Risiko für Vorhofflimmern steigt mit Alter und Begleiterkrankungen
In Deutschland ist Vorhofflimmern für 20 bis 30 % der (ischämischen) Schlaganfälle verantwortlich. Die Schlaganfallgefährdung ist jedoch sehr unterschiedlich. Junge herzgesunde Menschen mit Vorhofflimmern sind weniger gefährdet, alte und herzkranke Patienten haben hingegen ein hohes Risiko, denn das Risiko für einen Schlaganfall durch Vorhofflimmern steigt mit dem Lebensalter und mit zusätzlichen Erkrankungen. So liegt Bluthochdruck bei zirka 60 % aller Patient*innen mit Vorhofflimmern vor. „Besonders diese Personen sollten regelmäßig ihren Blutdruck und Puls messen. Denn so können sie auch bislang unbemerktes Vorhofflimmern feststellen“, rät der Kardiologe und Intensivmediziner Voigtländer, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt a. M. Infos zur Pulsmessung: www.herzstiftung.de/puls-messen
Neben Bluthochdruck, dem häufigsten Verursacher von Vorhofflimmern, begünstigen noch weitere Grunderkrankungen das Auftreten der Rhythmusstörung. Hier sind insbesondere die Überfunktion der Schilddrüse, starkes Übergewicht (Adipositas), Diabetes mellitus, entzündliche Erkrankungen wie Rheuma, chronische Lungenleiden wie COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), das Schlafapnoesyndrom und Gefäßerkrankungen zu nennen. Auch Herzerkrankungen wie Herzschwäche, Klappenfehler und koronare Herzkrankheit (KHK) sowie chronische Funktionsstörungen der Niere tragen zum Entstehen von Vorhofflimmern bei – und nicht zu vergessen ein ungesunder Lebensstil mit regelmäßigem Alkoholkonsum, Rauchen und Bewegungsmangel.
Vorhofflimmern kommt bei älteren Menschen gehäuft vor: jeder Zehnte über 70 Jahren hat Vorhofflimmern. Die Herzstiftung empfiehlt deshalb, dass jeder einmal hin und wieder seinen Puls selbst tastet. Besonders Senior*innen ab 65 und Herzranke sollten bei Routinekontrollen beim Arzt oder der Ärztin ihren Herzschlag mittels Pulsmessung prüfen lassen. Eine Hilfe können auch Wearables (Smartwatches, Smartphones und andere Devices) mit Pulsmess- und EKG-Funktion sein. Sie ermöglichen es, auch ein Vorhofflimmern, das nur gelegentlich auftritt, zu dokumentieren und dem Arzt oder der Ärztin für diagnostische Zwecke zu senden. „Die EKG-Dokumentation durch die Wearables sollte unbedingt von ärztlicher Seite beurteilt werden, um die richtige Diagnose zu stellen“, rät der Herzstiftungs-Vorsitzende. Infos unter www.herzstiftung.de/herzwochen und www.herzstiftung.de/smartwatches-herzpatienten
Bei diesen Beschwerden unbedingt zum Arzt!
Vorhofflimmern wird durch elektrische Störimpulse im Reizleitungssystem des Herzens ausgelöst, deren Ursprung meist in den Lungenvenen liegt. Diese münden in den linken Vorhof. Wegen des unregelmäßigen Herzschlags ziehen sich Herzvorhöfe und Herzkammern nicht mehr koordiniert zusammen: die Vorhöfe zittern und flimmern rasch und unkoordiniert, wodurch sich in Ausbuchtungen des Vorhofs (Vorhofohr) Blut sammeln, verklumpen und so zur Bildung von kleinen Blutgerinnseln führen kann. Werden diese ausgeschwemmt und gelangen über Arterien mit dem Blutstrom in den Kopf, verstopfen sie möglicherweise ein Hirngefäß („arterielle Embolie“): ein Schlaganfall ist die Folge.
Dies sind typische Symptome für Vorhofflimmern: Dauert das Vorhofflimmern mehrere Stunden oder Tage, spüren Betroffene häufig eine allgemeine Leistungsschwäche. Herzstolpern und Herzrasen sind zudem oft verbunden mit
- innerer Unruhe und Angst
- einem unregelmäßigen und beschleunigten Puls (oft über 100 Schläge/Minute)
- einer Neigung zu schwitzen
- Luftnot bei Belastung
- Leistungsschwäche
- Schwindelattacken
- Schmerzen in der Brust
- kurzzeitiger Bewusstlosigkeit (Synkope)
Gerinnungshemmer: Ab welchem Schlaganfallrisiko einnehmen?
