Insgesamt wurden 1.677.103 Männer und Frauen mit koronarer Herzkrankheit (KHK)/Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen, Herzschwäche und angeborenen Herzfehlern 2015 in eine Klinik eingewiesen (2014: 1.660.253). Leicht gesunken sind einzig die stationären Aufnahmen wegen KHK/Herzinfarkt, bei den anderen Herzkrankheiten gab es Anstiege. „Dieser Trend zeigt, dass zwar die Herzinfarkt-Erkrankungen sinken. Gleichzeitig wächst trotz verbesserter Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten die Zahl der Herzpatienten stetig, die der medizinischen Versorgung und der Unterstützung durch Information und Aufklärung bedürfen“, betont Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Bei den Klappenerkrankungen sehen wir, dass die Patienten häufiger diagnostiziert und behandelt werden, zwar eine Verbesserung ihrer Beschwerden erfahren, aber auch nach einer Behandlung noch klappenkrank bleiben.“
Höchste Infarktsterblichkeit in ostdeutschen Ländern, aber positiver Trend sichtbar
Die Zahl der Sterbefälle durch Herzerkrankungen ist in der Summe gesunken. Starben 2012 insgesamt 215.143 Menschen an KHK/Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen, Herzschwäche und angeborenen Herzfehlern, waren es 207.976 Sterbefälle im Jahr 2014, darunter mehr als die Hälfte KHK-Patienten mit 121.166 Gestorbenen, davon 48.181 Herzinfarkttote (2012: 52.516, 1990: 85.625). Der aktuelle Herzbericht belegt auch, dass weiterhin die ostdeutschen Bundesländer Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eine Spitzenposition in der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit einnehmen, wenn man KHK/Herzinfarkt, Herzschwäche, Klappenkrankheiten und Rhythmusstörungen in der Summe betrachtet. Die niedrigste aufsummierte Sterbeziffer weist demnach Berlin mit 169 Gestorbenen pro 100.000 Einwohnern (EW) auf, Sachsen-Anhalt die höchste mit 391 Gestorben pro 100.000 EW. Zwar ist in diesen Ländern – wie auch im westdeutschen Saarland – weiterhin die Sterblichkeit am akuten Herzinfarkt am höchsten. „Erfreulicherweise ist aber in diesen ostdeutschen Regionen ein positiver Trend mit Sterblichkeits-Rückgängen insbesondere in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen feststellbar“, betont Prof. Meinertz. Seine Sterbeziffer konnte Sachsen innerhalb eines Jahres deutlich verringern: von 93 Gestorbenen pro 100.000 EW (2013) auf 83 (2014). Auch in anderen Gebieten wie Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen und Niedersachsen konnte die Infarktsterblichkeit gesenkt werden. „Grund für diese Entwicklung können verbesserte Abläufe im Rettungssystem, strukturelle Optimierungen in der medizinischen Versorgung in den Kliniken und mehr Wissen über die Herzinfarkt-Symptome sein. Dies darf jedoch nicht über den hohen Bedarf an Präventionsmaßnahmen in der Bevölkerung hinwegtäuschen“, warnt Prof. Meinertz. Wie der Herzbericht zeigt, treten in Bundesländern wie Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit einer überdurchschnittlich hohen Infarktsterblichkeit meistens auch die wichtigsten Risikofaktoren für KHK/Herzinfarkt häufiger auf: Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und metabolisches Syndrom.
Analyse zur Herz-Kreislauf-Sterblichkeit in Europa: Deutschland ohne Spitzenposition
Dass für Deutschland ein hoher Verbesserungsbedarf in der Bekämpfung der Sterblichkeit und Erkrankungshäufigkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der KHK besteht, belegt eine europaweite Ländervergleichsstudie (Townsend N., et al., Cardiovascular disease in Europe: epidemiol. update 2016, European Heart Journal 2016). Untersucht wurden u. a. die Sterblichkeitsraten zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt und zur KHK in rund 50 europäischen Ländern. Die Übersichtsarbeit zeigt, dass Deutschland, gemessen an der altersstandardisierten Herz-Kreislauf-Sterblichkeitsrate (ASDR: Gestorbene Männer bzw. Frauen pro 100.000 Personen) allenfalls im Mittelfeld liegt (vergleichbar mit Griechenland und Finnland). Die Abnahme der Sterblichkeit innerhalb von zehn Jahren gelingt Deutschland deutlich schlechter als z. B. Frankreich, der Niederlande, Spanien oder Großbritannien. Senkte Deutschland bei einer ASDR von 477,2 (gestorbenen Männern pro 100.000) die Zehn-Jahres-Sterblichkeit um 29,7%, senkten sie die Niederlande um 39,2% (ASDR: 332), Frankreich um 34% (ASDR: 275,2), Spanien um 33,2% (ASDR: 292,4) und Großbritannien um 42,2% (ASDR: 334,3). Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Frauen.
Versäumnisse in der Prävention Ursache für Ergebnisse?
Vergleichbar schwach im Ergebnis zeigt sich Deutschland im Ländervergleich bei den verlorenen gesunden Lebensjahren aufgrund von Tod und einer Erkrankung pro 1.000 Personen (Messgröße „DALY“, engl. für Disability-adjusted life years): Auch hier sieht die Situation für Herz-Kreislauf-Patienten in Deutschland mit 67 DALYs pro 1.000 Personen schlechter aus als in anderen Ländern wie Frankreich (40), Italien (54), den Niederlanden (42), Großbritannien (46) oder Slowenien (55). „Die Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit sind überraschend, geht man doch davon aus, dass Deutschland bei den eingesetzten Diagnoseund Therapieverfahren der Kardiologie und Herzchirurgie Spitzenwerte aufweist. An sich sollte man erwarten, dass dieser hohe Einsatz zu einer Verminderung der Sterblichkeit führt“, betont Prof. Meinertz. „An der Spitze steht Deutschland im Mangel an Präventionsstrategien in der kardiovaskulären Medizin.“
Um die Ergebnisse in Deutschland zu verbessern, müssten neben den Möglichkeiten der Apparatemedizin vor allem die Potenziale der Gesundheitsvorsorge bereits bei den Klein- und Schulkindern in Angriff genommen werden: durch gezielte kindernahe Aufklärung über Lebensstilfaktoren wie gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung sowie die Funktionsweise des Herz-Kreislauf-Systems. „Die zuständigen Landesministerien und Behörden müssen zudem viel mehr in Vorsorgeprogramme mit Gesundheits-Checkups, Ernährungs- und Bewegungsangeboten für Erwachsene in Beruf und Familie investieren.“
Tipps und Infos zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhalten Betroffene bei der Deutschen Herzstiftung per Tel. unter 069 955128400 oder unter www.herzstiftung.de
Der neue Deutsche Herzbericht 2016 kann kostenfrei angefordert werden unter www.herzstiftung.de/herzbericht (oder Tel. 069 955128400).
Herzinfarkt-Risikotest (Wie gefährdet sind Sie?): Zur Bestimmung des Herzinfarkt-Risikos bietet die Herzstiftung einen kostenfreien Selbsttest unter www.herzstiftung.de an.