Hohe Sterblichkeit bei meist schwerstkranken ECLS-Patienten
„Diese Kreislaufunterstützungssysteme werden häufig als letztmögliche Therapie für den Lebenserhalt der meist schwerstkranken Herzpatienten eingesetzt. Entsprechend höher als bei anderen Patientengruppen ist auch die Sterblichkeitsrate bei ECLS-Patienten: sie liegt derzeit bei 50 Prozent“, betont der Herzchirurg Prof. Dr. med. Armin Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF). Vor diesem Hintergrund hat die DSHF die mit 59.226 Euro dotierte Dr. Rusche-Projektförderung für Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Herzchirurgie an Dr. med. Philippe Grieshaber, Oberarzt der Klinik für Herz-, Kinderherz- und Gefäßchirurgie Standort Gießen, Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM), vergeben. „Obwohl das ECLS-Verfahren immer häufiger eingesetzt wird und Herzchirurgen über sehr viel Erfahrung darüber verfügen, können derzeit nur 50 Prozent der Patienten durch diese Therapie gerettet werden“, so Dr. Grieshaber. „Wir müssen deshalb die ECLS-Versorgung unbedingt weiterentwickeln.“ Das ist auch das Ziel seiner Arbeit mit dem Titel: „Entwicklung und Evaluation eines neuartigen transapikalen Kanülierungskonzepts zur optimalen physiologischen Perfusion und kardialen Erholung bei extrakorporaler Zirkulation“. Am Herzzentrum des UKGM (Herzchirurgie/Kardiologie) kommen ECLS-Systeme 80- bis 100-mal pro Jahr zum Einsatz, im Kinderherzzentrum bei 20-30 Kindern und Jugendlichen.
Schwachstellen des ECLS-Systems
Extrakorporale Unterstützungssysteme schaffen außerhalb des Körpers einen künstlichen Herz-Lungen-Kreislauf. Dazu wird eine Pump- und Oxygenierungseinheit über einen venösen und arteriellen Schlauch mit dem Blutkreislauf des Patienten zu einem geschlossenen System verbunden. Der Zugang erfolgt häufig über die Oberschenkel- oder die Schlüsselbeinarterie. Der venöse Schlauch leitet das Blut aus dem Körper des Patienten hinaus, der Oxygenator entfernt das im Blut enthaltende Kohlenstoffdioxid und reichert es mit Sauerstoff an. Über den arteriellen Schlauch wird das sauerstoffreiche Blut wieder in den Körper des Patienten gepumpt. Dr. Grieshaber hat in Vorarbeiten zeigen können, dass bei dieser herkömmlichen Art der ECLS-Technik die Aortenwurzel und die aufsteigende Körperschlagader nur unzureichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden. „Das hat eine Durchblutungsstörung der Herzkranz- und Kopf-Hals-Gefäße zur Folge“, erklärt der Arzt und Wissenschaftler. Hinzu kommen Belastungen der linken Herzkammer, was gefährliche Blutgerinnsel entstehen lassen kann. „Eine Erholung des Herzens und des Organismus ist unter diesen Bedingungen kaum möglich“, gibt Grieshaber zu bedenken. Ein weiterer Schwachpunkt der bisherigen ECLS-Systeme ist, dass die Schläuche und der Oxygenator, durch die das Blut des Patienten geführt werden, eine riesige Fremdoberfläche darstellen. Das kann Gerinnungs- und Entzündungsprozesse aktivieren. Solche technischen Probleme sind zusammen mit der Tatsache, dass es sich bei ECLS-Patienten stets um Schwerstkranke handelt, für die hohe Sterblichkeit verantwortlich.
Neuartige Kanüle soll Herz besser mit Blut versorgen und entlasten
Im Rahmen des Dr. Rusche-Forschungsvorhabens will Dr. Grieshaber eine neuartige Kanüle entwickeln – ein Zugangsschlauch, der das extrakorporale Versorgungssystem besser mit dem arteriellen Gefäßsystem des Patienten verbinden und so eine gute Sauerstoffzufuhr gewährleisten kann. Die speziell gefertigte Kanüle wird über die Herzspitze eingebracht und soll über zwei getrennte Innenräume verfügen: Über den ersten Innenraum wird Blut in die herznahe Hauptschlagader gepumpt, so dass Herz und Kopf ausreichend sauerstoffreiches Blut erhalten. Über den zweiten Innenraum soll Blut aus der linken Herzkammer gesaugt werden, um das Herz zu entlasten. Zur Entwicklung der neuen Kanüle nutzt der Wissenschaftler moderne Verfahren wie Computersimulationen und die 3-D-Drucktechnik. In einem nächsten Entwicklungsschritt sollen erste Prototypen der Kanüle gebaut und in Kreislaufmodellen getestet werden. „Wenn alles so vorangeht, wie wir es uns vorstellen, können wir in zwei bis drei Jahren mit der klinischen Erprobung beginnen“, hofft Grieshaber.
Dank der finanziellen Unterstützung durch Stifterinnen und Stifter, Spender und Erblasser kann die Deutsche Stiftung für Herzforschung (www.dshf.de) – von der Deutschen Herzstiftung e. V. 1988 gegründet – Forschungsprojekte in einer Größenordnung finanzieren, die die Deutsche Herzstiftung e. V. und die DSHF in der Herz-Kreislauf-Forschung unverzichtbar machen. Die Dr. Rusche-Projektförderung der DSHF wird alljährlich gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) auf der DGTHG-Jahrestagung vergeben.
Tipp: Der Herzstiftungs-Ratgeber „Leben mit einem Kunstherz“ (122 S.) für Betroffene kann kostenfrei als PDF unter www.herzstiftung.de/kunstherz oder als Broschüre per Tel. unter 069 955128400 oder per E-Mail unter bestellung@herzstiftung.de angefordert werden.