Amphetamine wirken wie künstlich erzeugter Stress
Amphetamine ähneln in ihrem chemischen Aufbau körpereigenen Botenstoffen (Neurotransmitter) und veranlassen eine unkontrollierte und ungehemmte Ausschüttung dieser Neurotransmitter. Die Folge ist ein Feuerwerk an Nervenimpulsen im Gehirn, was der Körper als künstlich erzeugten Stress erlebt. Darin wirken Amphetamine aufputschend und leistungssteigernd (s. Kasten). Mediziner vermuten in dem dauerhaft erzeugten Stresszustand auch die eigentliche Ursache für die Vernarbungen im Herzmuskelgewebe der Betroffenen. „Die Wirkung der Amphetamine ist auch deshalb bei jungen Erwachsenen so zerstörerisch, weil sie medizinisch zumeist erst dann auffällig werden, wenn ihr Herz bereits lebensbedrohlich geschädigt ist“, so Klues. Bei seinen Patienten bestand oftmals Unwissenheit über die Inhaltsstoffe, die Dosis oder mögliche Beimengungen der „Partydroge“. Als weitere Gefahrenaspekte nennt der Krefelder Kardiologe: Arztbesuche von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind eher selten – dadurch wird die Chance einer frühen Diagnose verpasst; Angehörige dieser Altersgruppe verfügen über große Leistungsreserven und zeigen erst spät Symptome; erste Anzeichen werden häufig nicht beachtet oder fehlgedeutet. Zudem zählten Fragen nach dem Drogenkonsum oder das Veranlassen von Drogentests nicht zu den Standards in Praxen und Krankenhäusern. Das dürfte auch daran liegen, dass sich bis 2010 in der internationalen Fachliteratur kaum Hinweise auf eine direkte Schädigung des Herzens durch Amphetamine fanden.
Wachsendem Trend zu Amphetaminen mehr Aufmerksamkeit schenken
Nach europäischen und US-amerikanischen Statistiken werden Amphetamine vor allem von jungen Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren konsumiert. Auch jüngere Konsumenten ab dem 12. Lebensjahr sind beschrieben. Weltweit gibt es laut „United Nations Drug Report 2017“ über 37 Millionen Abhängige, die regelmäßig Amphetamine, vor allem Methamphetamin, einnehmen. Experten wie der Klinikarzt Klues sehen es als „sehr wahrscheinlich, dass die Anzahl der Menschen, die aufgrund ihres Amphetaminkonsums eine schwere Herzschädigung erleiden, nicht nur in den USA, sondern auch in Europa stark zunehmen wird“. Vor diesem Hintergrund mahnt die Deutsche Herzstiftung zu mehr Aufmerksamkeit für die Folgen des regelmäßigen Amphetaminkonsums auf Herz und Gefäße, aber auch auf das Nervensystem sowie andere Organe wie Gehirn, Leber und Nieren. „Größere Sensibilität im familiären Umfeld und in den Schulen der Jugendlichen, aber auch bei den Ärzten in Praxen und Kliniken ist erforderlich“, meint Klues. Für Betroffene gibt es neben Selbsthilfegruppen in mehreren deutschen Städten Anlaufstellen wie die Beratungseinrichtungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die bundesweite „Sucht & Drogen Hotline“ und nicht zuletzt die Telefonseelsorge. Klues nennt sie in HERZ heute.
Hintergrund zu Amphetaminen: In ihrem chemischen Aufbau ähneln Amphetamine körpereigenen Botenstoffen (sog. Neurotransmitter). Die natürlichen Botenstoffe veranlassen an Synapsen – den chemischen Kontaktstellen zwischen Nervenzellen, dass die elektrische Erregung von einer Nervenzelle auf eine andere Nervenzelle übertragen wird. Amphetamine verdrängen die natürlichen Boten aus ihren Reservoirs in den Nervenzellen. Infolgedessen werden Neurotransmitter unkontrolliert und ungehemmt ausgeschüttet: Unabhängig davon, ob eine Nervenzelle „feuert“ oder nicht, gelangen die Botenstoffe in den Spalt zwischen zwei Nervenzellen. Auf diese Weise veranlassen Amphetamine ein regelrechtes Feuerwerk an Nervenimpulsen im Gehirn. Die natürlichen Mechanismen der Erregungsweiterleitung werden außer Kraft gesetzt. Es kommt zu einem massiven, künstlich erzeugten Stress. Im Stressmodus sind alle unsere Sinne aufs Äußerste geschärft, wir empfinden keine Müdigkeit, keinen Hunger und Durst, die Luftwege erweitern sich, das Atmen fällt leichter, selbst das Schmerzempfinden ist reduziert. Herzfrequenz und Blutdruck steigen rapide an.
Mehr zum Thema und Fachliteraturhinweise erhalten Sie in dem Beitrag „Von der Technoparty auf die Intensivstation“ in der aktuellen Ausgabe von HERZ heute 4/2019.
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