Warum Tiertherapie?
Längst sind es nicht mehr nur Delfine oder Blindenhunde, die zu Therapie- oder Hilfezwecken eingesetzt werden. Heute hat die tiergestützte Therapie mit Pferd, Hund, Katze, Kaninchen & Co. ihren festen Platz, wenn es darum geht, körperliche und seelische Leiden zu lindern, und Tiere werden regelrecht als Physio- und Psychotherapeuten ausgebildet.
In Kinder- und Jugendeinrichtungen helfen sie z.B. verhaltensauffälligen Kindern dabei, Vertrauen zu fassen und Verantwortung zu entwickeln. Aggressive Kinder werden im Umgang mit Tieren ruhiger, zurückgezogene Kinder aktiver. Weil das Tier keine Erwartungen an sie stellt, können sie sich darauf einlassen. Oft entwickeln sich daraus richtige Freundschaften – das Kind fühlt sich plötzlich verstanden, akzeptiert und geliebt. Es steht nicht mehr „allein gegen den Rest der Welt“ – und kann dann auch auf andere Kinder zugehen und menschliche Nähe zulassen.
Inzwischen gibt es immer mehr Tiere, vor allem Hunde, die gezielt Kitas und Schulklassen besuchen. Besonders schüchterne Kinder tauen in Gegenwart von Besuchshunden auf und verlieren Berührungsängste. Gleichzeitig bekommen die Kids durch diesen Kontakt ein besseres und direkteres Verständnis für ihre Umwelt. Noch ein positiver Aspekt: Kinder, die sich schon lange ein Haustier wünschen, erleben den Spaß, aber auch die Verantwortung, die ein Tier mit sich bringt.
Schulförderhunde werden in allen Schularten als Motivatoren eingesetzt. Sie schaffen eine Verknüpfung von Lerninhalten und (kindlicher) Lebenswelt und fördern durch ihren Einsatz die Entwicklung der Schüler im sozialen/emotionalen Bereich. Ein Schulförderhund und sein/e Trainer*in haben eine Ausbildung mit Prüfung absolviert!
Tiere als Brücke über die Demenz
Tiere fördern Konzentration und Gedächtnis. Oft finden Hunde, Meerschweinchen und Katzen einen Zugang zu Demenzpatienten, die auf menschliche Ansprache kaum noch reagieren. Besuchstiere sind deshalb regelmäßige Gäste in vielen Alten- und Pflegeheimen. Sie sind verschmust und geduldig, fühlen sich weich an – und gehen intuitiv auf die Senior*innen ein. Sie stellen keine Fragen und sind nicht ungeduldig, sondern genießen die ausgiebigen Streicheleinheiten. Wussten Sie, dass Hühner sehr zärtlich sein können?
Ausführliche Studien belegen, dass sich Unruhe und Aggression von Demenzpatienten durch den Kontakt mit Tieren deutlich bessern – und das Sozialverhalten gestärkt wird.
Immer mehr Altenheime bieten den Bewohner*innen auch die Möglichkeit, ein Haustier zu halten. Das erleichtert oft die Entscheidung, die eigene Wohnung aufzugeben und in eine betreute Einrichtung zu ziehen.
Welche Therapie-Tiere gibt es?
Auch in der Medizin sind Tiere wertvolle Co-Therapeuten, und tiergestützte Therapien finden in einer ganzen Reihe von Bereichen Anwendung.
Die Delphintherapie gilt seit den 1980er Jahren als Wundermittel gegen viele seelische, geistige oder körperliche Erkrankungen und Behinderungen. 40 Jahre später häuft sich allerdings die Kritik, nicht nur aus den Reihen der Tier- und Artenschützer, sondern auch von Wissenschaftlern, Therapeuten und Selbsthilfevereinigungen, z.B. dem Bundesverband Autismus Deutschland e.V. Außerdem ist diese tiergestützte Therapie inkl. Anreise und Unterkunft mit mehreren Tausend Euro für 1-2 Wochen extrem kostspielig.
