Bei Multipler Sklerose (MS) treten oft Schädigungen an den Nerven auf, welche die Blasenfunktionen regulieren. Dies kann zu Symptomen wie Inkontinenz, Blasenentleerungsstörungen und plötzlichem, starkem Harndrang (imperativer – unkontrollierter – Harndrang) führen. Diese Symptome haben oft erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität von Menschen mit MS. Umso wichtiger ist eine frühzeitige Erkennung und gezielte Behandlung der Blasenfunktionsstörung. Eine individuell angepasste Therapie kann dazu beitragen, die Symptome zu lindern und die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten. Medikamentöse Therapien können beispielsweise eingesetzt werden, um die Blasenkontrolle zu verbessern. Nicht-medikamentöse Therapien wie Physiotherapie und speziell das Beckenbodentraining können helfen, die Muskulatur zu stärken und die Kontrolle über die Blasenfunktion zu verbessern. Zudem stehen für Menschen mit stärker eingeschränkter Blasenfunktion Hilfsmittel, wie Einlagen und Inkontinenzwindelhosen, zur Verfügung, welche es ermöglichen, mit weniger Einschränkungen an alltäglichen Aktivitäten teilzunehmen (1).
Für die aktuelle Auswertung wurden Daten aus dem MS-Register ab Juli 2022 analysiert, (N=12.569).
Am häufigsten tritt bei weiblichen und männlichen MS-Erkrankten der imperative Harndrang (weiblich: 10,7 % und männlich: 9,9 %) als einzelnes Symptom der Blasenfunktionsstörung auf. Während Inkontinenz bei den weiblichen Erkrankten signifikant häufiger auftritt (weiblich: 7,2 %; männlich: 5,1 %), zeigen männliche Erkrankte deutlich häufiger Basenentleerungsstörungen (weiblich: 6,3%; männlich: 8,3%). Bei 5,5 % der männlichen und 5,9 % der weiblichen MS-Erkrankten sind zwei oder mehr Arten der Blasenfunktionsstörung dokumentiert.
Je nach Art der Blasenfunktionsstörung ist der Anteil der Erkrankten, bei denen die Störung(en) nicht behandelt wird, mit bis zu 48% auch im Vergleich zu früheren Analysen (2) weiterhin sehr hoch. Dies betont die Notwendigkeit einer frühzeitigen Überwachung und den Einsatz therapeutischer Maßnahmen, um MS-Erkrankten in Zukunft eine optimale und verbesserte Versorgung zu gewährleisten. Die Auswertung der deutschen MS-Registerdaten zeigen, dass Blasenfunktionsstörungen in über zehn Prozent der Fälle schon zu Beginn der MS-Erkrankung auftreten und im weiteren Verlauf zunehmen. Insgesamt werden bei längerer Krankheitsdauer prozentual häufiger Blasenfunktionsstörungen verzeichnet, was bedeutet, dass bei Menschen mit MS über die Dauer der Erkrankung vermehrt Probleme mit ihrer Blasenfunktion auftreten können. Dies lässt sich u.a. auf die fortschreitende Schädigung des Nervensystems zurückführen, insbesondere auf die Beeinträchtigung der Nerven, die für die Kontrolle der Blasenfunktion verantwortlich sind.
Das vom Innovationsfond geförderte Projekt zu Blasen- und Darminkontinenz, MS-Vita (https://www.msregister.de/forschung/ms-vita/ ) [Förderkennzeichen: 01VSF23024], widmet sich seit Jahresbeginn 2024 intensiv dieser Problematik. Begleitet wird das Projekt unter Leitung von Frau Prof. Dr. M. Hasseler u.a. vom MS-Register, dem DMSG-Bundesverband (www.dmsg.de) und dem DMSG-Landesverband Niedersachsen mit dem Ziel MS-Betroffene (MS-Erkrankten und Angehörige) partizipativ in die Forschung und Verbesserung der Versorgung von Blasen- und Darminkontinenz einzubeziehen.
Literatur:
- Henze T, Feneberg W, Flachenecker P, u. a. Neues zur symptomatischen MS-Therapie: Teil 3 – Blasenfunktionsstörungen. Nervenarzt. Februar 2018;89(2):184–192.
- Rommer, PS, Eichstädt K, Ellenberger D, u. a. „Symptomatology and Symptomatic Treatment in Multiple Sclerosis: Results from a Nationwide MS Registry“. Multiple Sclerosis Journal 25, Nr. 12 (Oktober 2019): 1641–52. https://doi.org/10.1177/1352458518799580.
Quelle: MS Forschungs- und Projektentwicklungs-gGmbH