Um Vorhofflimmer-Patient*innen vor einem Schlaganfall zu schützen, müssen häufig konsequent Medikamente zur Blutgerinnungshemmung („Blutverdünner“) gegeben werden: Heute werden in erster Linie die „neuen“ oder „direkten“ oralen Antikoagulanzien (NOAKs oder DOAKs) Dabigatran, Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban bei einer Neueinstellung von Patient*innen verordnet. Nur noch wenige Patient*innen benötigen Vitamin-K-Antagonisten aus der Wirkstoffgruppe der Cumarine (z. B. Marcumar oder Falithrom). Die vorbeugende Therapie wird allerdings nicht per se bei Vorhofflimmern verordnet, sondern auf Grundlage des individuellen Schlaganfallrisikos der betroffenen Person. Dieses wird mit Hilfe einer Zählskala, dem sogenannten CHA2DS2-VASc-Score, bestimmt. Risikorelevante Punkte sind z. B. Herzschwäche, Bluthochdruck, Diabetes, fortgeschrittenes Alter (über 65 Jahre), frühere Thromboembolien. „Je mehr Punkte sich aufgrund des Scores ergeben, umso höher ist das Schlaganfallrisiko und desto dringlicher ist die Einnahme gerinnungshemmender Medikamente“, erklärt Götte. „Umgekehrt gilt: Keine Gerinnungshemmer bei fehlendem Risiko, das heißt bei einem Punktwert von Null, um eine Übertherapie zu vermeiden.“
Ursachen und Begleiterkrankungen aufdecken und behandeln
Ist die Diagnose Vorhofflimmern gesichert, besprechen Kardiolog*in und Patient*in die Therapiemöglichkeiten. Anwendung findet nach den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) von 2020 ein ABC-Behandlungsschema. Das setzt sich zusammen aus:
- der Schlaganfall-Vorbeugung durch Gerinnungshemmer (A für „Antikoagulation“),
- Therapieverfahren gegen die Symptome in Form einer rhythmuserhaltenden Therapie zur Wiederherstellung eines natürlichen Herzrhythmus‘ (Sinusrhythmus) und/oder einer frequenzerhaltenden Therapie zur Einstellung einer zu schnellen oder zu langsamen Herzfrequenz auf einen normalen Herzschlag (60 bis 80 Schläge pro Minute) (B für „Bessere Symptomkontrolle“) sowie
- der Therapie der Begleiterkrankungen (Co-Morbiditäten) und Risikofaktoren, die Vorhofflimmern verursachen oder begünstigen (C für „Co-Morbiditäten und kardiovaskuläre Risikofaktoren“).
Gesund leben und sein Vorhofflimmer-Risiko selbst anpacken: Wie geht das?
Wer konsequent gesund lebt, kann darüber hinaus sein persönliches Risiko für Vorhofflimmern reduzieren oder ein Fortschreiten der Rhythmusstörung bremsen. Experten raten zum Beispiel zu einem Ausdauertraining von 150 bis 300 Minuten die Woche bei moderater Belastung (z. B. Joggen, Radfahren, Walking, Schwimmen, Ergometertraining), zum Abnehmen bei Übergewicht, zu gesunder Ernährung (mediterran und salzarm) und zum Rauchverzicht. „Mit körperlicher Aktivität lassen sich effizient gleich mehrere Risikofaktoren für Vorhofflimmern und andere Herzerkrankungen beeinflussen, insbesondere starkes Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes mellitus“, erklärt Kardiologe Götte. „Wer sich mit der Umstellung zu mehr Bewegung und herzgesunder Ernährung noch schwertut, kann auf digitale Hilfsmittel wie Wearables oder Apps wie die HerzFit-App der Herzstiftung zurückgreifen.“ Ein Rauchstopp kann das Risiko für Vorhofflimmern und viele weitere Herzkrankheiten minimieren, denn Rauchen begünstigt Gefäßablagerungen und ist somit ein Hauptrisikofaktor für alle Herz- und Gefäßerkrankungen – so auch für Rhythmusstörungen. Chronischer Alkoholkonsum begünstigt ebenfalls Vorhofflimmern. Selbst mäßiger Konsum von „nur“ ca. 120 Millilitern Wein oder 330 Millilitern Bier pro Tag kann bereits Vorhofflimmern auslösen. Darüber hinaus fördern Schlafentzug, extremer Stress und Störungen des Salzhaushalts (Elektrolyte) mit einem Mangel an Kalium und Magnesium das Entstehen von Vorhofflimmern.
