Über ein Jahr nachdem der Bundesregierung erstmals Untersuchungsergebnisse über minderwirksame Partikelfilter vorlagen, hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) jetzt für den überwiegenden Teil der betroffenen Systeme die Allgemeinen Betriebserlaubnisse (ABEs) gelöscht. Inzwischen haben allerdings nach KBA-Angaben mindestens 40.000 – nach neuesten Informationen der DUH eher 60.000 – Autohalter unwissentlich weitgehend unwirksame und zum Teil den Motor gefährdende Betrugsfilter einbauen lassen.
Erst nachdem die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) diesen Skandal vor mehr als drei Monaten öffentlich gemacht hatte, reagierte das KBA in Flensburg mit der Anordnung und Durchführung von Wirksamkeitstests, die sich zunächst über volle 14 Wochen hinzogen. Inzwischen sind sämtliche Mangelsysteme, die überprüft wurden, bei der amtlich angeordneten Nachprüfung wegen unzureichender Filterleistung durchgefallen. Nach dem morgigen Freitag (dem 23. November) – an dem das Verwaltungsgericht Dessau abschließend über eine im Frühjahr angestrengte "Untätigkeitsklage" der DUH gegen die Bundesregierung entscheidet – erwartet die DUH weitere Erkenntnisse darüber, welche Informationen der Regierung bereits seit über einem Jahr vorliegen und warum eine frühzeitige amtliche Überprüfung der auffälligen Systeme ebenso unterblieb wie die notwendige Information der Bevölkerung. Unmittelbar vor dem Gerichtstermin hat das Umweltbundesamt einen Teil der Untersuchungen veröffentlicht, von deren Inhalten die DUH seit Herbst 2006 erfolglos und schließlich mit Hilfe eines Einsichtbegehrens nach Umweltinformationsrecht Kenntnis erlangen wollte. Danach belief sich die Filterwirkung des GAT-Filters auf gerade einmal 8 Prozent – gegenüber vorgeschriebenen mindestens 30 Prozent. Den strittigen wesentlichen Teil der Untersuchung aus dem Jahre 2006 hält das UBA hingegen – auf Weisung des Bundesumweltministeriums – weiterhin unter Verschluss.
Die DUH wirft dem Bundesverkehrs- und dem Bundesumweltministerium vor, die Öffentlichkeit und insbesondere Fahrzeughalter, die ihre Diesel-Pkw nachrüsten wollen, bis heute nicht vor den Betrugsfiltern gewarnt zu haben. Stattdessen hätten die zuständigen Ministerien zugelassen, dass die betreffenden Unternehmen über drei Monate hinweg Nebelkerzen werfen und sich fälschlich auf reine "Formfehler" oder "unterschiedliche Interpretationen von Prüfvorschriften" herausreden konnten.
Entgegen den Zusagen des Kraftfahrzeuggewerbes hat die DUH in einer in der ersten Wochenhälfte durchgeführten Umfrage unter 40 Automobilwerkstätten festgestellt, dass insbesondere die Ketten Pit-Stop in 10 von 15 befragten Betrieben und Vergölst in 6 von 14 Betrieben die mangelhaften Filter von GAT, Tenneco/Walker bzw. Ernst-Apparatebau (Hagen) weiter anbieten. Bisher unbekannt sei überdies, dass auch die von den Herstellern Landrover und Jaguar eingebauten Original-Nachrüstfilter betroffen sind. Testanrufe bei den jeweiligen Markenwerkstätten ergaben, dass diese Filter ebenfalls weiter angeboten werden, obwohl es sich auch hier um GAT-Systeme handelt.
"Ein Jahr Schweigen ist genug – wir fordern die zuständigen Bundesminister Wolfgang Tiefensee und Sigmar Gabriel auf, den Bundesbürgern endlich reinen Wein einzuschenken. Sie müssen alle vorliegenden Prüfdaten veröffentlichen und mit dem aktiven Widerruf der Zulassungen minderwertiger Filtersysteme den betroffenen Autohaltern bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber Einbauwerkstätten und Herstellern helfen, ohne Mehrkosten anstelle der Betrugsfilter funktionierende Systeme eingebaut zu bekommen", forderte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Wesentlicher Hintergrund für den Partikelfilterskandal sind schwerwiegende Mängel bei den Zulassungsbestimmungen für Partikelminderungssysteme (geregelt in der Anlage 26 zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, StVZO). Der dort festgeschriebene vollständige Verzicht auf Wirkungskontrollen der Systeme bei der Zulassung durch das KBA, das Fehlen eines praktikablen Kurztests sowie der Verzicht auf eine Funktionskontrolle von Filtern im Rahmen der sogenannten "periodischen Abgasuntersuchung" (AU) hat offensichtlich Unternehmen zur Entwicklung unwirksamer Systeme motiviert.
Als die DUH Mitte August die Bundesbürger öffentlich vor diesen Betrugsfiltern warnte, schwiegen die Behörden zu den DUH-Vorwürfen. Die Öffentlichkeit täuschte GAT mit der Erklärung, man habe lediglich versehentlich technische Modifikationen an den Filtersystemen nicht gemeldet, es handele sich also um "Formfehler", die nun geheilt würden. Die Filterwirksamkeit hingegen sei auf jeden Fall gegeben. Gleichzeitig ging GAT vor Gericht gegen die DUH vor und verwickelte (wie im Übrigen auch der Hersteller Bosal) die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation in diverse Rechtsverfahren.
Zwischenzeitlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen gegen GAT wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung. Ein GAT-Sprecher erklärte hierzu jetzt gegenüber SPIEGEL-Online: "Bewusst falsche Werte in den Antragsunterlagen sind uns nicht bekannt". Diese Aussage ist ganz offensichtlich unwahr. Nach Informationen der DUH wurden beispielsweise Original-Messprotokolle eines bereits im Jahr 2006 an einem Landrover getesteten GAT-Systems, die das Versagen des Filters auswiesen, in ihr Gegenteil verkehrt: Die negativen Ergebnisse wurden sowohl in den Prüfberichten als auch in den dazugehörigen Messprotokollen in positive Werte umgewandelt und als Grundlage für die beim KBA eingereichten Anträge auf Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) verwendet.
Das Kraftfahrtbundesamt hat der DUH bestätigt, erstmals durch Pressemitteilungen der DUH im August 2007 überhaupt auf die Betrugsfilter aufmerksam geworden zu sein. Damit zeigt sich, dass die Prüfvorschrift nach Anlage 26 StVZO in der vorliegenden Form nicht ausreicht, um mangelhafte oder betrügerische Partikelminderungssysteme rechtzeitig ausfindig zu machen. "Die bisherige Regelung, vollständig auf amtliche Wirksamkeitskontrollen zu verzichten, muss schnellstmöglich korrigiert werden", fordert Resch. Nachdem die zuständigen Behörden die Fehlerhaftigkeit der Prüfvorschrift hinsichtlich der geforderten Kontrolle weiterhin ignorieren, werde die DUH noch im Dezember ein Experten-Fachgespräch zur Entwicklung geeigneter Kurztests einberufen. Auf dieser Basis solle die Bundesregierung dann gedrängt werden, einen praktikablen Wirksamkeits-Kurztest für Partikelminderungssysteme zu entwickeln und im Rahmen der periodischen Abgasuntersuchungen (AU) vorzuschreiben.