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Klimaprogramm: Koalition muss Konflikt mit Bremsern aus der Wirtschaft ausfechten

(lifePR) (Berlin, )
Eckpunktepapier der Regierung stellt Weichen auf Scheitern – DUH fordert Vorrang für Klimaschutz vor Partikularinteressen strukturkonservativer Sektoren der Industrie und präsentiert eigene Vorschläge – Bundesregierung soll CO2-Minderungsbeiträge ihres Klimaschutz-Programms offen legen

Mit einer Fülle von Detailvorschlägen sucht die Bundesregierung nach Überzeugung der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) die ernüchternde Botschaft ihres Eckpunktepapiers zur Energie- und Klimapolitik zu verdecken. „An den wirklich entscheidenden Punkten zielt das 30-Punkte-Papier mehr auf Konfliktvermeidung als auf Klimaschutz“, erklärten die beiden Bundesgeschäftsführer der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation, Rainer Baake und Jürgen Resch, in Berlin. Trotz einer überwältigenden Unterstützung aus der Bevölkerung für die von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende erneut bekräftigten Klimaziele scheue die große Koalition den Konflikt mit der strukturkonservativen Traditionswirtschaft.

Werde das 30-Punkte-Programm bei der bevorstehenden Regierungsklausur auf Schloss Meseberg nicht grundlegend nachgebessert, stehe fest, dass Deutschland sein Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, weit verfehlen werde. „Auch wegen ihrer internen Konflikte, droht jetzt die Flucht der Koalition in folgenlose Symbolpolitik“, mahnten die Geschäftsführer und verwiesen auf eine am Wochenende fertig gestellte DUH-Analyse der bisher bekannt gewordenen „Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm.“

Daraus geht hervor, dass sich die Regierung an zentralen Punkten bereits wieder von den sektorspezifischen Zielen entfernt hat, die Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erstmals Ende April in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag vorgestellt hatte. Die Abweichungen von den Reduktionszielen, die seinerzeit sogar mit konkreten Zahlen unterlegt worden waren, beziehen sich insbesondere auf die Energiewirtschaft, den Verkehrssektor und den wichtigen Bereich der energetischen Gebäudesanierung.

Insbesondere wirft die DUH der Koalition vor, dass sie sich nicht der Frage stellt, wie es mit dem Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten nach 2012 weitergehen soll. Knapp die Hälfte der Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland (45,5 Prozent) werden von der Energiewirtschaft, insbesondere durch die Verstromung von Kohle verursacht. Damit ist der Emissionshandel das umfassendste und wichtigste Klimaschutzinstrument im Bereich der Energiewirtschaft. „Die Bundesregierung darf sich nicht um die Frage herumdrücken, welchen Beitrag die Energiewirtschaft zur Erreichung des 40-Prozent-Minderungsziels bis 2020 leisten muss“, erklärte Baake. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Kraftwerksbetreiber und Investoren hätten ein Anrecht auf Klarheit über diese zentrale Frage. Der DUH-Geschäftsführer erinnerte daran, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel anlässlich seiner Regierungserklärung im Bundestag Ende April den Eindruck vermittelt habe, der Emissionshandel werde ab 2013 auf eine Versteigerung der Zertifikate umgestellt. Bisher werden die Verschmutzungsrechte größtenteils kostenlos an die Unternehmen ausgegeben. Nun sei in dem Regierungsentwurf erneut von „Obergrenzen“ für die einzelnen Anlagenbetreiber die Rede, die es nur bei einer Fortsetzung der kostenlosen Zuteilung gebe. Damit lasse die Regierung erkennen, dass sie zum Schutz der kohlebasierten deutschen Kraftwerksbetreiber auch auf EU-Ebene nicht für die künftige Versteigerung der Zertifikate kämpfen wolle. Baake: „Wer dreckigen Kohlekraftwerken weiter doppelt soviel Zertifikate schenken will, wie emissionsärmeren Gaskraftwerken, hat sich widerstandslos dem Druck der strukturkonservativen Kohlelobby ergeben.“