Bewährte Therapieverfahren: Katheterablation kann Medikamenten überlegen sein
Heute stehen für die Behandlung von Vorhofflimmern mehrere Therapien zur Verfügung. Wichtigste Ziele sind die Schlaganfall-Vorbeugung, die Linderung der Beschwerden und die Behandlung der Risikofaktoren und Begleiterkrankungen. In der ärztlichen Praxis wird in der Regel zunächst eine medikamentöse Therapie angestrebt – zum einen zur Blutgerinnungshemmung und zum anderen zur Rhythmus- und/oder Frequenzkontrolle – etwa mit Antiarrhythmika und Betablockern.
Wenn sich trotz der Behandlung mit Antiarrhythmika der normale Herzrhythmus (Sinusrhythmus) nicht oder nicht dauerhaft wiederherstellen lässt und Beschwerden wie Atemnot, Herzrasen, Leistungsschwäche fortbestehen, ist eine Katheterablation eine Alternative. Inzwischen gibt es Studien, die auch nahelegen, dass die Ablation der Behandlung mit Rhythmusmedikamenten überlegen ist. „Vor allem jüngere Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern profitieren von der Katheterablation“, erklärt Herzstiftungs-Experte Götte. Dabei verödet der Kardiologe im linken Vorhof die Mündungsbereiche der Pulmonalvenen mittels Vereisung (Kälte) oder Hochfrequenzstrom (Hitze) und unterbricht dadurch die Leitungspfade, die das Durcheinander der elektrischen Signale verursachen. Die Erfolgschancen der Ablation, die sicher, jedoch nicht komplikationsfrei ist, werden durch den Schweregrad der Herzkrankheit des Patienten, die Dauer des Vorhofflimmerns und auch durch die Erfahrung des Zentrums, das die Ablation durchführt, bestimmt. Erfolgsquoten von bis zu 90 % bei Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern ohne Herzerkrankung sind oft nur zu erreichen, wenn die Ablationsprozedur ein- oder zweimal wiederholt wird.
Internationale Studie: Vorhofflimmern besser früher behandeln
Wie wichtig eine frühzeitige Behandlung des Vorhofflimmerns besonders bei Patient*innen mit erst seit kurzem bestehenden Vorhofflimmern ist, belegt die internationale EAST-AFNET 4-Studie (1), an der rund 2.800 Patienten mit Vorhofflimmern und zusätzlichem Bluthochdruck oder anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen teilgenommen haben. Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer*innen lag bei 70 Jahren. Es zeigte sich, dass es unter einer frühzeitigen rhythmuserhaltenden Therapie – entweder durch eine elektrische oder medikamentöse Kardioversion (Antiarrhythmika) oder auch durch eine Katheterablation – deutlich seltener zu schweren Folgen wie Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall kam; auch mussten weniger Patienten mit Herzschwäche stationär behandelt werden als bei einer alleinigen Therapie der Herzfrequenz.
(wi)
Literatur:
(1) Rillig A. et al., Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060274; Kirchhof P. et al. (2020): Early Rhythm-Control Therapy in Patients with Atrial Fibrillation. doi:10.1056/NEJMoa2019422
Weitere Informationen und kostenfreie Ratgeber zum Herzwochen-Thema Vorhofflimmern unter:
www.herzstiftung.de/herzwochen
www.herzstiftung.de/vorhofflimmern
www.herzstiftung.de/smartwatches-herzpatienten
Videos zum Thema Vorhofflimmern: https://www.youtube.com/DeutscheHerzstiftung
Podcasts zum Thema Vorhofflimmern: www.herzstiftung.de/podcasts
Tipp: Patientenbroschüre „Zurück in den Takt“
Die Herzwochen-Begleitbroschüre „Zurück in den Takt: Vor den schweren Folgen von Vorhofflimmern bewahren“ der Deutschen Herzstiftung informiert über neueste Erkenntnisse zu Risikovorsorge, Ursachen, Diagnose und Therapie von Vorhofflimmern. Der 120-seitige Band kann kostenfrei per Tel. 069 955128-400 oder unter www.herzstiftung.de/bestellung (E-Mail: bestellung@herzstiftung.de) angefordert werden. Infos zu Vorhofflimmern bietet die Herzstiftung unter www.herzstiftung.de/herzwochen und www.herzstiftung.de/vorhofflimmern