Volkskrankheit Kopfschmerzen
„Allein bei der Migräne geht man in Deutschland anhand der vorliegenden epidemiologischen Studien von 8–10 Millionen Betroffenen aus [1]. Unsere Volkswirtschaft verliert durch diese häufige Kopfschmerzerkrankung jährlich wahrscheinlich mehr als 30 Millionen Arbeitstage [2]. Das entspricht der Arbeitskraft einer Stadt der Größe Leverkusens oder Heidelbergs“, rechnet Dr. Förderreuther vor. Durch Migräne entstehen in Deutschland jedes Jahr viele Milliarden direkte und indirekte Krankheitskosten, zudem ein hoher Wertschöpfungsverlust von rund 150 Milliarden Euro. Weltweit sind Kopfschmerzen auf Platz 3 aller Erkrankungen, gemessen an Häufigkeit und Belastung der Patienten [3].
Lücken in der Behandlung und Versorgung
„Als Kopfschmerzspezialisten möchten wir mit der Initiative unsere Kolleginnen und Kollegen unterstützen, indem wir Fortbildungen zur sicheren und doch zeiteffizienten Diagnose von Kopfschmerzerkrankungen anbieten, auf häufige Fallstricke in der Kopfschmerzdiagnostik hinweisen und über die zum Teil neuen Therapieoptionen informieren.“ So werden noch immer rund 40 Prozent aller Migränefälle nicht diagnostiziert und somit auch nicht fachgerecht behandelt [4]. Zum Beispiel berichten weit über zwei Drittel der Migränepatienten von Nackenschmerzen, sodass Ärzte wie Patienten oft fälschlicherweise von der Diagnose Spannungskopfschmerz ausgehen [5].
Der Initiative ist es zudem ein wichtiges Anliegen, bei Migräne die vorhandenen Möglichkeiten zur Prophylaxe besser und gezielter einzusetzen, um Chronifizierungen der Erkrankung zu vermeiden. Dazu gehören verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Entspannungsübungen oder Sporttherapie genauso wie der fachgerechte, differenzierte Einsatz der Medikamente.
Noch immer behandeln sich viele Kopfschmerzpatienten jahrelang selbst, um das Pochen und Drücken aus dem Kopf zu bekommen, und riskieren so eine Chronifizierung ihrer Beschwerden oder einen durch Schmerzmittelübergebrauch induzierten Kopfschmerz (Medication Overuse Headache, MOH). Von MOH sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Neurologie bis zu eine halbe Million Menschen in Deutschland betroffen [6]. Sofern erkannt, können die meisten Patienten erfolgreich behandelt werden. Rund zwei Dritteln gelingt es, den Übergebrauch der Schmerzmittel zu beenden, und bei den meisten stellt sich dadurch auch ein Rückgang der Kopfschmerztage ein. Der Langzeiterfolg hängt dabei jedoch ganz wesentlich von der ärztlichen Weiterbetreuung ab [7].
Beim Clusterkopfschmerz, einer selteneren, aber extrem schmerzhaften Erkrankung wird die Diagnose meist erst nach Jahren gestellt und die Patienten haben eine Odyssee von Konsultationen von Ärzten unterschiedlichster Fachrichtungen hinter sich [8, 9]. Dies bedeutet viele Jahre Schmerzen, Verzweiflung und Ängste für die Patienten und ihre Angehörigen.
Informationen und Fortbildung für Mediziner
Im ersten Schritt versorgt die Initiative »Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen« Ärztinnen und Ärzte mit fachlichen Informationen, im Jahr 2020 wird verstärkt die Bevölkerung über neue therapeutische und vorbeugende Möglichkeiten aufgeklärt.
Eine besondere Bedeutung kommt den Hausärzten zu, da sie die ersten Ansprechpartner von Kopfschmerzpatienten sind, diese über Jahre begleiten und gut kennen. Wichtig ist, dass der Hausarzt eine Diagnose stellt, die individuell passende Akuttherapie einleitet und auch über die Möglichkeit einer Prophylaxe aufklärt oder sogar eine Prophylaxe einleitet. Zudem sollte der Hausarzt steuern, welcher Patient mehr Unterstützung braucht und besser beim Neurologen oder einem Kopfschmerzexperten behandelt wird. Auch wenn primäre Kopfschmerzerkrankungen mit ca. 90 Prozent den Großteil der Kopfschmerzen ausmachen, muss der Hausarzt genauso erkennen, wenn ein sekundärer Kopfschmerz vorliegt und eine ganz andere, vielleicht sogar lebensbedrohliche Erkrankung hinter dem Symptom Kopfschmerz steckt.
