Alexijewitsch erneuerte im DW-Interview ihre Kritik an der Politik des Westens gegenüber dem weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko:
"Der Westen (hat) zu Präsident Lukaschenko keine klare Position. Mal hat man ihm gegenüber alle Türen geschlossen, jetzt wird er plötzlich nach Italien eingeladen, nach Prag. Man führt mit ihm wieder einen Dialog. Und das, obwohl alle wissen, er spielt schon wieder, er wird wieder alle betrügen. Wenn das Verhältnis zu Russland nicht stimmt, fängt er an, mit dem Westen zu spielen. Er sitzt zwischen zwei Stühlen und handelt mit der Geografie, wie wir das nennen. Ich denke, der Westen muss viel härter mit ihm umgehen."
Auf die Frage, ob der autoritäre Regierungsstil von Staatschefs wie Alexander Lukaschenko, Russlands Präsident Wladimir Putin oder dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch eine logische Konsequenz der sowjetischen Geschichte sei, sagte Alexijewitsch:
"Ein Straflagergefangener kann nur in einem Straflager leben. Er kennt kein anderes Leben. Die Revolution der 1990er-Jahre hat Gorbatschow gemacht mit einer Handvoll Intellektueller. Und das Volk erwachte eines Morgens in einem unbekannten Land. Ohne zu wissen, was zu tun ist. Auch jetzt wissen wir nicht, was in Weißrussland zu tun ist, weil wir es gewohnt sind, in einem Straflager zu leben. ( ... ) Selbst die jungen Leute sehen heute laut Umfragen in Stalin einen der besten Führer. Sie mögen den Sozialismus, die harte Hand, mit der regiert wurde. Alles wiederholt sich."
Hinweis: Swetlana Alexijewitsch wird der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels am Sonntag, 13. Oktober, in Frankfurt/Main verliehen. Das Interview der DW wird am selben Tag ausgestrahlt (DW Europa um 12.15 Uhr MESZ); anschließend im Internet unter www.dw.de/german/interview.