Frage: Offenbar rechnet die Bundesbank fest damit, dass Griechenland spätestens 2014 ein neues Kreditprogramm und möglicherweise auch einen Schuldenschnitt braucht. Sie auch?
Thorsten Polleit: "Ja, ich gehe auch davon aus. Die öffentliche Schuldenlast in Griechenland beträgt nach wie vor 160 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist untragbar. Die Gläubiger, insbesondere die öffentlichen Stellen, denn die sind ins Obligo gegangen, werden die Kredite abschreiben müssen, einen Großteil der Kredite abschreiben müssen, die sie Griechenland gewährt haben."
Teilen sie den Vorwurf der Opposition, dass die Bundesregierung wegen der Bundestagswahl die kostspielige Wahrheit in Sachen Griechenland verschweigt?
"Ja, es sieht ganz danach aus. Die Kredite, die Deutschland vergeben hat, betragen etwa 50 Milliarden Euro. Das heißt, etwa 35 Milliarden unter dem sogenannten Rettungsschirm sind vergeben worden. Und dann noch einmal 15 Milliarden von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wenn man Griechenlands Staatsschulden auf eine tragbare Basis stellen muss, dann bedeutet das vermutlich, dass die ausstehenden Verbindlichkeiten um 63 Prozent gekürzt werden müssen. Damit wären allein aus Deutschland vergebene Kredite in Höhe von 30 Milliarden Euro verloren. Das bekanntzugeben vor einer Wahl ist wahrscheinlich so heikel, dass man es lieber verschweigt."
Es heißt gleichzeitig, dass im Problem Griechenland mittelfristig immer noch ein Sprengsatz für die gesamte Eurozone steckt.
"Die ganze Eurozone leidet unter einer Überschuldungsproblematik. In Griechenland ist es besonders akut. Aber die gleiche Problematik wird uns auch in anderen Ländern begegnen, es ist nur noch eine Frage der Zeit, muss man leider sagen. Denn in den letzten Jahren unter der Geldpolitik der EZB ist eben die öffentliche Verschuldung, aber auch die Verschuldung von Banken übermäßig ausgedehnt worden. Und es hat sich eine Schuldensituation ergeben, die einfach nicht mehr rückzahlbar ist."