Pferde werden beim therapeutischen Reiten gleich in vier Fachbereichen eingesetzt, in der Hippotherapie, beim Sport für Menschen mit Behinderungen, in der Heil- und in der Ergotherapie. Reitkurse für Kinder mit und ohne Behinderung sind nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Inklusion – sie stärken das Selbstvertrauen der kleinen Reiter*innen und helfen ihnen dabei, mit ihrer Behinderung selbstbewusst umzugehen. Übrigens: Para Reiten ist eine paralympische Disziplin!
Lebensretter Diabetikerwarnhund
Hunde eignen sich ganz besonders für die Tiertherapie. Sie können bestimmte Krankheiten riechen, z.B. Diabetes. Diabetikerwarnhunde werden besonders gerne bei Kindern eingesetzt. Diese Therapiehunde riechen, wenn der Mensch in Unterzucker fällt - und spulen dann ihr erlerntes Verhalten ab, alarmieren die Eltern oder können sogar eine Taste am Notfalltelefon bedienen. Das ist für die Familie eine Riesenentlastung. Die Deutsche Lebensbrücke hat schon mehrfach Therapiehunde vermittelt. Doch damit das Zusammenspiel zwischen Patient*in und Hund klappt, sind ein paar wichtige Punkte zu beachten:
- Nicht jeder Hund ist geeignet. Labradore und Retriever lassen sich aufgrund ihres verspielten, wissbegierigen Charakters besonders gut zu Diabetikerwachhunden ausbilden. Sie schnüffeln für ihr Hundeleben gerne, deshalb ist es relativ einfach, sie dafür zu begeistern, den Duft „ihres/r“ Patien*in kennenzulernen und dann darauf zu reagieren.
- Der Hund muss zu Patient*in und Familie passen.
- Der erste Teil der Ausbildung wird zwar vom ausgebildeten Tiertherapeuten durchgeführt, aber danach müssen Hund, Patient*in und Familie gemeinsam „lernen“. Gute Ausbilder begleiten auch diesen Prozess intensiv.
Ein Haken bei der Tiertherapie sind bis heute die Kosten. Während die Hippotherapie seit 2008 von den Krankenkassen als Heilbehandlung anerkannt wird, wird die Ausbildung von Diabetikerwarnhunden von den Krankenkassen in der Regel nicht übernommen - und das, obwohl erwiesen ist, dass sie ihre Aufgabe in über 90% der Fälle erfüllen. Hinzu kommt, dass die Kosten für Anschaffung und Ausbildung eines Diabetikerwarnhundes sehr unterschiedlich sind. Petra Windisch de Lates: "Wir können aufgrund unserer Erfahrung sagen, dass Sie Ihren passenden Hund inkl. einer professionellen Ausbildung für 8-10 Tausend Euro bekommen."
Natürlich sind komplexere Assistenzhund-Ausbildungen, z.B. zum Blindenhund oder als Begleithund für Menschen mit Behinderung, kostspieliger, je nachdem, was ein solches Tier als Therapeut alles leisten muss.
Was macht Tiere zu guten Therapeuten?
Tiere haben keine Erwartungshaltung - deshalb haben Menschen keine Angst, ihnen gegenüber versagen zu können. Die Tiere, die sich als Therapeuten eignen, sind ruhig - und wirken deshalb beruhigend auf ihr menschliches Gegenüber. Therapiehunde sind von Natur aus wissbegierig und haben Spaß am Lernen. Das machen sich die Ausbilder zunutze. Eines ist bei für die tiergestützte Therapie geeigneten Tieren Vorbedingung: Sie müssen einen ausgeglichenen Charakter haben, dürfen nicht schreckhaft sein, keine Angst vor Menschen und neuen Situationen haben. Das setzt voraus, dass diese Tiere auch noch keine schlechten Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. Ein solches Tier – egal ob Hund oder Katze, Meerschwein, Kaninchen oder Huhn, kann dann mehr sein als ein Tiertherapeut, nämlich ein „ziemlich bester Freund“.