Scharf kritisierte die DUH auch die „widersinnige Schwerpunktsetzung bei der Eindämmung der CO2-Belastung des Verkehrssektors“, der mit rund 20 Prozent nach der Energiewirtschaft den zweitgrößten Beitrag zur nationalen Klimalast verursacht. „Die Tatsache, dass nach dem Regierungsprogramm, nicht etwa die Automobilindustrie, sondern die Landwirte im In- und Ausland mit dem Anbau von Energiepflanzen den Löwenanteil zu der im April angekündigten CO2-Minderung von 30 Millionen Tonnen leisten soll, ist ein Stück aus dem Tollhaus“, sagte Resch. Dies sei nicht nur unseriös und im Rahmen einer umwelt- und sozialverträglichen Landbewirtschaftung in Deutschland nicht zu erreichen; es zeige darüber hinaus, dass die Bundesregierung weit davon entfernt sei, die Autoindustrie für verpflichtende Mindeststandards beim Kraftstoffverbrauch ihrer Fahrzeuge in die Pflicht zu nehmen. Außerdem solle weder die Effizienzkennzeichnung der Fahrzeuge konsumentenfreundlich verbessert werden, noch würden bereits geltende Verbrauchsangaben überprüft und kontrolliert. Über ein unmittelbar wirksames Tempolimit denke die Regierung nicht einmal nach, obwohl es dafür unter dem Eindruck der Klimadebatte erstmals in Deutschland eine robuste Mehrheit gebe. Die im Prinzip begrüßenswerte Umstellung der Kfz-Steuer von Hubraumgröße auf CO2-Bezug werde durch die Ankündigung entwertet, jedes Gramm solle gleich hoch besteuert werden. „Die Bundesregierung hat ein Herz für die 500 PS-Automobil-klasse, mit der sie ja auch selbst gern unterwegs ist. Gerade die Fahrzeuge mit besonders großem Motor würden bei einer solchen Umstellung der Kfz-Steuer sogar weniger zahlen. Sie wird somit kaum Einfluss auf die Modellpolitik vor allem der im Inland dominierenden deutschen Hersteller nehmen“, sagte Resch.

Den Verzicht der Regierung auf eine Beschränkung des so genannten Dienstwagenprivilegs nannte Resch „einen erneuten Kotau vor der deutschen Automobilwirtschaft“. Die Tatsache, dass die mit dem Kaufpreis und damit in der Regel auch mit dem Kraftstoffverbrauch ansteigende Subventionierung von Dienst- und Firmenwagen nicht eingeschränkt werden soll, verlängere eine „weltweit einzigartige Subvention, die faktisch hohe Klimabelastung belohnt und niedrige Verbrauchswerte bestraft“. Die Regelung stehe in eklatantem Gegensatz zum zwar klimapolitisch vernünftigen, aber die kleinen Leute treffenden Abbau von Kilometerpauschale und Eigenheimzulage in den vergangenen Jahren und zeitige immer absurdere Folgen. So seien im ersten Halbjahr dieses Jahres ausweislich der Statistik des Kraftfahrtbundesamts nur mehr 37,6 Prozent der Neufahrzeuge von privaten Kunden gekauft worden (im ersten Halbjahr 2006 waren es noch 46 Prozent). Der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Dienstwagen liegt infolge der absurden Subventionspolitik der Regierung, wonach ein Fahrzeug mit höherer Motorisierung und damit höherem CO2-Ausstoß ohne jegliche Obergrenze auch eine höhere Förderung erhält, erheblich über dem der privat gekauften PKW. Der Verzicht auf einen klaren CO2-Bezug des Dienstwagenprivilegs (nur Spritsparer werden gefördert) werde durch die von der Regierung halbherzig angekündigte Deckelung der Absetzbarkeit der Betriebskosten von Sprit schluckenden Firmenwagen keinesfalls geheilt, weil somit von dieser Maßnahme keine Lenkungswirkung auf das Kaufverhalten der Dienst- und Firmenwagenhalter oder gar die Modellpolitik der Autohersteller ausgeht.

