Anlässlich einer Einladung der Bundespolizei an Mitarbeiter der Innenbehörden Sierra Leones zur Identifizierung von über 150 vermeintlichen Staatsangehörigen Sierra Leones im Jahr 2008 in Hamburg kam es zu einer Reihe von Merkwürdigkeiten: Der Besuch der Behördenmitarbeiter verursachte Kosten in Höhe von knapp 50.000 Euro. Davon fielen 7.200 Euro auf Tagegelder für die Besucher aus Sierra Leone, 63,50 Euro für die Anfertigung eines sierra leonischen Dienstsiegels durch einen Hamburger Schlüsseldienst, Flugkosten für die Delegation und einen Dolmetscher in Höhe von rund 16.000 Euro sowie Hotelkosten in Höhe von 10.000 Euro. Pikanterweise wurde ferner bekannt, dass auch Kosten für eine Bootsreise in Straßburg sowie für den Besuch eines UEFA-Cup-Spiels des HSV geltend gemacht wurden. Die Kosten wurden teilweise aus EU-Fördermitteln gezahlt und im Übrigen den Betroffenen als Vorführungskosten in Rechnung gestellt.
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei DIE LINKE vom 10. Februar 2010 (Drs. 17/664) ergibt sich, dass für die Ausstellung eines ETC eine Gebühr von 250 Euro zu zahlen war. Tatsächlich soll ausweislich der Webseite der Botschaft Sierra Leones in Berlin ein solches Dokument aber nur 100 Euro kosten. Zudem verlangt die Botschaft Sierra Leones für die Ausstellung eines ETC Identitätsnachweises einen abgelaufenen Pass, eine ID-Karte oder einen Führerschein. Die Delegation stellt demgegenüber großzügig ETC ohne derartige Nachweise nach Aussehen der betroffenen Person oder einem kurzen Gespräch aus.
Aus Sierra Leone hört man, dass gegen den Leiter der Delegation in einem Ermittlungsverfahren Korruptionsvorwürfe erhoben wurden. So sollen Einnahmen aus derartigen Passausstellungen dort falsch deklariert worden sein. Ob das so zutreffend ist, kann der DAV nicht beurteilen. Aus den vorgenannten Umständen ist ein solcher Verdacht aber nicht von vornherein zurückzuweisen. Inzwischen haben deswegen mehrere Behörden und Verwaltungsgerichte Rechtsmitteln der Betroffenen gegen derartige Vorführungen, wie sie zuletzt vom 17. Oktober 2011 bis zum 19. Oktober 2011 in Berlin stattfanden, stattgegeben (VG Magdeburg, Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 5 B 301/11; VG Braunschweig, Beschluss vom 18. Oktober 2011 - 4 B 152/11).
Jedenfalls kann ein Passbeschaffungsverfahren für eine Abschiebung unter derartigen Umständen rechtstaatlichen Vorgaben unter dem Grundgesetz nicht genügen. Es kann auch nicht im Interesse der Steuerzahler liegen, solchen Delegationen den Besuch von Fußballspielen oder die Durchführung von Bootsfahrten zu finanzieren. Die Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht des DAV verlangt daher, dass derartige Vorführungen vor eine Delegation aus Sierra Leone unter diesen Umständen unterbleiben.