„Noch immer wird die Bedeutung der Meere für das Leben auf der Erde zu sehr unterschätzt“, betont der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
Ozeane bedecken über 70 % des Planeten. Sie sind unsere unverzichtbare Lebensquelle, denn sie produzieren rund 50 % des Sauerstoffs in unserer Atmosphäre und speichern gleichzeitig etwa 30 % unserer CO2-Emissionen. Ihre biologische Vielfalt ist unvergleichlich und noch weitgehend unerforscht. Für weit mehr als eine Milliarde Menschen sind sie die Hauptproteinquelle. Ganz zu schweigen davon, dass sie für Abermillionen Menschen Rückzugs- und Erholungsräume von unschätzbarem Wert bieten.
Ozeane in Not
Den Folgen des tödlichen Trios aus Klimakatastrophe (steigende Meerestemperaturen und Meeresspiegel, Versauerung), Überfischung (Vernichtung der Artenvielfalt) und Vermüllung (Plastikabfälle, hochgiftige Substanzen, kommunale und landwirtschaftliche Abwässer) können die Meere nicht mehr viel entgegensetzen. Die Ozeane wanken.
Als Folge geht ihnen jetzt sogar der Leben spendende Sauerstoff aus. Von 1960 bis 2019 büßten die Weltmeere mehr als zwei Prozent ihres Sauerstoffgehalts ein. Tendenz steigend. Gleichzeitig verdoppelte sich weltweit die Zahl der Todeszonen ohne Sauerstoff (dead zones) in Küstengebieten zwischen 1960 bis 2007 auf mehr als 500. Auch die CO2-Speicherkapazität der Meere geht weltweit zurück.
Meereszerstörung in unseren Küstenmeeren
„Man muss dazu nicht in die Ferne schauen“, sagt Ulrich Karlowski. „Meereszerstörung findet direkt in unseren Küstenmeeren in Nord- und Ostsee statt. Etwa bei der tonnenweisen und dauerhaften Verklappung von hochtoxischem Hafenschlick aus der Elbe in der Nordsee in unmittelbarer Nähe zum UNESCO-Welterbe Nationalpark Wattenmeer. Oder bei der Zerstörung unersetzlicher Küstenökosysteme wie Ostsee-Korallenriffen im Zuge des Baus des Fehmarnbelttunnels. Grundschleppnetzfischerei darf selbst in deutschen Meeresschutzgebieten stattfinden. Dabei werden Fischbestände unter Inkaufnahme hoher Beifangquoten hochgradig überfischt und das Ökosystem der Meeresböden zerstört. Grundschleppnetzfischerei setzt zudem gewaltige Mengen von im Meeresboden gespeicherten CO2 frei und befeuert die Klimakatastrophe.“
Ozeane am Kipppunkt
„Die Ozeane haben ihre Belastungsgrenze erreicht, teilweise ist sie bereits überschritten“, warnt Karlowski daher. Lediglich 13,2 Prozent der Ozeane gelten heute noch als ökologisch intakte marine Wildnis. Der Großteil davon befindet sich auf hoher See – weit entfernt von den vom Menschen übernutzten marinen Lebensräumen.
Noch erreichbar? UN-Nachhaltigkeitsziel 14 „Leben unter Wasser“
Im September 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen die „Agenda 2030“. Damit verpflichtete sich die Weltgemeinschaft mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung auf einen Fahrplan für die Zukunft. Am Welttag der Meere richtet sich der Fokus auch auf das UN-Nachhaltigkeitsziel 14 „Leben unter Wasser“.
Das Ziel 14 lautet: „Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen“ und ist in zehn Teilziele gegliedert. Seit der Verabschiedung ist keines der Unterziele erreicht. Bei vier Teilzielen ist die Frist bereits Ende 2020 ergebnislos verstrichen.
„Heute bleiben uns nur weniger als acht Jahre, um die aktuelle Krisenlage der Meere zu entschärfen und die Gesundung des Ozeans voranzutreiben“, betont Karlowski. „Der Welttag der Meere und die Ozeanwoche könnten hier für den dringend benötigten Schub sorgen. Die Zeit drängt.“
Woche der Ozeane – es gibt keinen Ozean B
Der Welttag der Meere 2022 markiert auch den Beginn der europaweiten Ozeanwoche. Während der bis zum 15. Juni dauernden Ozeanwoche gibt es in Brüssel zahlreiche Veranstaltungen: Diskussionen, Webinare und Bürgerdialogforen. Alle Veranstaltungen sind kostenlos. Man muss sich lediglich online registrieren.
EU soll endlich kraftvoll für den Meeresschutz eintreten
Die an der Ozeanwoche beteiligten Meeresschutzorganisationen fordern die politischen Entscheidungsträger auf, sich zu vier dringenden Maßnahmen zu verpflichten, um unseren blauen Planeten zum Wohle der Menschen und der Tierwelt zu schützen und wiederherzustellen:
- Stop schädlicher Fischereisubventionen bis 2023 und Umwidmung der Mittel zur Finanzierung des Übergangs der EU zu einer nachhaltigen Fischerei.
- Vollständiger oder weitgehender Schutz von mindestens 30 % der Meeres- und Küstengebiete der EU bis 2030.
- Wiederherstellung von mindestens 15 % bereits geschädigter Meeres- und Küstengebiete der EU bis 2030.
- Verringerung des Eintrags von Müll sowie bakteriologischer und chemischer Verschmutzung um 50 % auf EU-Ebene bis 2030.
Hierbei sollen auch die Fortschritte der EU auf dem Weg zu einem gesunden Ozean bis 2030 im Einklang mit dem von über 100 Meeres- und Umweltschutzorganisationen unterstützten Blauen Manifest bewertet werden.