Nach dem Energie- und Verkehrssektor liegen die privaten Haushalte mit etwa 14 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland auf Platz drei der Verursachersektoren. Den größten Beitrag trägt dazu die Raumheizung bei. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren Milliardenbeträge zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung ausgeschüttet – allerdings mit begrenztem Erfolg. Im vergangenen Jahr erbrachte das Sanierungsprogramm eine CO2-Minderung von 0,9 Mio. Tonnen.

Völlig aus dem Fokus der Politik blieb lange Zeit der aus Sicht des Klimaschutzes verheerende Einsatz von Strom zur Raumheizung, insbesondere durch die Technik der Nachspeicheröfen. Aktuelle Studien zeigen, dass sie allein fast sieben Prozent, das entspricht rund 36 Terawattstunden pro Jahr, zum nationalen Stromverbrauch beitragen. Anders ausgedrückt: Nachspeicherheizungen verbrauchen die Stromproduktion von fünf großen Braunkohlekraftwerken oder die der fünf ältesten Atomkraftwerke in Deutschland. Obwohl Stromheizungen die vergleichsweise höchsten CO2-Emissionen aufweisen und die mit Abstand höchsten Kosten verursachen, wächst ihre Zahl überproportional. Weil sie schwerpunktmäßig in alten Mietwohnungen eingesetzt werden, zahlt in vielen Fällen der Steuerzahler über das Arbeitslosengeld II die exorbitanten (Voll-)Kosten.

Es sei „nicht nachvollziehbar, dass sich die Bundesregierung in ihren Eckpunkten nicht dazu durchringen kann, diesen ökologischen und ökonomischen Unfug für die Zukunft zu verbieten“, erklärte Baake. Die DUH fordert ein sofortiges Verbot des Verkaufs und Einbaus neuer Nachtspeicheröfen und ein Förderprogramm zum kompletten und zügigen Austausch. Eine Bundesregierung, die „dieses gewaltige Einsparpotenzial angesichts des sich beschleunigenden Klimaeffekts links liegen lässt, verliert beim Thema Stromsparen jede Glaubwürdigkeit“. Auch hier liege der Verdacht auf der Hand, dass die Stromkonzerne Einspruch erhoben haben, weil sie ein lukratives Absatzfeld verteidigen und weiter mit Nachtspeicherheizungen die „Lasttäler“ ihrer Braunkohle- und Atomkraftwerke in den verbrauchsarmen Nachtstunden füllen wollen.

Baake erklärte, nicht alle Punkte des Eckpunktepapiers der Regierung seien zu kritisieren. Es sei jedoch „erkennbar ein Muster dieses Entwurfs, dass die Regierung immer dann gegenüber ihren Ankündigungen bei der Regierungserklärung Ende April zurückrudert, wo es um die Besitzstände der großen Konzerne geht“. Diese wollen zum Beispiel ihre Investitionen in die schmutzige Braunkohle retten und sie kämpfen um Stromfresser wie Nachspeicheröfen, weil diese ihnen Umsatz sichern.

Nach wie vor sei das 40-Prozent-Reduktionsziel bis 2020 zu erreichen, heißt es in der Analyse der DUH, die unter www.duh.de abgerufen werden kann. Allerdings erfordere dies klare Weichenstellungen in allernächster Zukunft. Als einen ersten Schritt zur Klarstellung der Situation fordert die DUH die Bundesregierung auf, unverzüglich eine nachvollziehbare Abschätzung der Minderungsbeiträge ihres Klimaschutz-Programms vorzulegen.

Baake und Resch: „Eine solche realistische Abschätzung ist der Lackmustest für die klimapolitische Glaubwürdigkeit der Bundesregierung – und der Kanzlerin. Sie wäre auch geeignet, Sachwaltern der Traditionswirtschaft in der Regierung wie Wirtschaftsminister Michael Glos den Ernst der Lage zu verdeutlichen“.
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