"Er ist ein Diktator", sagte der ehemalige Weggefährte Ortegas. "Es ist die Alleinherrschaft einer Familie. Er, seine Frau und seine Kinder - das sind die Einzigen, die in Nicaragua etwas zu sagen haben. Es gibt nicht einen Minister, der es noch wagt, irgendetwas zu sagen. Das ist die Situation in Nicaragua", so Cardenal im DW-Interview.
Nach dem Sieg der sozialistischen Sandinisten im Bürgerkrieg gegen Diktator Somoza am 19. Juli 1979 hatte Ortega den Theologen Cardenal zum Kulturminister gemacht. Nun begründet Ernesto Cardenal die Vorwürfe gegen den seit 2007 wieder amtierenden Ortega mit dessen Persönlichkeit. Korruption sei "eine Charakterfrage".
Cardenal, unter anderem Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels (1980) und jüngst mit dem Theodor-Wanner-Preis des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) ausgezeichnet, sieht die sandinistische Revolution gleichwohl noch immer als "die schönste Revolution, die es jemals gegeben hat - begleitet von der Zuneigung und Solidarität der ganzen Welt, während der mehr als zehn Jahre, die sie gedauert hat".
Gescheitert sei sie, so Cardenal, "an der Einmischung der Vereinigten Staaten. Ihretwegen haben die Menschen gegen die Revolution gestimmt. Und als die Sandinisten die Wahlen verloren hatten, verloren sie auch den Mut. Und einige der wichtigsten Anführer der Revolution begannen, sich auf skandalöse Weise zu bereichern, bevor sie die Macht an die neue Regierung abgaben. Das hat die Revolution zerstört. Und seitdem haben wir uns immer weiter vom Besten, was diese Revolution hatte, entfernt."