Ein bedeutender Auslöser für Übelkeit und Erbrechen ist der körpereigene Botenstoff Serotonin. Diese Substanz wird aufgrund der Krebsmedikamente oder Bestrahlung in größerer Menge als normal im Körper freigesetzt. Die Folge: Das „Brechzentrum“ im Gehirn wird angeregt. Um dies zu verhindern, erhalten Krebs-Patienten so genannte Anti-Emetika. Diese Arzneimittel sollen Übelkeit und Erbrechen unterdrücken. Ohne diese Begleit-Therapie würden über 90 Prozent der Patienten an den genannten Nebenwirkungen leiden.
Zu den wirksamsten Anti-Emetika zählen Arzneistoffe, welche die Bindungsstellen (Rezeptoren) für das Übelkeit-auslösende Serotonin im Brechzentrum blockieren. Serotonin kann dann nicht mehr daran andocken. Diese Bindungsstellen werden wissenschaftlich als „Serotonin-3-Rezeptoren“ bezeichnet. Die Rezeptorenblocker wirken jedoch nicht bei allen Patienten gleich gut: Bis zu einem Drittel der Patienten sprechen nicht auf die Blockade an. Im Rahmen des von der Deutschen Krebshilfe geförderten Forschungsprojekts wollen die Wissenschaftler daher dazu beitragen, wirksamere Medikamente zur Anti-Brechreiz-Therapie zu entwickeln. Dafür nehmen sie die Serotonin-3-Rezeptoren genauer unter die Lupe.
„Der Serotonin-3-Rezeptor besteht aus mehreren Untereinheiten. Die individuelle genetische Zusammensetzung des Rezeptors aus diesen Einheiten kann ein Grund für die unterschiedliche Wirksamkeit der Anti-Brechreizmedikamente sein“, erklärt Dr. Beate Niesler, Projektleiterin am Institut für Humangenetik der Universität Heidelberg. „Denn jeder Patient bringt sein eigenes genetisches Muster im Serotonin-3-Rezeptor mit. Damit das Anti-Brechreizmittel wirkt, muss es jedoch zum Rezeptor passen wie ein Schlüssel zum Schloss.“
Nieslers Forscherteam hat kürzlich zusammen mit der Bonner Arbeitsgruppe bislang unbekannte Untereinheiten des Serotonin-3-Rezeptors entdeckt und charakterisiert. „Wir arbeiten jetzt daran, die individuelle genetische Zusammensetzung des Serotonin-3-Rezeptor-Systems von Krebs-Patienten genauer aufzuklären und ihre Blockierbarkeit zu prüfen“, erläutert Professor Dr. Heinz Bönisch, Projektleiter am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn. Das langfristige Ziel der Wissenschafter ist es, neue und wirksamere Medikamente für die Anti-Brechreiztherapie zu entwickeln, die nicht oder weniger abhängig sind von der genetischen Variabilität des Patienten. Dadurch könnten das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Krebs-Betroffenen deutlich verbessert werden.