Zentrale Informationsplattform der DMKG-Initiative ist www.attacke-kopfschmerzen.de mit Videos von 7 Kopfschmerzexpertinnen und -experten und einem „Schnelltest Kopfschmerzwissen“ zur Wissensauffrischung für Mediziner. Außerdem gibt es Datenbanken mit Fortbildungsveranstaltungen und zertifizierten Kopfschmerzexperten und Kopfschmerzzentren, an die komplexere Fälle überwiesen werden können. Die praxisorientierten Inhalte werden laufend von den Experten der DMKG ausgebaut. Im Aufbau befindet sich der mk-Guide, eine Wissensdatenbank zu Migräne und anderen Kopfschmerzerkrankungen, der alle Ärzte über die Grundlagen informieren und zu neuem Fachwissen auf dem Laufenden halten wird. Zudem arbeitet die DMKG an einem neuen bundesweiten Kopfschmerzregister.
Einzigartige Kooperation
Für die Realisierung der Initiative ist es der DMKG gelungen, finanzielle Unterstützung von vier Industriepartnern zu erhalten (Pharm-Allergan GmbH, Lilly Deutschland GmbH, Novartis Pharma GmbH und Teva GmbH). Jedes Unternehmen unterstützt die Initiative mit demselben finanziellen Beitrag. Alle Inhalte sind ausschließlich von Experten der unabhängigen DMKG verfasst.
„Die DMKG hat bei der Gestaltung der Initiative freie Hand. Anders wäre die finanzielle Unterstützung für eine wissenschaftliche Fachgesellschaft sicher kritisch zu betrachten“, so die Präsidentin der DMKG. Bei der Initiative gehe es rein um die Sache: Wir alle wollen die Kopfschmerzversorgung besser machen. Dieses Anliegen hat die DMKG und das ist auch im Interesse der beteiligten Unternehmen, die alle Medikamente entwickelt haben, die in der Akuttherapie bzw. der Prophylaxe der Migräne eingesetzt werden und auf diesem Gebiet forschen. Die Initiative behandelt aber alle häufigen Kopfschmerzarten. „Soweit uns bekannt ist, ist dies die erste Kooperation dieser Art zwischen einer unabhängigen Ärztevereinigung und vier gleichberechtigten Wettbewerbern aus der Industrie.“ Alle Informationen zur DMKG als unabhängige Fachgesellschaft und zur Initiative auf dmkg.de und attacke-kopfschmerzen.de.
Auf Facebook und LinkedIn unter „DMKG“
Referenzen
1. Pfaffenrath V et al. Regional variations in the prevalence of Migraine and TTH applying the new IHS criteria: The German DMKG headache study. Cephalalgia. 2009; 29:48-57.
2. European Brain Council 2017, Value of Treatment Study Group; Europäische Zahlen auf die Bevölkerung Deutschlands umgerechnet.
3. Global Burden of Disease Study 2015 der WHO.
4. Radtke A, Neuhauser H. Low rate of self-awareness and medical recognition of migraine in Germany. 2012; 32: 1023-30.
5. Ashina S, Bendtsen L, Lyngberg AC, Lipton RB, Hajiyeva N, Jensen R. Prevalence of neck pain in migraine and tension-type headache: a population study. 2015 Mar;35(3):211-9. doi: 10.1177/0333102414535110. Epub 2014 May 22. PubMed PMID: 24853166.
6. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Presseinformation vom 16. Juli 2018: dgn.org
7. Diener H.-C., Gaul C., Kropp P. et al., Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (Medication Overuse Headache= MOH), S1-Leitlinie der DGN und DMKG, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.
8. van Vliet JA et al. (2003). Features involved in the diagnostic delay of cluster headache. J Neurol Neurosurg Psychiatry 74(8): 1123-1125.
9. Bahra A, Goadsby PJ. Diagnostic delays and mismanagement in cluster headache. Acta Neurol Scand 2004; 109(3): 175-179.