Ursachenforscher
Die Arbeitsgruppe um den Neuroimmunologen Professor Hartmut Wekerle hat vor wenigen Jahren erstmals beschrieben, wie Darmbakterien im Tiermodell MS auslösen. Diese Arbeit legte den Grundstein für den noch jungen, aber sich rasch entwickelnden Forschungszweig zur Rolle des Darms in der Ätiologie der MS. „Der Darm ist in vielerlei Hinsicht ein sehr wichtiges Organ“, konstatiert Gold, „bei Immungesunden ebenso wie bei Menschen mit Autoimmunkrankheiten wie der MS.“ Vor Kurzem konnte gezeigt werden, dass durch die Entfernung natürlicher Bakterien aus dem Darm eines experimentellen Modells der MS die Erkrankung völlig unterdrückt werden konnte. „Diese wichtige Erkenntnis kann natürlich nicht direkt für Therapiezwecke genutzt werden, da ein Mensch ohne bakterielle Darmflora nicht überlebensfähig wäre. Hieraus haben sich allerdings zunehmend unterschiedliche Forschungsansätze entwickelt, die aktuell untersuchen, welche Bakterien sich neutral verhalten und welche möglicherweise mit Erkrankungen wie der MS assoziiert sind“, so Gold.
Mehrere Studien konnten zeigen, dass sich das Mikrobiom bei schubförmiger MS deutlich anders zusammensetzt als bei gesunden Vergleichskontrollen. Ob diese Veränderung unter dem Einfluss chronischer Entzündungen im Körper entsteht oder sogar ein primärer Mitauslöser der MS ist, ist momentan nicht geklärt.
Literatur
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- Manouchehrinia A et al. Tobacco smoking and disability progression in multiple sclerosis: United Kingdom cohort study. Brain 2013; 136(Pt 7): 2298-304. doi: 10.1093/brain/awt139
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Prof. Dr. med. Ralf Gold
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